Beiträge von Brazzi

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    Ich finde, hier wird viel zu stark verallgemeinert :???:
    Ein Hund ist doch ein Individuum, warum gibt es denn dann nur die eine richtige Erziehung, die hier angepriesen wird ? Zumindest kommt es mir so vor. Nur das modernste, best erforschteste ist richtig, alles andere ist veraltet und humbug. Mag ja für gewisse Hunde zutreffen aber noch lange nicht für alle.


    Das Problem, was ich sehe, ist, das wir im Bereich Aggressions- und Angstproblematik schon nicht mehr bei der einfachen "Erziehung" sondern bei der Verhaltenstherapie sind.
    Erziehung hat was mit sozialen Strukturen zu tun, mit dem Verhältnis zweier Lebewesen miteinander.
    Ich gebe dir recht, wo der eine Hund extrem führerweich ist, hat der andere eventuell mehr drang selbstständig zu agieren. Und natürlich werde ich mit zwei so unterschiedlichen Hunden unterschiedlich arbeiten. Lerngesetze und die Art wie Hunde grundsätzlich lernen (und wann z.B. nicht bzw. kaum) gelten allerdings auch für zwei völlig unterschiedliche Charaktere gleichermaßen.
    Verhaltensauffälligkeiten (damit meine ich jetzt übersteigerte, aus verhaltensbiologischer Sicht unangemessene Aggressionen oder Ängste) haben aber immer etwas mit psychologischen und/oder metabolischen und somit biologischen Aspekten zu tun. Und bei diesen greifen letztendlich die gleichen Grundprinzipien.

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    Wenn Menschen zB Angst vor Menschenmassen haben, was wird ihnen helfen, diese Angst zu überwinden?
    Wenn ein Hund Angst vor Menschenmassen hat, was wird ihm helfen, diese Angst zu überwinden?


    Eine ehrlich gemeinte Frage


    Ehrlich gemeinte Antwort:
    Am nachhaltigsten und schonensten in beiden Fällen eine Gegenkonditionierung.
    Für Mensch und Hund gelten die gleichen Lerngesetze.

    Eigentlich hatte ich mir ja fest vorgenommen mich diesmal raus zu halten... aber es gelingt mir irgendwie nicht :hust:


    Vorweg: Ich halte Korrektur von "Fehl"verhalten durchaus für sinnvoll - WENN der Hund die Möglichkeit hat danach ein gewünschtes Verhalten zu zeigen. Das setzt voraus, dass er das gewünschte Verhalten bereits erlernt hat und das die Reizlage im Training so gewält ist, dass er auch noch in der Lage ist dieses auf Kommando abzuspulen.


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    Ich denke diese Passivität ist der erste Erfolg, in seiner Methode. Der Hund gibt auf, selbst kontrollieren zu wollen und lässt sich auf das was kommt ein. Er MUSS nun nicht mehr aktiv sein.
    Warum haben so viele Hunde Probleme mit ihrer Umwelt? Weil verpasst wurde ihm zu vermitteln, dass ER nichts kontrollieren muss, sondern das Herrchen/Frauchen ihn führt und leitet.


    Ich glaube, da werden aber zwei Dinge in einen Topf geworfen. In Passivität zu fallen die Hunde bei CM meines Erachtens, weil sie schlicht weg nicht mehr wissen, was sie tun sollen - sie werden ja einfach korrigiert, ohne das ihnen gesagt wird, was statt dessen angesagt wäre. Weil sie aber für alles betraft werden, was sie tun, machen sie irgendwann einfach gar nichts mehr außer mit Tunnelblick vor sich hin trotten, weil das die einzige Handlungsweise ist, bei der sie dem Strafreiz (Kick, Leinenruck) entgehen. Letztendlich erzieht man sich so Zombies, die nur noch funktionieren und reagieren aber nicht mehr agieren.
    Das hat so rein gar nichts mit einem Hund zu tun, der sich vertrauensvoll der Führung seines Besitzers anvertraut. Ein solcher wird nämlich nach wie vor selbstständig mit seiner Umwelt agieren, allerdings im Zweifel "nachfragen" ob und was er tun soll, oder eben selbstständig oder auch auf Kommando die aufgezeigten und antrainierten Ersatzhandlungen ausführen.


