Ich glaube nicht an Gott und an ein "Leben" nach dem Tod. Aber ich blocke solche Gedanken auch nicht ab. Ich möchte glauben, dass es dort irgendetwas gibt und wenn es nur ist, um während des eigenen Lebens einen Trost zu haben und den auch anderen lieben Menschen vermitteln zu können. Ich bin eher Realist, deswegen will ich gar keine genaue Vorstellung haben bzw. mir eine machen, da ich diese dann wiederlegen "müsste". Ich habe eher so ein Gefühl, dass der Tod auch etwas Gutes bedeutet - für diejenigen, die gehen. Und dass jeder der geht, es mit einem guten Gefühl letztendlich machen kann. Wenn es wenige Momente sein sollten, die sie zurück blicken können oder aber einzelne Situationen, in denen man selbst sie irgendwie ein Stückchen zurückholt durch die Erinnerung. Dass in diesen Momenten etwas Besonderes entsteht, was man sich nicht erklären kann, in dem alles gut ist, im Idealfall für beide Seiten. Ein wirkliches "Leben" danach ist mir jedoch zu abstrakt.
Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber durchaus vor dem Sterben. Ich bin ein Mensch, der gerne plant. Tja, da sieht man schon das Problem... Ich kann gut mit Schmerzen, mit meinem eigenen "Leid", aber der Gedanke, dass man in den letzten Momenten etwas bereut, an einen Streit denkt oder ähnliches, davor fürchte ich mich. Dass man weiß, man kann es nicht mehr nachholen. Und um die Zurückbleibenden habe ich Angst. Meine Schwester zum Beispiel. Wenn mir etwas passieren sollte, würde sie in ein tiefes Loch fallen, ebenso wie andersrum. Um mich selbst nicht, mir wird es dann nicht mehr schlecht gehen.
Durch meine Denkweise habe ich immerhin einen Weg gefunden mit dem Tod umzugehen. Ich habe als kleines Kind meine Uroma verloren, da war mir der Tod noch nicht bewusst. In der Grundschule eine Freundin. Als Teenie meinen Onkel nach vielen Jahren Drogen- und Alkoholsucht. Es war das erste mal, dass ich mich bewusst mit dem Thema so auseinandergesetzt habe. Und ich habe natürlich getrauert und um ihn geweint. Trotzdem zeigte sich schon da, was ich meine. Ich tendiere in den Situationen eher dazu an die Zurückbleibenden zu denken. Ich gucke, wo ich helfen kann, ich versuche das "Beste" der Situation zu sehen und es den anderen durch Gespräche zu erleichtern. Damals war es so, dass die letzten Monate für alle eine Qual waren, für meinen Onkel gesundheitlich die Hölle. Deshalb, ja, der Tod hat auch gute Seiten. Hätte er fast 30 Jahre zuvor einen anderen Weg eingeschlagen, wäre der Tod zu dem Zeitpunkt "falsch" gewesen, so war er traurig, aber richtig.
Als nächstes ist meine Tante gestorben. Kurz nach ihrem 50. Geburtstag ohne Vorwarnung ganz plötzlich. Da habe ich wieder was über den Tod gelernt. Am allerschlimmsten ist er für die Angehörigen: Unerwartet, bei zu jungen, gesunden Menschen. Auch wenn es sicher schön ist für die Betroffenen nicht lange leiden zu müssen.
Das Gleiche gilt für mich natürlich auch für Tiere. Die meisten meiner Tiere, auch mein Miko sind im hohen Alter gestorben. Manche gesund, manche nach Krankheit. Es war für mich traurig, aber irgendwie wusste ich die ganze Zeit, dass es richtig war. Wobei ich bei Miko egoistischerweise sagen muss, dass es mir geholfen hat, dass er am Ende krank war. Ich habe durch seine Krankheit vieles mehr genossen, intensiver wahrgenommen. Ich hätte wohl mehr bereut, wäre es plötzlich gekommen. Und trotzdem habe ich ihm am Ende seinen Tod "gegönnt", er hatte ihn sich verdient. Ich hatte ihn so lange Zeit bei mir, er hat mir so viel gegeben, es war nur fair ihn los zu lassen und es war nun an mir, ihm etwas zu geben.
