Beiträge von Rotbuche

    Zum Beinheben: wenn der Körper Stress ausgesetzt ist, ist der Sympathikus aktiv. Der sorgt nicht nur dafür, dass die Herzfrequenz und der Muskeltonus steigt uvm, sondern regt auch die Harnblase an. (Wir Menschen kennen das z.B. bei Lampenfieber: wenn wir vor vielen Menschen reden müssen, vor einem wichtigen Termin o.ä. drückt die Blase.) Ich könnte mir vorstellen, dass es bei Deinem Hund eine Mischung aus vielem ist, Angst, Beschwichtigung, allgemeiner Stress, keine zuverlässige Stubenreinheit bisher kennengelernt, evtl. körperliche Ursachen (gut, dass Du den TA konsultierst),... manches davon bewirkt einfach ein Laufenlassen des Urins, anderes regt die Blase nur stark an, das Absetzen geht aber noch kontrolliert, dadurch das Beinheben.
    Auch wenn das Beinchenheben sich vielleicht auf den ersten Blick "nerviger" anfühlt, weil es ein bewusster Akt zu sein scheint, finde ich es für den Hund und fürs Training angenehmer. Stress lässt sich besser bearbeiten als kopflose Panik.


    Ich habe bisher leider nichts von der Vorgeschichte mitbekommen (außer dem, was hier bereits geschrieben wurde) - kannst Du nochmal ganz kurz zusammenfassen, wie Du den Alltag für den Hund strukturierst und wie und an was Du mit ihm arbeitest?


    Ganz zentral im Umgang mit einem Hund, der soviel Ängste, Unsicherheiten und Stress zeigt, finde ich:
    - Routine: immer gleiche Tagesabläufe, gleiche Zeiten, gleiche Strukturen
    - Ruhe: der Hund braucht ausreichend Zeit, tief zu schlafen, ausgiebig zu ruhen
    - Selbstbewusstsein und eigene Lösungsstrategien: sollte die Ursache seines Verhaltens Stress und Angst sein, dann hat er bislang keine angemessene Möglichkeit, auf Alltagsdinge so zu reagieren, dass er damit umgehen kann. Um ihm diese Fähigkeit mitzugeben, eigene Lösungswege zu entwickeln, würde ich in kleinen Übungseinheiten außerhalb jeder Stresssituation an seiner Kreativität arbeiten, z.B. free shapen. Mit dem Wissen um eigene Fähigkeiten steigt auch das Selbstvertrauen!
    - fördern ohne zu überfordern

    Für mich beantwortet sich diese Frage recht einfach: verhält sich mein Hund offline genauso, wie er es angeleint tut? Dann ist die Leine keine Einschränkung, sonst eben schon.


    Ich möchte, dass die Wesen (egal wer, Hunde, Menschen, ...) in meiner Umgebung, die ich lieb habe, frei sein können. Natürlich frei innerhalb eines Rahmens, der die Umwelt nicht beeinträchtigt, aber eben so frei wie nur möglich - Freiheit ist so unendlich wertvoll. Auch wenn alle meine Hunde die Leine gern mögen, bewegen sie sich ohne Leine doch in einem anderen Radius und auch in einer anderen (sowohl langsamer als auch schneller) Geschwindigkeit. Offenbar ist es also das, dieses freie Umherschnuffeln, mal mit mir arbeiten, mal bummeln, mal vorrennen, was sie von sich aus wollen und was sie am glücklichsten macht. Darum schaue ich, dass ich ihnen diese Freiheit ermöglichen kann durch Training, Wahl der entsprechenden Gassiumgebung, usw.

    Der eine Irrsinn ist, zwei Welpen gleichzeitig zu holen, der zweite, Wurfgeschwister aufnehmen zu wollen. Wurfgeschwister beginnen etwa ab der 8. Woche, deutlich ruppiger miteinander umzugehen, als es gleichaltrige Welpen tun würden, die nicht aus demselben Wurf stammen. Das bedeutet, dass Mensch zusätzlich zu der anderen Welpenarbeit pausenlos damit beschäftigt ist, einzuschätzen, welches Spiel noch ok ist, und wann eingeschritten werden muss.

