Hey
ZitatAlles anzeigenHi,
ich lese nicht seit 50 Jahren über Wölfe und Hunde. Geschweige denn, dass ich Wolfsverhalten studiere.
Immer mal am Rande ein Buch..eine Sendung. Erzählungen von Verwandeten aus sibirischer Kriegsgefangenschaft (2. Weltkrieg)
Das populärwissenschaftliche, was ich heute aufbereitet lese, ist gut und richtig. Auch wenn es vor 50 Jahren schon mal Menschen schrieben und entdeckten. Umso besser. Hans Georg ich finde deine "Wissenszugaben" immer sehr lehrreich und wirklich interessant.
Über Hunde lese ich erst seit 2000. Und ich weiss, was zwischen den 60igern und sagen wir 80iger in Sachen Hund gedacht wurde in der breiten Öffentlichkeit.
Die BREITE Masse der Öffentlichkeit hat meinem subjektiven Verständis nach schon an Wissen zugelegt in Sachen Hund.
Ob nun die Umsetzung immer Tiergerecht ist, sei dahingestellt.
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Wir diskutieren hier schon zum Xten Mal die DEFINITION von DOMINANZ. Die Definition steht fest.
Das Problem ist ja nicht die Definition von Dominanz, sondern eher die verschiedenen Interpretationen, so falsch sie auch sein mögen, sie halten sich hartnäckig.
Zitat einer sehr aktuellen Beschreibung der Dominanz in der Verhaltensbiologie von Kappeler 2010:
Dominanz ist dabei keine intrinsische Eigenschaft eines Individuums, sondern sie beschreibt einen Aspekt der sozialen Beziehungen zwischen zwei Individuen (Dyade), die dadurch gekennzeichnet ist, dass nur eines der beiden Tiere submissives Verhalten an den Tag legt.
Außer im Fall von Individuen, die entweder alle anderen dominieren, oder von allen anderen dominiert werden, ist es daher streng genommen irreführend, von dominanten oder subordinierten Tieren zu sprechen; alle anderen Tiere dominieren nämlich manche anderen und werden von manchen anderen dominiert (Lehrbuch der Verhaltensbiologie, Kappeler 2012).
Hier noch einmal Fett hervorgehoben, das es die berühmte Ausnahme von der Regel gibt, nämlich „Außer im Fall von Individuen ...“.
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Es gibt nicht DEN IMMER dominanten Hund.
Immer ist ähnlich schwierig und schwammig wie dominant.
Deshalb vermeide ich auch allgemein diesen Begriff "dominant".
Nichts ist so beständig wie der Wandel.
Genotyp + Umwelt = Phänotyp
Mit anderen Worten, ein „dominanter Hund“, ist nur, solange ein „dominanter Hund“ solange er dieses Verhalten an den Tag legt.
Nun hier liegt die Problematik.
Denn, wie und woran kann ich erkennen, dass der Hund tatsächlich „dominant“ ist.
Wenn du einem solchen begegnest, wirst du es möglicherweise erfahren.
Wenn du einen solchen Hund hast, dann weißt du es (leider weiß ich, wovon ich spreche).
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Nichtsdestotrotz gibt es geborene Führungspersönlichkeiten. Und wahrscheinlich gibt es hier viele charakterliche Abstufungen. Von ziehmlich Cool bis zwanghaft.
Ich weiß nicht was dich so sicher macht, dass es diese geborenen Führungspersönlichkeiten gäbe.
Das, so denke ich, ist eher ein lieb gewonnener und weiterhin gepflegter Irrtum.
Den geborenen Führer gibt es so nicht. Auch gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, zumindest kenne ich keinen, aber ich lasse mich da gerne belehren.
Es ist mit dem geborenen Genie ähnlich wie mit der Führungspersönlichkeit, beides gibt es so nicht, dafür gibt es wissenschaftliche Beweise, die bisher nicht widerlegt sind.
Ein Beispiel ist ein Psychologe, der mit seinen Kindern ein Experiment gestartet hat, das beweisen sollte, das Genies gemacht werden und nicht geboren.
Dazu bildete er seine Tochter ab dem 4 Lebensjahr systematisch zur Schachspielerin aus. Sie wurde die erste Frau, die in sehr jungen Jahren schon, unter einigen Hundert Männern, es zur ersten Großmeisterin schaffte.
Deshalb gehe ich davon aus, dass es sicherlich genetische Grundlagen gibt, die es erleichtern sich zu einer Führungsperson zu entwickeln, aber das Führung angeboren sei, nicht.
So gibt es in der Verhaltensbiologie und ihren verwanden Disziplinen, gut belegte Hinweise dafür, dass z. B. in manchen Tierarten, schon die Kinder den direkten Status der Mütter in der Gruppe einnehmen. Das beruht aber nicht auf angeboren Grundlagen der Jungen, sondern rein auf dem momentanen Status der Mütter in der Gruppe.
Das alles ist oft viel komplexer, als wir uns das so vorstellen können.
