Ich finde das ganze erreicht gerade eine Spitze, die ich ehrlich gesagt nicht mehr für voll nehmen kann. Ist das wirklich noch im Sinne des Hundes oder biegt man sich nicht gerade die Realität zurecht und driftet in ein ungesundes Extrem ab?
Ich sage es ganz ehrlich: wenn ich mir so manches Video von "möglichst Positiv"-Trainings auf Youtube anschaue, bin ich teilweise den Tränen nahe. Natürlich sind das immer nur Ausschnitte, aber wenn ich mir überlege, dass so der prinzipielle Umgang mit dem Hund aussieht, bleibt bei mir eigentlich nur unglaublich tiefes Mitleid mit dem Hund zurück. Jeder Schritt des Hundes wird kommentiert, jede Bewegung erhält eine Bedeutung und jede Zuwendung zur Umwelt wird mit einem Entspannungssignal belegt. Genau diese Menschen versuchen immer wieder zu erklären, dass Strafe unweigerlich zur erlernten Hilflosigkeit führt und unfair ist (und nicht verstanden wird, nicht funktioniert und was weiß ich noch alles). Es tut mir leid, aber ich frage mich, ob da nicht gewaltig was durcheinander gerät und ob das, was unter dem Deckmantel von Liebe, Fairness und Nettigkeit praktiziert wird, wirklich so erstrebenswert ist.
Strafe funktioniert und Sanktionen gehören zu einem sozialen Leben dazu. Ich behaupte sogar, dass sie extrem wichtig sind, um überhaupt einen Platz in einem sozialen Gefüge finden zu können (die Fähigkeit mit Frust und Stress klar zu kommen, an denen es wohl heutzutage extrem vielen Hunden mangeln dürfte, wird nunmal nicht über Nettigkeiten ausgebildet). Natürlich ist es schöner, wenn ich dem Hund für jedes Nichtbetreten des Badezimmers belohne. Aber Hand aufs Herz: mir kann einfach niemand erzählen, dass das für den Hund einfacher zu verstehen ist, als ihn in dem Moment, wenn er das Bad betreten will einmal die Hand an die Brust zu legen und Nein zu sagen. Und das ist nunmal eine positive Strafe. Ich wüsste nicht, wo da eine Gefahr für Fehlverknüpfungen liegen soll und ich wüsste nicht, was einem Lebewesen, dass nach einmaligem Öffnen der Kühlschranktür gelernt hat, was dieses Geräusch bedeutet, daran nicht verstehen sollte.
Ein Ja wird verstanden. Ein Nein nicht. Strafe bietet die Möglichkeiten zur Fehlverknüpfung. Belohnung nicht (und wenn doch, ist die Folge nicht schlimm). Strafe ist unfair, weil der Hund nicht weiß, was bestraft. Belohnung nicht, weil der Hund automatisch immer weiß, was belohnt wird. Sorry, aber bei mir spielt da automatisch die Titelmusik von Pippi Langstrumpf im Kopf ab.
Wir vergessen meiner Meinung nach in dem ganzen Konditionierungswahn allzu häufig eine wichtige Tatsache: Lernen ist eine hochkomplexe Geschichte, auf die so viele Faktoren Einfluss nehmen und Lernerfahrungen selbst, nehmen wiederum auf soviele Faktoren Einfluss, dass es kaum möglich ist, vorauszusehen, was sich aus einer Lernerfahrung entwickeln wird. Die Konditionierungsmodelle sind Prinzipien um die Auswirkungen von Einflussfaktoren auf bestimmte Verhaltensweisen zu erklären. Aber das echte Leben mit seinen Beziehungen ist um ein Vielfaches komplexer. Und ehrlich gesagt bin ich froh darüber, dass es so ist.
Viele Grüße
Frank