Hallo Melanie,
ich kann mir bei Eurer Nikita gut vorstellen, dass die Besitzer, die sie aus Zeitgründen abgegeben haben, einfach nicht allzu viel mit ihr gemacht haben. So dass vieles, das Du beschreibst, sich vermutlich unter "allgemeiner Umweltunsicherheit aufgrund mangelnder Erfahrung" einordnen läßt. Die großen Fortschritte, die Ihr in den 3 Tagen schon gemacht habt, deuten ja prima darauf hin, dass Nikita sich mit zunächst neuen Dingen etwas unsicher fühlt, aber sich auch recht schnell überzeugen läßt, dass das alles gar nix Schlimmes ist.
Da es immer schwieriger ist, einem "nicht-mehr-Welpen" neue Dinge nahezubringen (in Sachen Umweltsicherheit), ist Eure Idee mit der Hundeschule prima.
Was Du über Nikitas "Benehmen" bei Besuchern schilderst, liest sich für mich auch eher als unsicheres Verhalten. Ich kann mir gut vorstellen (das ist aber ohne dabei gewesen zu sein, schwierig!), dass in den Momenten, in denen Nikita Besucher angebellt oder angeknurrt hat, ihre "Wohlfühldistanz" unterschritten wurde, sie sich bedrängt gefühlt hat und sich mangels Fluchtmöglichkeiten nicht anders als mit Bellen und Knurren zu helfen wußte. Als Dein Sohn dazu kam, war sie ggf. einfach nur zu verunsichert, um ihn sofort zu erkennen, oder sie hat in dem Moment den Überblick über die Situation verloren (da Besucher, dort Sohn).
Wenn Du im oberen Teil schon über Doba und ihre Angst vor Besuchern bei uns zu Hause gelesen hast, kannst Du Dir da vielleicht schon die ein oder andere Idee rausziehen. Ich bin mir sicher, dass auch Doba, wenn wir anfänglich ihre "Wohlfühldistanz" (die, wo sie Fremde gerade noch aushalten kann, ohne in Flucht- oder Meideverhalten abzudriften) unterschritten hätten, sich auch durch Bellen oder Knurren aus der (vermeintlichen) Bedrängnis "herauszubellen" und ich bin mir ebenso sicher, dass Doba, wenn sie gar nicht mehr weiter gewußt hätte, auch geschnappt hätte - als absolute Verzweiflungstat.
Ich würde in dem Fall eines unsicheren Hundes immer zuerst versuchen, diese Wohlfühldistanz herauszufinden (bei Doba war das so viel, dass wir unsere Besucher draußen im Garten empfangen haben!), die Gegebenheiten anfangs daran anpassen und den unsicheren Hund sich alles erst einmal ohne jegliche Form des bedrängt Werdens durch die Besucher ansehen lassen. Wobei man sich vorher genau überlegen muss, was so ein Hund schon alles als "bedrängen" auffassen kann:
Schon alleine das aus menschlicher Sicht freundliche, längere Betrachten eines Hundes durch einen Besucher, kann der Hund als bedrohlich empfinden. Ganz zu schweigen von aktivem auf den Hund zugehen und Streicheln wollen durch Besucher.
Nikita sollte als allererstes lernen dürfen, dass z. B. ihr Liegeplatz für Besucher absolut tabu ist. Dann sollte sie anfangs lernen dürfen, dass sich kein Besucher aktiv auf sie zu bewegt. Erst dann kann sie sich allmählich dort so sicher fühlen, dass sie auf die Idee kommen kann, sich diese Besucher mal selbst anzusehen. (Wie, kannst Du in Doba Teil 1 nachlesen, aber das ist kein Schema F, sondern kreativ wandelbar...)
Du hast vollkommen Recht, Melanie, wenn Du schreibst, dass Nikita den Besuchern keine Angst machen soll, aber dazu muss sie einfach erst mal lernen, dass es andere Methoden gibt, mit Besuchern umzugehen. Dass sie, als Ihr sie besucht habt, ein wenig "offener" reagiert hat (wenn auch schon mit der erkennbaren Tendenz zum angst-aggressiven Verhalten) , kann gut daran gelegen haben, dass sie sich in der dortigen Umgebung einfach sicherer gefühlt hat.
Nikita braucht noch Zeit, um sich bei Euch einzugewöhnen - obwohl Ihr ja in den paar Tagen schon große Fortschritte gemacht habt! Und Euer Job ist es, Nikita nach Möglichkeit erst einmal gar nicht in Situationen kommen zu lassen, in denen sie sich nicht mehr anders, als durch Bellen, Knurren, Schnappen zu wehren weiß. Dann braucht Ihr dafür auch kein Nein oder Aus, sondern könnt diese Kommandos zunächst mal in leichteren Situationen üben und festigen.
Viel Erfolg weiterhin und nur Mut, je eher Ihr das angeht, desto leichter ist es!
LG, Chris