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Hallo,
ich lese hier sehr viel von den Problemen mit Hunden die Leinenaggressiv sind oder einfach jeden Hund lautstark anpöbeln. Es wird dann immer dazu geraten den Hund Abzulenken oder auch "zeigen und benennen".
Ich bin da auf einen Gedanken gestoßen, den ich gerne mal vertiefen möchte.
Ist es wirklich sinnvoll den Hund nur von seinem Problem "abzulenken" oder wäre eine klare Ansage effektiver. Lernt der Hund tatsächlich seine Aggression gegenüber anderen Hunden zurückzunehmen oder lernt er nur solange auf den HH zu reagieren bis er eine angemessene Belohnung dafür bekommt? Was ist dann beim nächsten Hund, und dem nächsten und nächsten... Was wenn ich nicht schnell genug mit Ablenken bin, was wenn ein Hund auf ihn zugestürmt kommt, was passiert wenn die Leine reißt, mir aus der Hand rutscht oder ich einfach den anderen Hund nicht früh genug sehe?
Ich kann nur für "zeigen und benennen" sprechen, weil ich Ablenken nicht benutze und mich nicht damit beschäftigt habe. "Zeigen und Benennen" hat mit Ablenken nichts zu tun, ist sogar das Gegenteil davon. Dem Hund wird ermöglicht, sich mit einem Reiz, der ihn aufregt (positiv oder negativ) auseinanderzusetzen. Allerdings nur visuell, also nicht durch hinlaufen. Und ihm wird ermöglicht, seinem Hundeführer mitzuteilen, dass dieser aufregende Reiz da ist. Und dafür wird er auch noch belohnt! Ich finde, das es angenehmer schon fast nicht geht.
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Wenn ich meinen Hund dabei erwische wie er zb. versucht Geschirrspültabs oder den Haufen eines anderen Hundes zu fressen, oder wenn er im Begriff ist die Straße ohne mich überqueren zu wollen, hole ich doch auch kein Leckerchen oder Ball oder erkläre ihm das da ein Auto kommt um ihn davon abzulenken. Ich sage ihm klar und deutlich "NEIN" das darfst du nicht. Wäre es nicht besser dem Hund ohne Schnörkel klarzumachen das das anfeinden anderen Hunde ein nicht erwünschtes Verhalten ist, das in jedem Fall unterbunden wird. Lernt er dann nicht eher das ich als Halter die Situation kontrolliere und er dabei kein Kommentar abzugeben hat. Er muss ja nicht jeden anderen Hund mögen. Aber er hat nicht zu entscheiden wer angemotzt wird, nur weil die Nase gerade nicht passt.
Dabei vergleichst du finde ich Äpfel mit Birnen. Geschirrspültabs sind lebensgefährlich und eine klassische Situation für ein gut sitzendes "Aus" oder "Lass es". Aber die Erregung eines Hundes bei Hundebegegnungen wird ja nicht besser dadurch, dass ihm verboten wird, diese auszudrücken. Die Erregung wird immer noch dasein, wenn der Hund auch vielleicht auf dein "Nein" reagiert. Alles was er lernt ist "ich finde andere Hunde aufregend/superblöd/... und Frauchen ist auch noch genervt - alles Mist".
Bei "Zeigen und Benennen" setzt man das Ganze einfach in einen neuen Kontext. Also statt "da ist ein anderer Hund, also ziehe ich mein Pöbelprogramm ab" wird es zu "da ist ein anderer Hund, also spielen Frauchen und ich das Spiel wo es so viele Leckerchen gibt - super!". Und schon ist die ganze Erregung nicht mehr da bzw bezieht sich auf etwas ganz anderes. Natürlich dauert es, bis das soweit ist. Aber es lohnt sich!
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Wenn meine Kinder der Meinung wären jeden auf der Straße anzurempeln der es wagt an ihnen vorbeizugehen, gebe ich denen doch keine Süßigkeiten oder verspreche ihnen das sie Fernsehen dürfen nur damit sie nicht mehr auf die anderen achten. Damit würde ich sie doch eher veranlassen noch mehr zu motzen, weil die Ausicht auf Belohnung einfach zu schön ist. Ist das beim Hund auch so? Machen wir es unter Umständen schlimmer, wenn wir eine Verhaltensweise die nicht akzeptabel ist unterstützen indem wir lediglich belohnen das wir einen Konflikt temporär umgehen statt ihn zu lösen?
Du belohnst bei "Zeigen und Benennen" keine nicht akzeptablen Verhaltensweisen. Du belohnst anfangs, dass der Hund sich in hoher Erregungslage ("FEIND! DA!" oder "HINHINHINSPIELENHINHIN!") noch irgendwie im Zaum hält - also Leine minimal locker, oder nur nur Grollen nicht Bellen oder nicht so doll bellen oder wie auch immer. Und dann, dass er sich zu dir umdrehen und Leckerli nehmen kann. Und dann, dass er im Verlauf nur noch guckt und dann sofort umdreht um Leckerli einzufordern. Was ist daran nicht akzeptabel?
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Müsste der Hund nicht auch dann ständig belohnt werden wenn kein anderer Hund in Sicht ist damit er das Ablenken nicht nur auf die Situation bezieht? Bringen wir ihm so ein richtiges Sozialverhalten im Umgang mit Artgenossen bei? Nehmen wir ihm so die Möglichkeit mit der Situation angemessen umzugehen und zu lernen das sein Verhalten falsch ist und wie es richtig wäre?
Das Beziehen auf die Situation soll ja gerade so sein, siehe oben ("da ist ein anderer Hund, also spielen Frauchen und ich das Spiel wo es so viele Leckerchen gibt - super!")
Funktioniert übrigens auch mit anderen Sachen als Hundebegegnungen, das habe ich jetzt nur mal als Beispiel genommen. Es gibt bestimmt noch andere, die das besser erklären können, aber das waren mal so meine Gedanken.
Und ich finde es gut, dass du darüber nachdenkst und dir Gedanken machst!
Gruss, jente