    Mal eine Verständnisfrage vorweg: was ist aus Deiner Sicht die Grenze/ der Unterschied zwischen Verhaltenstherapie und Training?


    Bist Du sicher, dass das Verhalten ausschließlich territorial bedingt ist, dass nicht der Border in Deinem Hund anspringt auf die schnellen Bewegungen? Du schreibst, dass er nur attackiert, wenn die Hunde spielen, nicht aber, wenn sie ruhig sind? Das spräche für die letztere Variante.


    Wäre es mein Hund, würde ich in jedem Fall daran arbeiten, dass er in meiner Gegenwart mir die Entscheidung überlassen kann, wer sich auf meinem Grundstück bewegt, nicht wegen der "Außenwirkung" auf meine Kunden, sondern weil es Entspannung für meinen Hund bedeutet.
    (Für den Fall, dass Du fragst, wie ich das trainiere: kommt auf den Hund an, kann ganz unterschiedlich aussehen. Würde mein BC so ein Verhalten an den Tag legen, wäre es mit Sicherheit überhaupt nicht territorial motiviert, bei ihm müsste ich über Entspannung trotz Bewegungsreizen gehen. Mein HSH ist sehr auf ihr Territorium bedacht, für sie ist die Lösung, dass ich all das kontrolliere, was ihr wichtig ist. In ihren Augen muss nur jemand den Job übernehmen, dann ist es ok. Und es gibt soviel dazwischen. Der Weg der Wahl hängt von Deinem Hund, seiner Motivation und Dir ab.)

    Ich sehe das Geld, das ich für die Hundemitnahme ins Hotel/Ferienhaus/... zahle, nicht als reine Putzpauschale an. Die Hundemitnahme überhaupt zu erlauben, ist für den Vermieter erstmal ein Risiko: die Hunde könnten andere Gäste stören, sie könnten massiv Schmutz in das Zimmer tragen, sie könnten andere Gäste, beispielsweise Allergiker oder Hundephobiker, gänzlich davon abhalten, in diesem Hotel zu buchen.
    Im Vorfeld weiß ein Vermieter nicht, ob dieser Gast seinen Hund so erzogen hat, dass der nicht nachts alle 5 Minuten anschlägt, wenn er was hört, oder ob ein Gast das Bedürfnis hat, den Hund nach dem Schlammbad auch wirklich sauberzurubbeln.
    Und dass es auch für Vermieter, die die Hundemitnahme anbieten, kein völlig unbelastetes Thema ist, sieht man spätestens dann, wenn man mit vier Hunden eine Unterkunft sucht. Man könnte in diesem Thread meinen, man bezahlt vierfach, dann wäre also auch der Putzaufwand vierfach abgedeckt, wo ist das Problem? Das Problem ist, dass für Vermieter tatsächlich die anderen Risiken viel Gewicht haben, und ein Hunderudel hat natürlich mehr Potential, andere Gäste zu stören, als ein einzelner Hund.
    Dieses Vorschussvertrauen, meine Hunde trotz der Risiken bei sich aufzunehmen, honoriere ich in allererster Linie mit dem, was ich für sie zahle. Und weil ich möchte, dass die Vermieter auch weiterhin gerne Hunde aufnehmen und dafür auf einige andere Gäste und damit Einnahmequellen verzichten, sorge ich nicht nur dafür, dass kein anderer Gast durch meine Hunde gestört wird, sondern will auch die Räume jeweils möglichst ordentlich hinterlassen. Dass bedeutet nicht, dass ich jedes Haar einzeln mit der Fusselrolle suche, aber ich gehöre definitiv zu der Saug- und Abdeckfraktion mit Hunden im Urlaub.

