Ich kann nicht behaupten, dass ich es immer gemerkt hätte, wenn ein Tod anstand. Meine Tiere sind so ziemlich alle sehr alt geworden. Ich habe schon länger damit gerechnet, dass sie bald sterben (z.B. bei meinem 14jährigen Kaninchen schon sehr lange), so dass es für mich keine Überraschung war. Was ich bei ihnen allen gemerkt habe, war das Aufleben vor dem Tod (nicht unmittelbar).
Bei meiner Ur-Oma war ich einfach noch zu jung.
Bei meinem Onkel war es ähnlich wie bei meinen alten Tieren (auch wenn es schrecklich klingt, aber die Erwartung war am Ende nun mal da). Drogen- und Alkoholsucht über Jahrzehnte. Am Ende sehr gezeichnet und schwer krank.
Der Tod war eine Erleichterung - für alle Seiten. Schwer, aber auch eine Erleichterung, ein Aufatmen nach so langer Zeit der Sorge und Selbstvorwürfe auf vielen Seiten. Die meisten in der Familie würden es nicht aussprechen, aber doch hat man es allen angemerkt, wenigstens einen Funken. Spätestens am Tag der Beerdigung, als so viele alte Freunde, die trotz seiner schwierigen Geschichte geblieben sind, dort waren. Und als die Sonne durch die Glaswand der Kirche schien, ein Schmetterling aus einem der Blumengestecke vom Sarg hochflog und meine Oma fast zusammenbrach. Als wir die Kapelle verließen, konnte man die meisten Lächeln sehen... Wir haben uns teilweise freudig schluchzend umarmt und man hörte es aus verschiedenen Ecken tuscheln "Hast du den Schmetterling gesehen?"
In solchen Fällen nach Krankheit oder im hohen Alter habe ich gelernt den Tod beinahe als positiv zu sehen, eine Erlösung oder aber einfach den Schritt, den es nun mal an der Zeit war zu gehen.
Ich sehe es nicht gleichgültig und trotzdem ist es unheimlich schwer und traurig. Aber die vielen Tode der Kleintiere (danke Mama und Papa für eine Kindheit mit Tieren) und - auch wenn man es natürlich anders gewünscht hätte - auch die von verschiedenen Menschen, die ich kannte, haben mir glaube ich ermöglicht heute damit umgehen zu können und nach vorne zu schauen.
Ich fürchte das klingt kalt, aber so wird es auch bald bei Miko (meinem alten, kranken, aber ach so starkem Kämpfer) und sogar bei meiner Oma sein. Meine Oma, die mich als Kind mit aufgezogen hat, die immer da war und noch ist, der liebste und geduldigste Mensch auf Erden. Schon lange schwer krank, Ehemann früh bei einem Unfall verloren, bei dem sie selbst fast gestorben wäre, zwei Kinder viel zu früh verloren und oft einfach nur müde - wenn auch immer noch voller ungebrochener... ja, was ist es eigentlich? Einfach dieses Lächeln, dieser Humor, diese Leichtigkeit mit der sie so vieles immer noch erträgt.
Und ich bin ehrlich: Als sie beim letzten Schicksalsschlag, als meine Mum fast gestorben wäre, so abgebaut hatte und im Krankenhaus lag, haben alle gekämpft. Aber ich habe kurz gedacht "Warum soll sie nicht gehen?" Sie hat so viel mitgemacht... Meine Mutter war auf dem Weg der Besserung, bei ihren anderen Kindern ging es auch wieder bergauf, ihren Enkeln ging es gut. Also warum nicht in diesem Moment, wo sie beruhigt hätte gehen und das kämpfen sein lassen können? Die Wochen/ Monate, die sie zurzeit hat sind sicher nicht schön für sie.
Aber sie ist geblieben. Und aus egoistischen Motiven bin ich natürlich sehr, sehr froh darum - egal wie tüddelich und anstrengend sie nun auch von Zeit zu Zeit ist 
Meine Tante starb sehr plötzlich und für alle überraschend mit grade 50, an einem dummen Medikamentenfehler (der Ärzte) nachts allein im Bad. Das ist etwas, was ich sehr schwierig finde. Plötzlich, unerwartet... Obwohl meine Tante weit weg wohnte und der Kontakt nicht so eng war wie bei meinem Onkel, hat es in der Familie sehr viel mehr ausgelöst. Doch auch hier kann ich nicht behaupten etwas gemerkt zu haben.
Wo hingegen viele Dinge passiert sind, die nicht nachvollziehbar und nicht verständlich sind, war in verschiedenen Situationen (meist Unfällen), die das Leben meiner Mutter betrafen - und von denen ihr zwei fast das Leben gekostet hätten (und eine es vielleicht noch tut). Hier jetzt alles aufzuzählen geht zu weit. Aber es ändert doch die Sichtweise und das Verständnis für verschiedene Dinge - auch über die, die auf der anderen Seite auf uns warten.
Die engste Verbindung zu Leuten "da drüben" habe ich zu meinem Onkel, aber vor allem und wirklich weit davor, zu meinem Opa. Zu meinem Opa, der lange vor meiner Geburt starb, den ich nie kennen lernen durfte, außer aus Erzählungen und leuchtenden Augen, von Personen, die ihre Erinnerungen an ihn mit mir teilten.
Ich bin oft traurig, dass ich diesen charismatischen, liebevollen, immer hilfsbereiten und fröhlichen Menschen nie kennen lernen durfte. Aber andererseits kenne ich meinen Opa nur auf diese Art. Und auch da bin ich dankbar für. In den verschiedensten Situationen hab ich so schon den Halt gefunden, den ich brauchte. Dafür bin ich ihm sehr dankbar! Ob er nun wirklich etwas dazu beiträgt oder es die immer noch lebende Erinnerung an ihn ist, die an mich weitergegeben wurde und mir hilft. Und auch dafür, dass er vor wenigen Wochen nicht meine Mama als sein drittes Kind zu sich geholt hat...
Und nun verzeiht mir meinen Roman. Aber ich wollte euch meine, beinahe positive, wenn auch wehmütige, Haltung zum Tod darlegen.
Es ist immer schwierig, wenn ein geliebtes Tier oder ein geliebter Mensch uns verlassen. Trotzdem muss ich für mich sagen, dass jede dieser Erfahrungen sehr bedeutend und wichtig für mich waren - und der Gedanke an diese es immer noch ist - und mich zu dem Mensch gemacht haben, der ich heute bin.
Also, ob ihr es merkt oder nicht und wie es auch passiert... Ich bin davon überzeugt, dass alle unsere Lieben sich für uns genau das für uns wünschen würden, was ich bisher immer daraus ziehen konnte - egal wie lange es dauert und auch, wenn man das Trauern um sie nie ganz ablegt.