Liebe Fories,
Grundsätzlich geht es um Ressourcenverteidigung.
Damit meine ich jetzt kein Futter, keine Leckerlies oder Spielzeuge, deren Verfügung ich grundsätzlich bei Hundebegegnungen vermeide.
Es geht mir um Stöckchen und "Beute", also Dinge, die Hund sich in der Natur "erobert", ggfs. stundenlang mit sich rumträgt (in meinem Fall Retriever) und entsprechend anderen Hunden gegenüber verteidigt.
Rosa ist eine rundum friedliche, gelassene und bei Hundebegegnungen grundsätzlich eher vorsichtige und defensive Hündin.
Das Retrievertypische "Ich-umarme-alles-und-jeden-ohne-wenn-und-aber-Verhalten" hat sich auf ein Minimum reduziert.
Grundsätzlich geht sie Ärger von selbst aus dem Weg und reagiert ein Artgenosse (ab ihrer Körpergrösse) doch einmal "dominanter", unterwirft sie sich sofort und entzieht sich schnellstmöglichst aus dessen Umfeld.
Jetzt zum eigentlichen Thema.
Im Hundeauslaufgebiet sucht sie sich meistens einen Stock oder Ast, den sie stolz wie Oskar den ganzen Auslauf hindurch immer wieder fallen lässt, rumschnüffelt, wieder aufsammelt und entsprechend verteidigt.
Bei Hundebegegnungen reagiert sie freundlich, ihrem Stock darf aber niemand zu nahe kommen.
Sie verteidigt ihre Beute mit einem deutlichen Knurren, ggfs. auch mit "Luftbeissen".
Ich stufe das als "Ressourcenverteidigung" ein, lasse sie und sollte es, intuitiv, doch einmal zu "aggressiv" werden, kann ich sie gut ablenken und wir entziehen uns dem Gemenge.
Allerdings scheint Rosa in diesen Verteidigungskämpfen keine Größenverhältnisse mehr zu kennen.
Egal, was für ein "Kawenzmann" ihrem Stock zu nahe kommt, dieser wird verteidigt.
Rosa ist eine sehr kleine und zierliche Hündin und mir ist schon so einige Male das Herz in die Hose gerutscht...
Aber, wie gesagt, mit Ablenkung und abrufen klappt es ganz gut.
Mit einem Satz - sie kann also richtig "zickig" werden und die Angst, dass sie in ihrem "Größenwahn" denn einmal an den Falschen gerät, schwingt seit einiger Zeit doch latent immer mit.
Vor 3 Wochen kam es fast zu einem SUPERGAU.
Wir waren bei einer Freundin auf dem Land und ihrem Grundstück, die zwei Hunde hat.
Eine Französiche Bulldogge und eine Saupackerhündin.
Zweitere kennt Rosa schon von Welpi an, die beiden kommen sehr gut miteinander aus.
Die FB ist ein Tierschutzhund und absolut "hundeunverträglich".
Soll heissen, hochgradig aggressiv gegenüber allen Artgenossen.
Laut Freundin Grössenwahn pur und völlig unberechenbar, es gab schon diverse Beissvorfälle.
Hat sie einen Artgenossen im Visier, packt sie zu und lässt nicht los - definitiv bis zum bitteren Ende.
Sie ist entsprechend gesichert und Artgenossenkontakt wird gemieden.
Die beiden Hunde der Freundin kommen miteinander klar, allerdings gibt es wohl ein-, zweimal im Jahr auch blutige Auseinandersetzungen zwischen ihnen.
Ich weiss, dass diese Situation viel Diskussionsstoff bietet - das ist hier aber nicht das Thema und soll auch hier nicht Gegenstand sein.
Es wurde gegrillt, die FB hatte ihren Platz und war gesichert.
Rosa und die Saupackerhündin koexistierten friedlich nebeneinander her.
Gegen Mitternacht, alles war weggeräumt und wir sassen entspannt am Lagerfeuer, durfte die FB kurz frei laufen und sich lösen, unter Argusaugen aller.
Das war ein eklatanter Fehler.
Das Ganze dauerte realistisch wohl fünf Sekunden.
Rosa lag unter der Bank bei mir, kaute an einen Stock.
Die FB schoss auf Rosa los, wollte ihr den Stock klauen.
Das Kampfgebrüll kann ich gar nicht beschreiben, ich war wie parallelisiert...
GSD lies Rosa von ihrem Stock ab und wollte wegrennen - aber sie kam nicht weit.
Fast parallel ging die Saupackerhündin (Beschützerinstinkt...?!) auf sie los - geballte Kraft von über 50 Kilo.
Rosa wehrte sich...
Ich möchte nicht wissen, was passiert wäre, hätten zwei kräftige Männer die beiden Hunde nicht sofort geistesgegenwärtig auseinandergerissen.
Den Kampf-Geräuschen nach befürchtete ich schwerste Verletzungen bei Rosa.
Aber sie hatte noch nicht mal Schürfwunden, keinen Tacker - dem Himmel sei Dank!
Ich bin sicher, hätte die Saupackerhündin Rosa verletzen wollen, hätte sie das nicht überlebt...
Wir mussten dort übernachten, die Hunde selbstverständlich getrennt und 100 pro gesichert.
Aber von Entspannung oder gar friedlicher Koexistenz war natürlich keine Spur mehr geblieben.
Rosa und die Saupackerhündin zeigten allerdings keine sichtbaren Aggressionen mehr gegeneinander.
Es tut mir sehr leid, aber meine Konsequenz daraus ist, dass wir mit Rosa nicht mehr dorthin fahren.
Es ist für alle Beteiligten nur hochgradig stressig und eben unberechenbar und gefährlich.
Ich weiss, dass es fahrlässig war, die FB-Hündin frei zu lassen.
Sicherlich war es auch vorauszusehen, dass die Saupackerhündin "Ihr Rudel" verteidigt...
Wir sind mit dem Schrecken davongekommen.
Diese Erfahrung gibt sicherlich viele Ansatzpunkte zur Diskussion.
Nicht nur Ressourcenverteidigung oder Artgenossenaggression.
Ein Hund bleibt ein Hund, bleibt ein Hund.
Und immer auch noch ein Stückchen „Wolf“?
Auch ist mir bewusst geworden, wieviel "Raubtier" in meiner kleinen, zierlichen und verkuschelten Rosa steckt.
Und nun noch mal zum Threadtitel - wie geht ihr damit um?
Ein schwieriges Thema, finde ich.
Ich wurde damit am WE massiv konfrontiert.
Sicher, die unverträgliche FB-Hündin war ein vorhersehbarer Risikofaktor.
Daraus habe ich gelernt.
Aber was lerne ich daraus für die Zukunft und für weitere, "unbekannte Hundebegegnungen" im Hinblick auf Ressourcenverteidigung ?
Insbesondere der Übergang von Ressourcenverteidigung zur "gefährdenden" Aggression.
Was gehört dazu, was ist normales Hundeverhalten und ab wann kippt es?
Was kann ich tun, um deeskalierend einzugreifen und vor allem, wann sollte ich es tun?
Wie kann ich dagegen steuern - konditional und erzieherisch?
Ich wäre dankbar für Tipps und Erfahrungen, aber auch konstruktive Kritik und Vermeidungsstrategien.
LG,
Andrea & Rosa