    Hier lebt ein Kangalmix-Mädchen, kastriert vor meiner Zeit mit ca. 1,5 Jahren, zu mir kurz danach gekommen. Erwachsen war sie so etwa mit drei, dreieinhalb Jahren.
    Ich versuche, mich daran zu erinnern, wann sie mit dem Wachen wirklich angefangen hat... anfangs war kein Wachtrieb in irgendeiner Form zu bemerken, das kam bei ihr etwa mit 2,5 Jahren. Sie hat schon immer Grundstücke gründlicher bewacht als Wohnung/Haus, wenn wir zusammen draußen sind, beobachtet sie nur im Hintergrund, bin ich nicht da (z.B. sie im Garten, ich im Haus), meldet sie alles, was ihr ungewöhnlich vorkommt. Neue Spazierwege erklärt sie ab dem zweiten Begehen zu ihrem Territorium.
    Menschen fand meine Hündin schon immer toll, das ist größtenteils so geblieben, dort wo sie skeptisch ist, bin ich es (auch unabhängig von ihr) ebenso.
    Ihr Verhalten anderen Hunden gegenüber hat sich mit dem Erwachsenwerden recht plötzlich geändert von freundlich-fröhlich zu skeptisch-distanzvoll. Wir haben lange (= ca. 1,5 Jahre) trainiert, um fremde Hunde aus der Schublade "muss vertrieben werden" herauszukriegen, das haben wir (bis auf 3 einzelne Hunde-Exemplare) geschafft.
    Woran wir auch zeitlebens gearbeitet haben, war ihr Jagdtrieb, der bei Kangals u.U. nicht zu unterschätzen ist! Wenn ein Kangal jagt, kann man sich durchaus auch mal auf mehrere Stunden Abwesenheit einstellen.


    Was meinen Kangal glücklich macht:
    - ein festes Rudel, sonst bitte keinen Kontakt zu anderen Hunden (sie kann es, braucht es aber definitiv nicht zu ihrem Glück)
    - eine Wachaufgabe
    - Zeit, von erhöhten Plätzen aus (Hügelkuppe z.B.) die Landschaft zu beobachten
    - eine Möglichkeit, zu jagen (dieses Glück verweigere ich meinem Hund. Sämtliche Alternativen zur Jagd sind mal ganz nett, aber eigentlich sinnlos, sagt meine Hündin. Wenn sie irgendwas in der Richtung mitmacht, dann nur mir zuliebe.)
    - Freiheit. Mehr als jeden anderen Hund musste ich diesen Hund "loslassen", um ihre Zusammenarbeit zu bekommen.


    Meine Ausschlusskriterien für die Übernahme eines Kangals wären:
    - keine Wachaufgabe
    - aufbrausendes Temperament seiner Menschen
    - Menschen, die keinerlei Grenzen setzen können/wollen
    - Menschen, die Grenzen durch Härte setzen
    - keine Möglichkeit, viel, viel, viel Zeit, Nerven, Kreativität und Arbeit in die Alltagstauglichkeit zu investieren

    Wir hatten bisher nie ein Zimmer bzw. eine Ferienwohnung mit Auslegware. Alle anderen Teppiche habe ich zu Beginn unseres Urlaubs auf- und am Ende wieder ausgerollt, für die (Menschen-)Betten habe ich extra Tagesdecken mitgenommen, damit die Hunde in einer kurzen Abwesenheit von mir auch da keine Haare verteilen konnten. Zur Haarentfernung mag ich die Wunderbürste sehr, fände es allerdings anstrengend, täglich einen ganzen Raum damit zu schrubben.

    An Ausrede glaube ich gar nicht mal, eher an eine nicht ganz vollständige Schilderung - die Beschreibung klingt nach typischem Weimaraner-"Problem", und es würde mich nicht wundern, wenn er schonmal die Zähne eingesetzt oder zumindest probiert hätte, was passiert, wenn er mal knurrt. Training + Auslastung + Ruhe + Grenzen sind dann nicht nur ein Thema während der Schwangerschaft, sondern erst recht, wenn das Kind da ist. Ich kann verstehen, wenn sich eine junge Mutter damit überfordert fühlt. (Ich kann nicht verstehen, warum man sich ohne die entsprechende Arbeitsmöglichkeiten überhaupt einen Weimaraner holt, aber das ist ein anderes Thema.)