Jetzt mag ich doch ein wenig länger antworten....
Dass es gewisse Reizworte hier im DF gibt, wie Dominanz und andere Tabubegriffe, die das DF zum "Implodieren" bringen (wie jemand es sehr sympathisch ausdrückte) ist mir auch schon aufgefallen. Ich verknüpfe mit Dominanz etwas total Wertfreies, und schleppe keinerlei Vorurteile mit, weil ich mich sehr lange mit Verhalten beschäftige, beim Menschen. Da käm ich nicht weit, wenn ich ein Wort wie Dominanz werten würde oder mir gar verbieten würde.
Deshalb bleibe ich dabei: Es gibt dominante Hunde und manche von denen haben Angstneurosen und sind auch unsicher. Das Spektrum der dominanten Hunde geht vom wirklich souverän-dominanten und ruhigen Alpha-Hund bis zum unsicheren Angstbeisser. Das ist nicht negativ und auch nicht positiv, es ist einfach so. Genauso wie es unterwürfige, aber gesunde Hunde gibt, und andere, die gefährlich werden, weil sie gebrochen wurden. Und noch tausend andere.... siehe Typen z.B.
Beurteilen tu ich es bei meinem Hund und denen, welchen wir begegnen, mit meinem Bauchgefühl und auf das kann ich mich bis jetzt verlassen. Oft reicht mir ein Blick auf Herrchen/Frauchen.... die kenne ich besser als Hunde. Bauchgefühl ist mein Massstab, bei Hunden und auch bei Menschen an erster Stelle. Wissen kommt dazu. Häufen sich die Verhaltensauffälligkeiten, werd ich misstrauisch. Ganz automatisch.
Ein deutliches und wirklich Besorgnis erregendes Zeichen wären für mich auch "Ticks", pathologische Stereotypien - die ich in meiner Liste vergessen habe. Zwanghaftes Verhalten, wie Pfotenbeissen, die eigenen Exkremente fressen, in den Schwanz beissen etc. Auch dies kannst Du auf den Menschen übertragen. Dort heisst es z.B. Ritzen, Nägel kauen, analfixiert sein etc.
Übrigens habe ich einiges von den Typen mittlerweile in dem Buch Hundepsychologie von Feddersen-Petersen gefunden (ich bin noch nicht durch) - ich denke, diese Dame weiss es ganz gut..... Ab S. 428 ff.Dort steht auf S. 431: "... dass zahlreiche Störungen sowohl auf ethologischer (= vergleichende Verhaltensforschung, A.V.m.) als auch auf physiologischer Ebene homologe Ähnlichkeiten aufweisen. Denn heute wird niemand mehr daran zweifeln, der Neurosenentstehung bei Menschen und Tieren engstens verwandt sind....." Weiterhin kannst Du nicht nur dort nachlesen, dass Erkenntnisse der menschlichen Verhaltensforschung ernsthaft für Hunde herangenommen werden. Auch deshalb, weil unser Sozialverhalten sich sehr ähnelt. Dies Vergleichen ist aber grundsätzlich etwas ganz anderes, als Hunde zu vermenschlichen! Letzteres heisst, den Hund wie einen Menschen zu behandeln und zu betrachten.
Was ist es anderes als eine Neurose, die z.B. aus einer Depression entsteht oder auch nicht, weil vom Menschen falsch behandelt oder aus sonst einem anderen Grund, wenn ein Hund zwanghaft alles zerfetzen muss, was ihm in die Quere kommt (Zerstörungswut), wenn er zubeisst, anstatt zu schnappen oder er sich andererseits selbst verletzt, wenn er seine Pfoten blutig beisst? Wenn er nicht mehr spielt, apathisch ist, und sich isoliert, nicht kommuniziert, wenn er dauernd kläfft?
Zeitbomben sind für mich alle Hunde, die Emotionen und natürliche Impulse über längere Zeit oder durch einen schweren Schock/Trauma auch kurzfristig unterdrücken und verschieben (müssen), alle Hunde, die Ihnen nicht genügend Ausdruck verleihen.... nicht nur Aggressionen, auch Liebesmangel oder fehl geleitete Liebe des Menschen etc. Deshalb sind eben gerade diese Hunde für mich eher Zeitbomben, als solche, die nach Prüfung eindeutig als "gefährlich" einzuschätzen sind - man weiss es bei Ersteren nicht, es ist in gewisser Weise "schwammig" und sie werden zu oft unterschätzt. Ausserdem gibt es von Ersteren viel, viel mehr.
Aber auch das Wort Zeitbombe bewerte ich nicht negativ, sondern nur so, dass es eben früher oder später eine Explosion geben kann. Kein Grund, hysterisch zu werden, nein. Aber achtsam.
Ich gehe nicht von einer "willkürlichen Beissabsicht" solcher Hunde aus, habe das auch nie behauptet, sondern von ihrer, sagen wir, reflexhaften Bereitschaft, zuzubeissen. Willkürlich oder unwillkürlich - die Frage stellt sich mir nicht. Hunde sind für mich nie (!) Bestien - hier beginnt meine Wertung. Bestien, wie ich sie verstehe - also vielleicht manche (Investment)Banker, Diktatoren, BP-CEO's oder so - haben immer eine willkürliche Absicht, die in der Zukunft liegt. Hunde leben im Hier und Jetzt und können das nicht.
Zitat
Beissen liegt dem Hund in der Natur
Ja, und alle Menschen sind aggressiv - für mich ist Beides zunächst eine wertfreie Aussage.
Weil Du mir die Kompetenz absprichst und mich lieber Karnickel züchten lässt - falls Du mich gemeint hast? (Mein Hund hat übrigens Karnickel-Kumpels, sieht drollig aus, ist auf den ersten Blick gar kein grosser Unterschied)....
Es gibt sehr wohl Hunde, die ihr Leben lang nicht beschädigend zubeissen, obwohl es in ihrer Natur liegt. Ich denke, da gibt es Exemplare von jeder Grösse und Rasse. Wieviele, prozentual zu denen, die beissen, würde mich echt interessieren.
Wer das nicht wahrhaben will, und es rechtfertigt, dass Wauzi leicht auszuckt oder alles anknabbert, inkl. anderer Menschen, Kollegen-Hunde, Katzen etc. weil "Hunde eben so sind", dem spreche ich seine Kompetenz als HH ab. Ebenso wie denen, die ihre Hunde rosa färben oder sie am liebsten heiraten würden, weil endlich ein Wesen Herrchen/Frauchen so nimmt, wie er/sie ist. Kurz: alle, die ihre Hunde vermenschlichen und sie auch dadurch zu Verhaltensstörungen treiben.
LG Falbala
PS: was ist eigentlich linkslastig? Das kenn ich nur in der Politik oder beim Lastwagen-Beladen. Meinst Du die Gehirnhälfte? Das Angstzentrum beim Hund liegt meines Wissens wie beim Menschen in der Mitte des Gehirns - nahe der Hypophyse im limbischen System.
Sorry für's lange Posten... und danke für's Lesen 