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Hallo,
was mir noch dazu einfällt: Mir gehts dabei gar nicht um rassespezifische Anforderungen, die es einfach gibt und die auch nicht wegzudiskutieren sind. Aber frag mal die Mutti mit Ihrem Kleinkind ob sie weiß wofür Ihr Husky, den sie nun schon ne Stunde oben auf dem Feld sucht, gezüchtet wurde, und was der sonst macht, außer 3 mal am Tag laufen (ab sofort nur noch an der Leine, "weil der hört ja nicht, ist ja ein Husky").
Auch hierbei ist die Rasse wahlweise austauschbar und mit Ihren jeweiligen spezifischen Eigenschaften zu sehen.
Was ist es also?
Uninformiertheit?
Desinteresse?
sich nicht auseinander setzen wollen?
nicht auf die Bedürfnisse eingehen wollen oder können?
Überforderung?
puuuhhh....schweres Thema
liebe Grüße
Ella
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Ich glaube, dass oft viele Sachen zusammen kommen - viele sind ja auch schon genannt worden.
Es fängt glaube ich, häufig damit an, dass eine Hundefuttermarke mit irgendeinem Hund wirbt und dann viele Leute "So einen süßen" Hund haben möchten. Oder es gibt einen Film mit einem Border Collie, Australien Shepard, Collie, Schäferhund oder sonst was im Fernsehen oder Kino - Da diese Hunde lustig sind und zumindest im Film oft großartige Sachen vollbringen, ist klar, dass eben alle Exemplare der Rasse auch genau so sind!
Dann kommen eventuell Rassebücher ins Spiel, die natürlich mit all den hervoragenden "Standards" beginnen. Hunde sind aber 1. keine "Standards" sondern Individualisten, 2. sind Standards eben Wunschziele, die man durch Selektion zu erreichen wünscht, aber nicht notwendigerweise jemals so erreicht, wie man es gerne hätte, und drittens sind diese Standards eben von Menschen ausgedacht, formuliert und interpretiert.
Beispiel Rhodesian Ridgeback. Dort steht häufig zu lesen, dass sie wachsam und sensibel sind und eine hohe Reizschwelle haben. Diese Eigenschaften widersprechen sich aber. Man ist entweder Sensibel oder man hat eine hohe Reizschwelle. Beides gleichzeitig geht gar nicht. Potentielle Ridgebackbesitzer interpretieren diese Eigenschaften an jeweilige Situationen: Der Hund ist wachsam - super, Einbrecher haben keine Chancen mehr! Abgehakt.
Der Hund ist sensibel - super, er wird mir meine Wünsche von den Augen ablesen, abgehakt.
Er hat eine hohe Reizschwelle - super, er ist der Perfekte Familienhund, die Kinder können alles mit ihm machen und er ist in der Öffentlichkeit kaum aus der Ruhe zu bringen! Haken dran.
Weitere Merkmale: Reserviert, distanziert oder gar arrogant gegenüber Fremden - Super, er wird die Jogger, Radfahrer, Rollerblader ignorieren und nicht einfach auf Leute zu rennen und sie anspringen. Man kann sich drauf verlassen, dass er die "Guten" von den "Bösen" unterscheiden kann und seinen Menschen mit seinem sprichwörtlichen Löwenmut verteidigt, wenn es notwendig sein sollte. Hund ist gekauft.
Die Wahrheit ist, dass viele der Eigenschaften so vorhanden sind, dass sie sich aber nicht so auswirken, wie mensch das gerne hätte, jedenfalls nicht, wenn mensch die Sache eben so laufen lässt. Manche der Eigenschaften können bei der Größe Hund sogar gefährliche Ausmasse entwickeln...
