Das Argument, dass das Reiten gegen die Natur ist, ist das ultimative Argument. Inwieweit ist es denn, deiner Meinung nach, Teil der Natur des Pferdes?
Ich habe nicht nur Extreme kennengelernt und viele Jahre meiner reiterlichen Laufbahn in einem tollen, dressurorientierten Freizeitstall verbracht. Das war wahrscheinlich die prägendste Zeit. Wieso kannst du Rennsport mit deinem Gewissen nicht vereinbaren, Reitsport aber schon? Ein ehemaliger Chef von mir hat es mal ganz treffend formuliert, indem er gesagt hat, dass das Kaputtmachen des Pferdes im Reitsport eben 20 Jahre dauert und im Rennsport 2-3 Jahre. Traurig, aber wahr. Meines Erachtens nach reden wir da nur von einer unterschiedlichen Nutzung des Pferdes, die letztendlich auf das Gleiche hinausläuft. Ich habe lange Zeit eine Berufslaufbahn im Vollblutsport angestrebt, um dort längerfristig (!) etwas verändern zu können. Auf den Gestüten und bei den Jährlingen klappt das auch teilweise schon richtig gut und es tut sich was. Im Rennstall ist das immer so ne Sache. Letztendlich hilft nur: keine Rennbahn mehr besuchen. Zu diesem Schluss bin ich für mich gekommen. Es wundert mich aber nicht, ich hatte schon überlegt, es vorher anzusprechen, dass du Rennsport ablehnst, denn das machen viele Reiter. Aus meiner Sicht tun diese aber das Gleiche, nur in einer anderen Dimension und mit erheblich mehr Mechanismen zur Schadensbegrenzung. Ich persönlich würde soweit gehen zu sagen, dass ein Pferd, das 2 Jahre auf der Rennbahn läuft und den Rest seines Lebens als Zuchtpferd auf der Weide verbringt unter Umständen sogar weniger und vor allem kürzer leidet als ein Pferd, welches jeden Tag seines Lebens, sagen wir für 20 Jahre, möglicherweise schlecht geritten wird und dazu nicht selten auch noch mit emotionalen Befindlichkeiten seines Besitzers konfrontiert wird. Klar könnte man jetzt wieder mit der berühmten Frage nach dem WIE kommen. Aber wieso stellt man sich die eigentlich? Zielt die nicht letztendlich nur darauf ab, möglichst effektive Schadensbegrenzung zu betreiben, weil das Reiten eben nicht in der der Natur des Pferdes liegt?
Wieso klingt das denn als würde man sich davor drücken wollen? Ist es wirklich so schwierig, sich vorzustellen, dass man nicht das Bedürfnis hat, sich auf ein anderes Lebewesen raufzusetzen? Es klingt immer ein bisschen von oben herab, wenn man Menschen, die Pferden ein natürliches, ungeplagtes Leben ermöglichen wollen, unterstellt, dass sie das nur aufgrund ihrer eigenen Inkompetenz tun. Ich will mich zum Beispiel ganz sicher nicht "davor drücken", mein 1m "großes" Shetlandpony und meinen 24-jährigen "Opa" zu reiten...