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Ich bezweiffle aber auch, dass jeder geliebte freche vorwitzige Jungspund eine Führernatur ist. Weil ich schon einige Hunde kannte, die so auftraten und dann, im Zusammenleben mit "echten" Führerpersönlichkeiten (die absolut nicht dauernd dominierten!) sich zurücklehnten und eine weitaus releaxte zufriedene Haltung einnahmen.
Ja das stimmt, Zweifel und der gesunde Menschenverstand können da schon weiter helfen.
Leider greift eine Unart um sich, dass sich die Menschen darin versteigen, hier die Hundehalter, sie könnten die Hunde verstehen. Sie glauben tatsächlich, sie würden hündisch verstehen, oder auch die Muttersprache des Hundes, sie würden kommunizieren statt konditionieren usw.
Ich kenne keinen einzigen Menschen, der die Hunde wirklich versteht, der tatsächlich auf hündisch mit ihnen kommunizieren kann.
Das zu glauben ist eine Arroganz und Ignoranz des Menschen, den Tieren gegenüber.
Natürlich können wir sie sehr begrenzt verstehen und mit ihnen Kommunizieren, so etwas lässt sich durch Erfahrung lernen, bleibt aber letztlich sehr eingeschränkt auf Dinge, die wir prinzipiell gegenseitig voneinander gelernt haben.
Hier ist Lernen der Schlüssel zur eingeschränkten Kommunikation mit unseren Hunden, mehr ist es nicht.
Das reicht aber bei Weitem nicht dazu aus, unsere Hunde wirklich verstehen zu können.
Was denkt der Hund?
Das wird uns niemand beantworten können.
Dazu fehlen uns Menschen komplett die Fähigkeiten.
Deshalb bleibt das uns verschlossen.
Es gibt Hundehalter und Hundetrainer die glauben ernsthaft, wenn sie einen Hund mit ihrem Körper blocken, das sei in der Muttersprache des Hundes nämlich Kommunikation und somit hündisch.
Das ist eine universelle Reaktion von ganz unterschiedlichen Lebewesen sogar von Menschen und nicht auf Tiere beschränkt.
Dazu gibt es einige Experimente mit Babys, die mit ihren Müttern vor einer Leinwand sitzen und plötzlich rollt im Film direkt ein Ball auf sie zu, der beim Näherkommen immer bedrohlicher und größer wird. Die Babys wenden sich ängstlich von der Leinwand ab und wollen schnell weg.
D. h., hier wird eine tiefsitzende reflexartige emotionale/gefühlsmäßige Reaktion ausgelöst, die Furcht vermittelt.
Es sind diese Emotionalen/Gefühlsmäßigen aus der Evolution hervorgegangenen Reaktionen, die uns häufig mit den Tieren verbinden, die in alten Hirnarealen verortet sind.
Die bei uns Menschen erhalten und in den tieferen alten Gehirnstrukturen zu finden sind, die unter den jüngeren Hirnrinden gebieten liegen.
Zusammenfassend würde ich sagen, lässt sich gerade bei der Hundehaltung, da hier die Struktur und somit die Funktionen eines gewachsenen Rudels wie bei den Wölfen fehlen, nicht so leicht erkennen, wenn überhaupt, welche Dominanzbeziehungen vorliegen.
Hunden fehlt all das, was ein Rudel ausmacht, da sie durch „künstliche Zuchtwahl/Selektion“ auf ganz andere Eigenschaften gezüchtet wurden. Sie sind dabei zwar sozialverträglich geblieben, aber das ist mit einem Wolfsrudel kaum noch vergleichbar.
Das lässt sich bei Feddersen-Petersen nachlesen, die beides in Experimenten der Rudelhaltung erforscht hat. Hunderudel sind weniger stabil und bei der Haltung von Hunden mit Wölfen und/oder Hybriden, sind die Hunde in aller Regel die „dominanten“ Tiere.
Das „künstliche Zuchtwahl/Selektion“ starke Veränderung des Verhaltens hervorbringen zeigt ein weiteres Domestikations-Experiment von einem russischen Biologen, das er mit Silberfüchsen machte und weltweit viel Aufmerksamkeit erhielt.
Er machte aus Solitär und unverträglichen lebenden Silberfüchsen in ca. 40 Jahren, soziale die Nähe des Menschen suchende und mit Artgenossen verträgliche Tiere. Das war sozusagen ein Evolutions-Experiment im Zeitraffer.
Baut man also diese ganzen Mosaiksteine systematischen und folgerichtig zusammen, ergibt es ein klareres Bild, als das die Hundeforschung (was immer das sein mag) alleine jemals könnte.
Wenn also ein Hund einem anderen Hund oder dem Menschen eine Ressource überlässt, sagt das noch nicht viel über die Dominanzhierarchie aus, sondern nur mit Vorbehalt, etwas über die momentane, wenn überhaupt, Dominanzbeziehung der beteiligten Individuen.
Beweise haben nicht wirklich die Aufgabe, jemanden davon zu überzeugen, dass etwas wahr ist. Sie dienen nur dazu, um zu zeigen, warum etwas wahr ist. (Andrew Gleason)