Rangordnung im Wolfsrudel
Wolfsrudel sind meist Familienverbände bestehend aus den Elterntieren, Jungtieren aus dem Vorjahr und Welpen bzw. Jungwölfe unter einem Jahr. Bis auf die Elterntiere sind alle Rudelmitglieder verwandt und kennen sich von Geburt an. Werden junge Wölfe mit 2-3 Jahren, hin und wieder auch erst mit 4 Jahren, geschlechtsreif, verlassen sie meistens während der Paarungszeit das Rudel und versuchen, zusammen mit einem fremden Partner ein eigenes Rudel zu gründen. Wie sieht es nun mit der viel erwähnten Rangordnung aus?
Frühere Forschungen an in Gefangenschaft gehaltenen Wölfen beschrieben für die weiblichen und männlichen Mitglieder eines Rudels getrennte Rangordnungen, die in den oberen Rängen streng hierarchisch aufgebaut sind. Die ranghöchsten Individuen, meist die Eltern von einem Teil der anderen Rudelmitglieder, wurden deshalb alpha-Tiere genannt. Welpen besitzen einen Sonderstatus, weil sie die Regeln im Zusammenleben erst erlernen müssen. Die Eingliederung in die Rangordnung findet nach und nach im ersten halben Lebensjahr statt.
Es wurde beobachtet, dass neben einer typischen Körperhaltung der hohe Rang eines alpha-Tieres durch eine Reihe von Privilegien gekennzeichnet ist, die auch konsequent verteidigt werden. Es wurden häufig Rangordnungskämpfe beobachtet, die zur Paarungszeit an Heftigkeit zunahmen und bis zum Tod einzelner Wölfe führte.
Auf diesen Forschungsergebnissen aufbauend, entstand ein Konzept, nach dem Rudelmitglieder grundsätzlich danach streben, an mehr Privilegien zu gelangen, diese unter Umständen mit Gewalt zu verteidigen und die alpha-Tiere nur dann an oberster Stelle stehen, wenn sie stark genug sind, diesen Rang zu verteidigen. Sozial-Darwinismus in Reinkultur. Übertragen auf den Hund, muss der Mensch die Rolle des alpha-Tieres spielen, damit sich der Hund unterordnet.
Neuere Forschnugen an frei lebenden Wölfen zeigen ein völlig anderes Bild. Diese festen, nach Geschlechtern getrennten Rangordnungen sind so bei frei lebenden Wölfen nicht zu beobachten, da die Rudel als Familienverbände von Eltern mit ihren nicht geschlechtsreifen Kindern anders zusammen gesetzt sind. Die enge Verbundenheit innerhalb des Rudels ist die Folge davon, dass außer den Elterntieren die Rudelmitglieder in das Rudel hineingeboren werden und sich bis zum Erwachsenwerden an der erfolgreichen Aufzucht von Nachkommen beteiligen. Es handelt sich bei einem Wolfrudel einfach um eine Wolfsfamilie mit ihren nicht erwachsenen Nachkommen. Außerhalb der Paarungszeit werden bei freilebenden Wölfen praktisch keine Rangordnungskämpfe beobachtet.
Im Gegensatz zu Gehegewölfen pflanzen sich in einem frei lebenden Rudel in der Regel nur die beiden Elterntiere fort, da die fortpflanzungsfähigen Nachkommen vorher das Rudel verlassen und einen nicht verwandten Partner suchen. Sie legen dabei ausgesprochen große Strecken zurück und bleiben dann meist lebenslang mit ihrem Partner zusammen. Da die jungen Wölfe abwandern, ehe sie geschlechtsreif werden, sind auch in der Paarungszeit Auseinandersetzungen selten. Unter günstigen Umweltbedingungen pflanzen sich alle erwachsenen Wölfe fort und es konnte bisher nicht beobachtet werden, dass Elterntiere anlagemäßig irgendwelche besonderen Führungseigenschaften mitbringen. Jeder Wolf, der lange genug lebt und einen Partner findet, pflanzt sich fort.
Die Rangordnung wird häufig selbst dann aufrecht erhalten, wenn ein Elterntier durch Verletzung seine führende Position nicht ausfüllen oder gar verteidigen kann.
Für uns am auffälligsten, wenn man Wölfe in Gefangeschaft beobachtet, ist die Futterrangordnung. Nahrungsresourcen werden sehr aggressiv von den alpha-Tieren beansprucht. Erst nachdem diese sich ihren Anteil genommen haben, dürfen rangniedere Wölfe fressen. Jungwölfe = omega-Wölfe sind als letzte an der Reihe. Bei freilebenden Wölfen dagegen ist direkt nach dem Töten einer größeren Beute keine Futterrangordnung zu beobachten. Alle Rudemitglieder fressen in möglichst kurzer Zeit möglichst viel. Erst beim Verwerten der Reste sind manche Rudelmitglieder durchsetzungsfähiger als andere. Trotzdem sind auch hier aggressive Auseinandersetzungen selten. Beansprucht ein Wolf ein Stück einer Beute für sich, wird das von den anderen Rudelmitgliedern respektiert.