Genau das ist es, was mich jetzt im Moment wieder beschäftigt. Meine Oma wird wohl als nächstes gehen. Als eigentlich sehr eigenständige, starke Frau ist von ihrer Persönlichkeit nichts mehr übrig. Sie wollte nie so enden, wie sie zur Zeit ist. Und ich würde ihr wünschen, dass sie gehen kann. Sie ist körperlich, geistig, seelisch so weit. Aber es gibt hier Menschen, die sie nicht lassen. Das ist ein anderes Thema und will nicht weiter darauf eingehen. Aber die Tatsache an sich, lässt mich oft vor Wut weinen. Ich weiß aus vielen Erzählungen und meiner Überzeugung, dass ein Mensch, der an der Grenze zum Tod steht, beeinflussen kann bis zu einem gewissen Grad. Dass er aufgeben kann, wenn der Tod schon so nah ist, um nicht weiter zu leiden. Und ich finde es einfach nicht fair für diese Menschen nach einem langen Leben, wo sie viel gegeben haben, nicht die Kraft aufzubringen, sie gehen zu lassen.
Das ist einer meiner weiteren Gedanken zum Tod, aber doch etwas OT, deswegen wieder zurück:
Letztes Jahr, gleich ist es ein Jahr her (Tag der LP) ist meine Mama nach einem Fahrradsturz fast gestorben. Eine Woche etwa schwebte sie in akuter Gefahr. Nur auf diesen Zeitraum möchte ich eingehen, denn da war sie mehr tot als lebendig. Ansprechbar zeitweise, kann sich aber bis heute nicht daran erinnern. Meine Mama ist kein gläubiger Mensch. Aber sie sprach (murmelte, schrie) in dieser Woche oft vom Licht, das so warm ist, wo sie hingehen möchte, da würde sie keine Schmerzen mehr haben.
Vorher habe ich immer gesagt "Neuronen". Ja, vielleicht. Wahrscheinlich sogar einfach nur irgendwelche Geschichten, von irgendwelchen Leuten... Ich kann mir kein Urteil bilden. Aber wenn man das von seiner eigenen Mutter hört kann man es nicht mehr so abgebrüht sehen. Man wünscht sich auch ein wenig, dass es mehr ist als Synapsen oder sonstige biologische Ursachen.
Was ich an mir beobachte und was mich immer wieder wundert für den "Typ Mensch", der ich bin. Wenn ich wirklich "bete", also irgendwen darum bitte, dass etwas nicht passieren darf, dann rede ich mit meinem Opa. Meinem Opa, den ich nie kennen gelernt habe. Er ist bei einem Autounfall gestorben als meine Mama 17, 18, 19 (ich weiß es gar nicht so genau...) war. Ich kenne ihn nur aus Erzählungen meiner Familie und vieler Leute, die ihn nur enfernt kannten und ihn als Mensch bewundert haben. Letztes Jahr zu dieser Zeit habe ich zu ihm gesagt, dass er das nicht machen kann, dass er nicht schon wieder eines seiner Kinder zu sich holen kann, dass er schon genug zu früh bei sich hat. Nicht mit Wut, als eine wirkliche Bitte als seine Enkelin. Und irgendwie habe ich das Gefühl ich kenne meinen Opa, als wäre ich ihm schon begegnet. Mag an diesen Erzählungen liegen. Oder eben daran, dass ich ihn in einigen Momenten schon ganz nah wieder zu mir geholt habe, auf irgendeine Art und Weise - welche das auch sein mag.
Also nein, ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod. Aber ich kann mich nicht davon freisprechen, dass ich an irgendetwas glaube, vor allem in Ausnahmesituationen. Selbst definieren kann und will ich es nicht.