Am nächsten Morgen geht die Wanderung weiter. Hier sind viele Rinder und Schafe unterwegs, was in der immer noch schwülwarmen Luft einen intensiven Geruch hinterlässt. Der Landrovertrack ist nach wie vor gut ausgebaut, knüppelhart und fast ohne Steigungen, die Landschaft ist einigermaßen langweilig, und die Midges sind heute richtig nervig. Solange ich in Bewegung bin, habe ich Ruhe, aber schon bei kurzen Fotostopps stürzen sie sich auf mich. Pausen sind an diesem Tag abhängig vom Wind. Und da der nur selten weht, laufe ich, und laufe, und laufe...
Bald kommt der Loch an Daimh (See der Hirsche) in Sicht, und wie bestellt stehen da ein paar Hirsche im Gelände. Die Landschaft ist genauso langweilig wie vorher - rechts ein grüner Berghang, links ein grüner Berghang, darüber graue Wolken, und neben mir ein grauer See. Der Weg, der auf den Karten als "Pfad" eingezeichnet ist, ist in der Realität ein breiter Track, gut zu gehen und ohne Herausforderungen. Erst nach der Querung des Abhainn Poblaidh wird es etwas unterhaltsamer, weil dann der Track ab und zu völlig versumpft ist und ich mir einen Weg drumherum suchen muss. Zum Glück weht hier etwas Wind, so dass ich die Schuhwechsel-Prozedur durchführen kann, ohne als Blutbank für Midges zu dienen.
Noch ein paar Kilometer weiter erreiche ich mein Tagesziel, die Bothy bei Duag Bridge. Ein Blick auf die Uhr zeigt mit, dass es erst früher Nachmittag ist. Ich bin schneller vorangekommen als gedacht. Die Bothy ist ein altes Schulhaus, ordentlich renoviert und gut gepflegt. Ich gehe rein und stelle fest, dass sonst keiner da ist. Es gibt zwei große Räume, mit Schlafplattformen, jeweils einer Arbeitsfläche für Kocher oder so, und ein paar alten Schultischen. Dazu Plastikstühle und ein paar alte Bucher und Zeitschriften. Dann gibt es da noch einen kleinen Raum, mit einer Schlafplattform und einem Tisch. Und seit ich dort war, auch mit einem Stuhl. Den Raum belege ich sofort: ich packe meine Isomatte und meinen Schlafsack aus, und hänge meine Verpflegung in einem Packsack verpackt an einen der Haken, außer Reichweite von eventuell vorhandenen Nagetieren. Dann erkundige ich die Umgebung. Der Abhainn Dubhag hat ein paar hübsche Stromschnellen, dekorative Ufer, und Millionen von Midges. Vollverhüllung ist hier angesagt.
Später am Abend bekomme ich Gesellschaft von ein paar anderen Wanderern. Ein Paar hält hier nur, um in Ruhe ein mückenfreies Essen zu sich zu nehmen, ein anderer Bergwanderer hält für einen Schwatz, ein weiteres Paar übernachtet in einem der großen Zimmer, und später kommt noch ein lebensälterer Wanderer dazu, der den kompletten Scottish National Trail läuft. Respekt! Wir unterhalten uns noch eine Weile, aber die Wanderkilometer stecken jedem von uns in den Knochen. Wir sind ja keine jungen Hüpfer mehr.
Bevor ich dem Ruf meines Schlafsacks folge, gehe ich nochmal mit der Kamera raus: Die Sonne lässt sich für ein paar Minuten blicken!
Weitere Fotos habe ich noch nicht, die muss ich erst noch entwickeln. Wird fortgesetzt!