Moin,
ich hab auch so einen spanischen Straßenhund, allerdings lebte er nur ein knappes halbes Jahr auf der Straße - aber manches ist durchaus ähnlich.
Jagen etwa, bei uns besonders beliebt, Vögel und Kaninchen, wir vermuten,er hat sich davon durchaus ernährt... junge Vögel sind ganz gut zu kriegen,Mäuse übrigens auch. Die bekommt er auch an der Leine - mittlerweile frisst er sie aber nicht mehr. 
Unabhängigkeit und hohe Intelligenz und das Wissen, das sie uns durchaus nicht brauchen, sind Eigenschaften, die Straßenhunde auszeichnet. Ansonsten hätten sie nicht überlebt. Auch ein ziemlich untrüglicher Instinkt, wer es mit ihnen gut meint oder nicht, ist bei ihnen vorhanden.
Diego lebt jetzt 4 Jahre bei uns, manches klappt hervorragend, manches nicht - manches wird vielleicht auch nie etwas werden? Eines aber ist klar, er liebt uns, von Herzen - er ist im Haus kuschelig und ein toller Hund.... aber er "hinterfragt" durchaus Anweisungen.
Es kannte, als er zu uns kam, keine Sprache - so kam es mir vor, auch wenn es mein Liebster auf spanisch versucht hat, null Reaktion - auf nichts - er lernte rasend schnell auf Hand- und Sichtzeichen.... Körpersprache, noch heute, wenn ich sauer bin, kann ich noch so lieb reden, er ist unterm Schreibtisch ganz hinten - man kann ihm wenig vor machen..... aber er war immer sehr bemüht (nach einiger Zeit) mit uns Kontakt aufzunehmen. Er schwätzt - das ist sowas von süß.
Jegliche grobe Einwirkung verfehlt bei ihm alles - würde ich nach ihm werfen (mit Schellen oder so) würde ich sein Vertrauen komplett verlieren - er ist auch so klug - das er ganz schnell raus hätte, die fallen nur neben mich und tun mir nix.... Viele Trainer von hier aufgezogenen, gepägten Hunden haben leider überhaupt kein Gespür für Straßenhunde. Bei Diego war auch ein strenger Ton in meiner Stimmer schon zuviel.... Konsequenz ja, aber energisch? Half nicht und erschien mir einfach Kontraproduktiv zu sein.
So, nur damit Du siehst, was ich in Jahren verändern kann.
Leine gehen - ging in der Hundeschule super gut, der beste Hund auf dem Platz - draußen? No way.... ich hatte zwei Trainer hier, der letzte sagte zu mir "Wir müssen uns auch eingestehen, das es Hunde gibt, die das nicht lernen...... nur mit viel Geduld und winzigen kleinen Schritten und wenn er es will......" Diego hat die Angewohnheit, wenn etwas jagdbares in Nähe ist, einfach (egal woran er befestigt ist) in die Halsung zu preschen und wenn man darauf nicht vorbereitet ist, tut`s mitunter ganz schön weh.... er trägt ein Antizuggeschirr (weil Leine am Halsband ihn nur animiert zu ziehen, aber sowas von - wir haben es nicht raus bekommen, er trägt kein Halsband mehr) das ihn, wenn er reinspringt, durch die Leinenbefestigung an einer Öse vor der Brust, schlichtweg herum zieht, weg von seinem Zeil - und DAS findet er saudoof..... an diesem Geschirr geht er ohne zu ziehen manierlich an der Leine, auch im Fuß, als hätte er nie was anderes gemacht. Er zieht nicht mehr.... außer der Jungvogel ist einfach zu nah. Aber es war ein langer Weg.
Eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis er beim Spaziergang begann seine Ohren in meine Richtung zu halten und zu hören, wenn ich sprach.....
Freilauf ging gar nicht, er war viele Stunden weg, überfiel Nachbars Katzen, jagte alle Hühner, erschreckte sämtliche Verkehrsteilnehmer und war einfach weg..... und kam, glücklich und entspannt spätestens zur Futterzeit nach Hause und quietschte vor der Tür. Heute geht es, aber, er hatte rasend schnell raus, das ich ihn, wenn ich ihn ranrief, wieder an die Leine kam, also kam er, aber nicht so nah, das ich ihn anleinen konnte - kluger Hund, also rief ich ihn zwischendurch und es gab Streicheleinheiten und Leckerlie. (die nahm er draußen aber zwei Jahre lang nicht, egal was es war).
Schleppleine? Ging auch nicht, er war sofort auf und davon - am anderen Ende der Leine auf Zug..... keine Möglichkeit....
Heute darf er, in Gebieten, in denen ich weiß, es gibt keine Hunde, Radfahrer und sonstige Gefahren, von der Leine... möglichst auf dem Heimweg.
Abendessen ist ein Highlight, das seine Wirkung nie verfehlt.
Hundebegegnungen lernen wir immer noch, kurze Leine, Kommando "Fuß" und Leckerlie vor der Nase, wenn möglich gehe ich dem immer noch aus dem Weg.... er hängt in der Leine und schreit.... ohne Leine wäre es vermutlich kein Problem, aber meist wäre er dann auch weg. Mittlerweile klappt es immer besser, denk dran, solche Hunde haben einfach gelernt, die Dinge ohne uns zu klären - die brauchen uns nicht und verstehen unsere Einmischung auch nicht. Sie suchen auch keinen Schutz oder Orientierung, wieso auch?
Das sich ein anderer Hund los reißt ist Pech und sicher kein Alltag. Zum Glück ist es bei uns so, das alle Halter ihre Hunde anleinen, wenn sie sehen, das meine an der Leine sind. Und die die meinen "der tut nix" hören von mir "meiner aber schon" und schwupps sind sie fest.
Hier gilt nur eines Geduld, Geduld und noch mal Geduld und Zeit.... wie gesagt, bei uns sind es jetzt 4 Jahre.... mit deutlichen Fortschritten.
Alles Gute
Sundri
P.S. wenn meiner jagdbares Wild auf Sicht hat, ist er abgeschaltet - ganz und gar - komplett..... er hängt in der Leine, schreit und kreischt (wirklich, anders kann man das nicht nennen) und ist weg.... noch Tage später weiß er genau, wo das Kanin davon geflitzt ist und springt auf zwei Beinen durchs Feld. Es könnt ja noch da sein.
Auch wenn es ganz windig ist, ist er immer total aus dem Häuschen, schreckhaft und immer auf Habacht, aber alles in der Nase haben
- Leinenzwang...
Manches ist möglich, manches vielleicht nie - trotzdem ist er mein Seelenhund. Oder vielleicht auch weil - denn er will uns..... nicht nur wir ihn.