Mein Lorcan starb am 3. Juli 2016. Ähnlich wie einer meiner Vorschreiber, ging ich davon aus, dass er länger bei uns sein wird als die vier Jahre ältere Lovvy und machte mir Gedanken, wie dieser "typische Zweithund" denn mit dem Alleinebleiben klar kommen wird.
Nun. Im September 2014 kam die Diagnose Mastzellturmor. Der Tumor konnte nicht ganz entfernt werden, weil er schon zu weit ins Gewebe gewuchert war. Die Tierärztin sagte, ich müsse damit rechnen, dass der Krebs wiederkommt. Ob in ein paar Monaten oder ein paar Jahren, könne sie nicht sagen. Auch nicht, wo er wieder auftaucht und wie aggressiv.
Lorcan erholte sich gut von der OP und wir verbrachten noch eine schöne Zeit miteinander. Irgendwie nahm ich in dieser Zeit schon so langsam Abschied von ihm; ich wusste, dass er nicht mehr lange bei mir sein kann. Ich ließ ihm (und auch Lovvy) vieles durchgehen, nahm vieles lockerer als früher, und genoss einfach die Zeit mit meinen beiden Hunden.
Die Monate vergingen. Der Gedanke an den Krebs war zwar immer noch da, jedoch meist im Hintergrund. Aber es gab Gelegenheiten, da nahm ich das Beisammensein mit Lorcan bewusster wahr: Der erste Schnee im Winter; das erste Gras sprießt wieder und Lorcan darf noch einen Frühling erleben und solche Gedanken. Teils freute ich mich darüber, teils war ich traurig, weil es so eine geborgte Zeit war. Die Endlichkeit des Lebens kam mir so richtig zu Bewusstsein.
Dann, aus heiterem Himmel, ging es ihm im Juni schlecht. Erst nur etwas Erbrechen und Durchfall - nichts Außergewöhnliches. Dann offensichtliche Schmerzen. Tierärztin, Medikamente, heim. Am nächsten Tag ging es ihm wieder schlecht. Wieder Tierärztin, Infusion, Blutprobe ins Labor. Nachts dachte ich, dass er es nicht überlebt. Morgens schaffte er es noch raus in den Garten, ließ Wasser, und verkroch sich dann in einer Ecke. Da wusste ich im tiefsten Innern, dass es zu Ende geht. Ich machte einen Termin in der Tierklinik, und die bestätigten meine Befürchtungen. Nierenversagen, schon richtig schlimm. Im Ultraschall waren Veränderungen u.a. an den Nieren zu erkennen, die auf Tumore hindeuteten. Eine genaue Ursachenforschung wollte ich nicht - wozu auch. Es war auch so schon schlimm genug. Die Klinik versuchte noch, seinen Zustand zu stabilisieren, aber vergebens.
Die Entscheidung zu treffen, ihn gehen zu lassen, fiel mir leicht. Zu akzeptieren, dass er gehen muss, tat weh. Tut es heute noch. Er fehlt mir, uns, heute immer noch. Wie oft halte ich automatisch nach dem zweiten Felltier Ausschau im Garten oder beim Laufen. Suche die Futterschüssel, vermisse die zweite Leine, vermisse sein Schnarchen, seine Stoßseufzer, sein Freudenjuchzen.
Lovvy kommt gut klar mit der Situation. Sie hatte zuerst ein paar sehr ruhige Tage, und dann war sie wieder wie immer. Sie genießt es, die volle Aufmerksamkeit zu haben. Sie war schon immer ein menschenbezogener Hund.
Das Leben ist, wenn ich ehrlich bin, im Prinzip einfacher geworden. Weniger Stress mit einem unsicheren Hund, weniger Haare im Haus, weniger Tierarztbesuche. Aber, verflixt noch mal, was würde ich dafür geben, diesen Seelenhund wieder hier zu haben. Mein Kuschelbärchen. Mein Katzenversteher.
Irgendwann werde ich über ihn schreiben können ohne die Tastatur vollzutropfen. Irgendwann. Bei meiner ersten Hündin dauerte dieses "irgendwann" ein paar Jahre...
Wie ging ich mit der Trauer um. Gute Frage. Solche Situationen mache ich gerne mit mir alleine aus. Selbst meinen Mann lasse ich in der ersten Zeit einer solch emotionalen Phase nicht an mich heran; ich muss mich erst selbst sammeln. Ich stürzte mich in die Arbeit, ich unternahm lange Spaziergänge mit Lovvy, und versuchte mich abzulenken. Meine Bekannten und Verwandten, die mich gut kennen, gaben mir die Zeit, die ich brauchte. Inzwischen können wir wieder lachen, wenn wir über witzige Situationen mit Lorcan reden. Wie er damals umfiel, als er die ersten Tage das Beinchen hob und auf einer Böschung stehend das falsche hob und solche Dinge. Mit meinen Kolleginnen war es nicht so einfach; sie bedauerten mich und jedes Mal, wenn ich mich gefangen hatte, kam die nächste "Oh du Arme, lass dich drücken!" - und schon flossen die Tränen wieder.
Ja, es schmerzt noch. Diese gefühlte "Ungerechtigkeit" des Lebens schmerzt. Die Lücke schmerzt. Aber das Leben geht weiter. Anders als mit Lorcan, aber es geht weiter. Die Erinnerungen bleiben.