Zitat
Wie macht ihr das, könnt ihr wirklich alle Zeichen der Hundesprache so schnell erfassen, daß ihr darauf reagieren könnt? Oder nehmt ihr auch nur den Gesamteindruck des Hundes wahr und reagiert darauf? Also mehr so Bauchgefühl und dem Wissen, wie Hund in ähnlicher Situation reagiert hat?
In solchen Situationen ist erst einmal Reaktion angesagt.
Ich behaupte, kein Mensch kann in angemessener Geschwindigkeit über gelesene Passagen nachdenken und sie auf die Situation anwenden. Wenn mein Hund den Radfahrer unter Hochspannung anstiert, muss ich just in diesen wenigen Augenblicken den gesamten Prozess bishin zu meiner Reaktion abwickeln - sehen, verstehen, reagieren.
Ich behaupte, dass dieser Prozess aus Automatismen besteht. Wenn ich im Begriff bin ein Glas vom Tisch zu stossen, denke ich nicht über seine Flugbahn nach, wenn ich es in letzer Sekunde auffange. Meine Reaktion ist ein Automatismus, der aus Erfahrungswerten und Assoziationsketten generiert wird - genauso ist es beim Hund.
Wenn ich aber entsprechend viel über Hunde-Kommunikation gelernt und verinnerlicht habe, werde ich auch diese Dinge in meinen Reaktions-Automatismus einbeziehen können - sind ja auch nur Erfahrungen und Assoziationsketten.
Wenn ich aber nochmal meine ganz persönliche und sehr unqualifizierte Meinung dazu äußern darf, dann finde ich eine gesunde Natürlichkeit viel wichtiger als die meisten Verhaltensstudien.
Klar, ich lese gern mal was über hündisches Verhalten und oft ist es auch sehr hilfreich. Trotzdem achte ich in erster Linie auf meinen Hund, das lebendige Wesen mit dem ich mein Leben teile. Hunde gestehen sich ja auch zu, viele hoch-dekorierte Verhaltenstheorien zu negieren, zu ignorieren und ad absurdum zu führen. Ist ja auch logisch, weil unsere Hunde genauso in die Hund-Mensch-Kommunikation einsteigen wie wir. Wenn ich noch versuche meinen Hund zu lesen, hat der mich in aller Regel schon seit fünf Minuten durchschaut. Wir lernen Beide, einander zu lesen ... und verändern uns bzw. unser Verhalten dadurch auch.
Angenommen wir sind im Jahr 3259 (ja, Spielzeit in einer SciFi-Serie ;)) und eine hoch-entwickelte außerirdische Rasse studiert unser Verhalten - an Menschen ohne Hund. Ich glaube diese außerirdische Rasse würde vor Verzweiflung aus dem Raumschiff-Fenster hüpfen, wenn sie danach das Verhalten eines Mensch-Hund-Teams deuten würde.
In dem Moment, wo ich mich auf das Zusammenleben mit einem Tier einlasse, ändern sich viele typisch-menschliche Verhaltensmuster automatisch. Ich glaube kaum, dass es zum typisch-menschlichen Verhaltensmuster zählt, einen randalierenden-am Bein juckelnden-kläffenden Köter einfach zu ignorieren. Oder mit einer Reizangel über die Wiese zu hüpfen. Oder nur noch seitlich ohne Blickkontakt auf Individuen zuzugehen.
Mensch-Mensch-Kommunikation macht uns aus, Hund-Hund-Kommunikation macht den Hund aus. Wenn wir miteinander kommunizieren - und das über Jahre in einer rudelähnlichen Gemeinschaft - dann weichen die Grenzen auf. Ich denke das ist ein Faktor, den man bei der Anwendung von hündischen / wölfischen Verhaltensweisen auf den Haushund, einfach nicht unterschätzen darf. Wir interagieren nicht nur mit Hund, Hund interagiert auch mit uns - und stellt sich auf uns ein.
Was ich damit summa summarum sagen möchte, ist, dass ich gern was über die Verhaltensweisen von Hunden lese. Ich frage dann aber erstmal MEINEN Hund, was er denn eigentlich davon hält ... und meistens sagt er, Alte, geh mir nicht auf den Keks, ich habe das Problem schon längst gelöst weil ich Dich eh besser kenne als Du mich.
Ich hoffe ihr wisst, was ich meine 