Ja, Ridgebacks sind sehr sensibel, jedenfalls die, die ich kennen gelernt habe. Oft sind sie so sensibel, dass sie "gut" auf laute Geräusche reagieren, kleinste Stimmungswechsel wahrnehmen und sich über plötzliche Bewegungen mehr oder weniger heftig erschrecken. Wenn ihr Mensch mit ihnen an einer guten Impulskontrolle gearbeitet hat, können Jogger etc. auch tatsächlich schadlos an ihnen vorbeirauschen - angewölfelt wäre aber ein Hinterherrennen, denn RR sind ursprünglich eben für die Großwild/Löwenjagd gezüchtet und damit phantastische Sichtjäger. Sie reagieren wirklich fein abgestimmt auf die Stimmungsumschwünge ihres Menschen - das macht die Sache beim Training nicht unbedingte einfacher, denn wer könnte von sich sagen, dass er niemals gefrustet wird, wenn etwas so gar nicht zu klappen scheint. Und sobald man halt gefrustet ist, geht dann prompt auch gar nichts mehr, weil Hund dann nur noch mit Beschwichtigen beschäftigt ist. Wenn man das nicht weiß, schraubt man sich in eine Abwärtsspirale, die wirklich ihresgleichen sucht!
RR sind wie gesagt Sichtjäger - wenn etwas schnelles, hochinteressantes sich am Horizont (oder knapp dahinter) bewegt, merken sie das - und dann muß man ihre Aufmerksamkeit irgendwie wieder zurück erlangen - nicht ganz einfach das.
RR sind wachsam, reserviert gegen Fremde, und sie haben (wie ich gerade erläuterte) eine NIEDRIGE Reizschwelle, wenn man diese Eigenschaften kombiniert, kann man sich ausmahlen, was passieren kann, wenn man im dunklen Spatzieren geht und sich erschreckt, weil plötzliche eine Person aus einem Seitenweg geschossen kommt. Mensch erschreckt sich, Hund erschreckt sich und der arme Passant wird wahrscheinlich ganz furchtbar verbellt, wenn nicht gar schlimmeres. Hund lernt, dass es im Dunkeln gefährlich ist, dass sein Mensch Angst hat, dass böse Gestalten hinter Häuserecken oder Bäumen lauern und das Hund wachsam sein muß, das führt auf jeden Fall nicht dazu, dass die Reizschwelle erhöht wird.
Wenn Hundebesitzer immer noch interessiert ist, greift er zu einem von den vielen Hundeerziehungsbüchern. Die, die man aber in Otto-Normalverbraucher-Buchhaltung findet oder gar im Supermarkt findet, sind aber eben auch oft Otto-Normalverbraucher-Hundeerziehungsbücher. Und die reichen von Grottenschlecht bis Naaaja-Mittelprächtig. Und eins reicht doch, oder - da steht doch alles drin! Leider ist das nicht so, und leider ist viel von dem, was da drin steht missverständlich, schlecht erklärt, nicht auf dem neuesten Stand oder schlimmstenfalls falsch. Je öfter ich lesen muß, das man ängstliche Hunde doch bitte ignoriere, weil sich ansonsten die Angst verstärkt, desto übler wird mir dabei. (Angst ist ein Gefühl. Gefühle können nicht belohnt werden! Niemand auch kein Tier entscheidet sich wissentlich zu: "mein Mensch findet es toll, dass ich Angst habe...." und hat dan promt mehr Angst - aber das ist ein anderer Thread...). Beim Thema Dominanz neige ich zur Aggressivität und zu dieser wiederum gibt es nun endgültig fast keine gescheiten Informationsmöglichkeiten mehr.
Ach nee, dafür gibt es ja jetzt die Tiernanny (ich geh mich kurz mal übergeben).
Gehen wir mal davon aus, dass der inzwischen Hundebesitzer immer noch nicht abgeschreckt ist, sich weiter zu informieren gelangt er mit seinem Welpen in einer Welpenstunde. Dort trifft man sich, lässt die Zwerge von der Leine und ab geht es mit mehr oder weniger wildem Spiel für 10 Minuten, dann erfolgen einige Übungen. Vielleicht erläutert der Trainer sogar dieses oder jenes (z.B. das "Hunde das unter sich ausmachen müssen, weil das ist eben so - ganz natürlich eben!") Später (im Hundeleben gibt es dann die Junghundegruppen und so weiter und so weiter und so weiter. Vieles daran ist gut, Kleinigkeiten daran sind suboptimal und diese gar nicht soo viele suboptimalen Kleinigkeiten machen es sogar interessierten Leuten oft unmögliche einen gut erzogenen Hund zu erziehen....
Hundeerziehung ist richtige Arbeit.
Man muß sich vorher gut informieren.
Man muß eine gewisse Kreativität an den Tag (an jeden Tag) legen, denn jeder Hund lernt anders und Schema F passt eben evtl. hier gerade mal nicht.
