Hallo Anna,
bin zwar neu, möchte aber dennoch etwas Senf in den Topf geben.
Zur Frage der Eignung eines Neufis denke ich - wenn Rassebeschreibungen uns auch grobe Hinweise auf mögliche Charaktereigenschaften unserer Hunde geben, so sind es eben doch nur grobe Hinweise. Zum Glück gibt es den uniformen Rassevertreter nicht und jeder Hund ist ganz individuell. Also natürlich kann ein Neufi auch für den Schutzdienst geeignet sein oder ein guter Agi-Hund sein, sofern man gewillt ist die Sprunghöhe seiner relativ schwereren Masse anzupassen.
Zur Frage, ob Schutzdienst, würde ich mich zunächst einmal erkundigen von welchem Schutzdienst die Rede ist;
Eher IPO im Sinne des VDH oder Ringsport nach dem Muster der Niederlande, Belgien oder Frankreich.
Bei der IPO wird nur der HF bedroht und der Hund darf nur angreifen, wenn der HF bedroht wird. Der zitierte "Stock" kommt erst zum Einsatz am Hund, wenn der Hund bereits in den Ärmel beißt. Im Ringsport wird auch der Hund direkt bedroht und es wird auch erwartet, dass der Hund ohne Kommando in einer solchen Situation selbstständig entscheidet anzugreifen. Daher schätze ich den Ringsport für Fehlverhalten im Alltag als kritischer ein, besonders wenn die Ausbildung nicht gut oder unvollständig abläuft.
Zur Frage ob man den "Schutztrieb" eines Neufis mit dem Schutzdienst gefährlich fördern könnte, denke ich, dass kommt darauf an. (Wie eigentlich immer im Leben.)
Ich bleibe mal, wenn es mich auch etwas schmerzt bei den Triebbezeichnungen, weil sie im Schutzdienst Sport immer noch regelmäßig für Erklärungen genutzt werden.
Der Schutzdienst heißt ja heute aus verschiedenen Gründen nicht mehr Schutzdienst. Zum einen politisch korrekt - seit den Landeshundegesetzen wollte der VDH vermutlich sicher gehen, dass der Schutzdienst nicht auf den Index der verbotenen Ausbildungsmethoden zur Aggressivitätssteigerung kommt und zum anderen ist Schutzdienst eben mehr als das reine Zubeißen (Unterordnung & Fährte).
Außerdem ist der Begriff in sofern missverständlich, weil der VDH ganz klar sagt, dass die Ausbildung des Hundes eben genau nicht mehr über den "Wehr- bzw. Schutztrieb" läuft. Der VDH sagt es werde ausschließlich über den "Beutetrieb" ausgebildet. Wenn das so stimmt, dann kann also das eventuell vorhandene Schutzverhalten des Neufis nicht versehentlich ausser Kontrolle geraten. Beutefangverhalten hat nichts mit irgendeiner Form von Aggression zu tun, schon gar nichts mit sozialer Aggression gegenüber Bedrohungen gegen das "Rudel".
Weder ich noch Hund hegen persönliche Aversionen gegen Beute. Beute ist einfach nur Nahrung.
Und wenn mein Hund sich für Objekt-Beute, die ich ihm anbiete interessiert, ist das durchaus ein Eignungskriterium für die Schutzdienst Ausbildung. (Natürlich auch für andere Dinge, aber ich hege nicht den Wunsch eine Leiche unter Trümmern zu finden, nur damit mein Hund mit einer edlen Aufgabe ausgelastet ist.)
Für meine Entscheidung ob Schutzdienst oder nicht würde ich also klären wollen, welcher Schutzdienst betrieben wird und über welchen "Trieb" ausgebildet wird.
"Wehrtrieb" fördern sollte man sich gut überlegen und wenn ja, sollte man mit der Ausbildung nicht aufhören, bevor der Hund nicht wirklich zu Ende ausgebildet ist und weiß, dass er nicht entscheidet, wann es Zeit für den Wehrtrieb ist. (Das auch so ausgebildete Hunde wunderbar in der Familie mit Kindern leben liegt einfach daran, dass Familie eben "Rudel" ist und kein Eindringling.)
"Beutetrieb" fördern funktioniert in der Regel sehr gut, besonders, wenn immer klar ist, dass die Beute weder ein Mensch, noch ein ungeschützter Arm eines Menschen ist. Denn ansonsten sehe ich auch das Training über den Beutetrieb durchaus kritisch. Hier geht es wie bei der Verteidigung, um die Förderung eines obligaten Verhaltens (hier: Nahrungserwerb). Ein Verhalten, dass beim Neufi gegenüber Wild (oder was Hund dafür halten könnte) vermutlich eher gering ausgeprägt ist, auch wenn er mit Objekten gerne spielt.
Beute macht man, indem man sie auf keinen Fall vorwarnt und dann möglichst schnell ergreift und tötet, bevor die Beute sich wehren kann ......! Beim "Schutztrieb" kann Vertreiben des Eindringlings schon reichen, Beute soll auf den Esstisch. Also gilt auch bei Beute - tut mans, muss man die Ausbildung wirklich zu Ende führen und dem Hund unmissverständlich vermitteln, dass Beute nur ein künstlicher Ärmel ist, sonst nichts.
Und als letztes wäre es mir noch wichtig die Impulskontrolle meines Hundes einzuschätzen. Je geringer die Impulskontrolle, je schwerer ist das Verhalten zu kontrollieren und im Agility sind das vielleicht nur 5 falsch gesprungene Hürden, im Schtutzdienst kann das ein Biss in einen ungeschützten Arm sein.
Das wären also meine Auswahlkriterien. Wenn ich Bock auf Schutzdienst hätte, mein Hund sich eignen würde, eher eine gute Impulskontrolle hätte und der Schutzdienst im Sinne der IPO trainiert würde und eindeutig über Objekt-Beute trainiert würde, dann könnte mich nur noch ein Ausbilder Team (Trainer & Figurant) davon abhalten, das wenig kompetent wirkt. Daher würde auch ich mir das Training erst mal trocken ansehen und meinen Hund ganz sicher zu Hause lassen, weil man sich Gruppenzwang manchmal nur schwer entziehen kann und man mit Hund schon mal aufgefordert wird es doch einfach mal zu versuchen.
Viel Spaß mit Aimee, wofür auch immer Du dich entscheidest.
Silke
mit Kerlemann