Hunde sind "Eingezogene", sprich, sie haben sich nicht freiwillig "zum Dienst" gemeldet, sie sind immer in jeder Sitation abhängig vom Menschen und den Ideen, die der im Bezug auf seinen Hund hat.
Verschiedene Hunderassen sind für verschiedene Aufgaben selektiert worden und "ticken" daher komplett unterschiedlich: "Oh, ich wollte gerne einen Golden Retriever, aber ich habe keinen gefunden, da habe ich einen Blonden Hovawart genommen, der sieht ja genauso aus." Joa, das schon, aber aber der eine ist eben ein Retriever und der andere ein Hofhund.... boaaa!!
Schlimm finde ich, dass bewiesenermassen falsche Sachen immer noch Gebetsmühlenartig wiederholt werden.
Schlimm finde ich, dass wenn ein Hund nicht so funktioniert es oft ein "Dominanzproblem" ist, der Hund erkennt Dich nicht als Rudelführer an.
Schlimm finde ich, das man nicht sieht, dass selber Mist gebaut hat, wenn der Hund nicht tut was er soll oder gar knurrt, nur weil ihm einfach niemand unsere Spielregeln erleutert hat.
Neulich hat hier ernsthaft jemand geschrieben, der 13 Wochen alte Welpe der Knurrte, weil er vom Sofa sollte, "erkennt Dich nicht als Chef an." Hallo????
WEnn wir uns ein Lebewesen ins Haus holen, der definitiv nicht unsere Sprache spricht, der aber trotzdem das machen soll, was wir von ihm verlangen, haben wir die verdammte pflicht unser Hirn anzustrengen und uns zu überlegen, wie ich die Information an den Hund bringe, was geht und was nicht.
Dazu reicht es in den seltensten Fällen, Tips von Nachbarn oder Zufallsbegegnungen auf der Hundewiese einzuholen. Klar sollte man mit anderen Hundehaltern reden. Aber man sollte sich hüten, alles zu glauben, was da so kommt, und auch noch gleich auszuprobieren, was dort empfohlen wird.
Wir basteln auch nicht gleich am Auto rum, weil wir mal einen Bericht über Autotuning im Fernsehen gesehen haben und daher meinen, dass wir jetzt die Gurus sind.
Ich halte es mit dem Motto der Sesamstraße: "...wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt dumm!" - was ja egal wäre, aber unsere Dummheit wirkt sich nicht nur auf uns aus, sondern auf ein von uns abhängiges Lebewesen UND ALLE ANDEREN, DIE MIT UNS UND DEM HUND IN KONTAKT TRETEN und wenn es nur ein Lästernder Nachbar ist, der uns höchstens vom sehen kennt.
Wenn ich darüber nachdenke, wieviele Hundehalter es gibt und wie winzig die Hundelobby ist, weil einige sich furchtbar benehmen, viele nur mittelprächtig erzogen sind und die wenigen "Highlights" in der Menge irgendwie untergehen, sind die vielen blödsinnigen Verordnungen wirklich nicht verwunderlich...
Aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf. Ich denke, das Internet kann hier wirklich weiterhelfen, weil es immer mehr Leute nutzen, und sich komplet anonym informieren können. Man braucht erstmal in keiner Hundeschule zugeben, dass man es "versaut" hat. Man kann feststellen, das andere offenbar ähnliche Probleme haben und ähnliche Fehler gemacht haben. Man erfährt, was Leute im Umgang mit dem Hund anders machen, welche anderen Möglichkeiten es gibt, und an welchen anderen Stellen es noch mehr Infos zum Thema gibt. Man kann in seinem stillen Kämmerlein in sich gehen und eine Meinung bilden und sich dann auf die Suche nach den geeigneten Trainern, HuSchus oder Seminaren machen.
Foren wie dieses werden viel dazu beitragen, dass sich einiges im Umgang mit Hundenändert - sogar die bep**** Tiernanny-Sendung scheint zumindest mal vom Konzept so geändert zu sein, dass nicht mehr ständig die "Hausaufgabe" völlig versaut wird - die Methoden sind immer noch grottig, aber das kriegen wir auch noch hin, oder nicht??
Die Superfrauchen haben auch mal richtig schlecht angefangen - die 2 Staffel hat schon deutlich in die richtige Richtung gewiesen....