    Welchen Hund man nun sein eigen nennen möchte, muss jeder selbst entscheiden.
    Ich für meinen Teil habe durch Unwissenheit einen meiner Hunde mit ähnlichem Vorgehen wie es CM handhabt (nämlich unerwünschtes Verhalten einfach abzubrechen OHNE aktiv Alternativen für den Hund aufzuzeigen) stellenweise in genau die Passivität getrieben, die ich auch bei den meisten Hunden aus CMs Videos sehe.... und ich kann mir inzwischen kaum mehr etwas grauenhafteres vorstellen, als einen Hund sowas anzutun. Inzwischen weiß ich wie es anders geht (und ja, ich habe mit mehr als einem Hund gearbeitet), bin dabei gemachte Fehler wieder auszubügeln und bin immer wieder dankbar irgendwann über meinen damaligen Tellerrand hinweg geschaut zu haben...

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    Großartig – herzlichen Dank für die Tipps! Werde ich berücksichtigen und auf jeden Fall genauer hinsehen.


    Da nich für. Dafür gibt's das Forum ja :smile:


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    Ich weiß ja nicht, wie deine Hunde-Bekanntschaft aussieht, aber: wenn du auch irgendwo einen souveränen erwachsenen Rüden auftreiben kannst, der deinen Welpen regelmäßig "bevatert", ist das so ziemlich das Beste, was du für ihn tun kannst.


    Viele Rüden lieben sowas und haben ein ausgeprägtes Pädagogen-Gen - in einem Rudel (*ggg*) ist es ja auch so, daß der Vater irgendwann den Nachwuchs übernimmt und erzieht, und viele Hunderüden lieben das total. Nicht alle natürlich, aber durchgängig sind Rüden sehr, sehr viel aufgeschlossener fremden Welpen gegenüber als erwachsene Hündinnen.


    Sowas ist wirklich grandios für den Welpen: da spielt nicht nur jemand geduldig mit ihm, sondern erklärt ihm vor allem in seiner eigenen Sprache die Welt, lehrt ihn perfektes "Hündisch" samt guten Manieren und zeigt ihm auch mal, wie weit er gehen darf und wie weit eben nicht.


    Das ist ein super Tipp! Kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Rüden sind mit Welpen oft wirklich herzallerliebst, während Hündinnen von Welpen (besonders vom Nachwuchs anderer) oft gar nicht so angetan sind.... wenn du die Möglichkeit hast deinem Hund regelmäßigen Kontakt zu einem freundlichen, ruhigen Rüden lassen zu haben - nutze sie!


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    ...und, nicht zu vergessen: Das Zusehen macht immer wieder Riesenspaß!


    Absolut! :D

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    Und ob er das nun "Rudelführer" nennt oder sonstwie, wär mir persönlich(!) wurscht. Ich weiß, daß die Experten hier es anders sehen ,aber solange die passende Bezeichung noch nicht erfunden ist, sehe ich's nicht weiter eng. Hauptsache, der Hund weiß, was gemeint ist und orientiert sich eben wirklich an mir.


    Mir eigentlich auch, und es gibt ja tatsächlich keinen "ordentlichen" Begriff dafür. Allerdings zeigt meine Erfahrung eben leider, das häufig diejenigen, die solche Bezeichnungen benutzen (also "dominant", "Rudelführer","Chef", "Alpha" etc.) auch diejenigen sind, deren Erziehungsmethoden noch aus der Steinzeit stammen. Es schwingt für mich einfach was unangenehm "altbackenes" mit, und lässt mich dann eben auch leicht "böses" unterstellen, wenn du verstehst was ich meine :lol:

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    also mit Sicherheit versuche ich nicht dafür zu sorgen dass sich mein Welpe mir unterwirft. Was soll mir das denn bringen? Ich merke aber, dass ein "Nein!" und ins Körbchen tragen ausreicht um ihn beispielsweise daran zu hindern das Sofa anzuknabbnern. Der Trainer sagte nie etwas von "Sei dominant", sondern viel mehr "schön, dein Welpe akzeptiert dich als Rudelführer und orientiert sich an dir."


    Achso... sorry, das kam bei mir völlig falsch an ;)
    Dann ziehe ich das mit dem Trainerwechsel mal vorsichtig zurück, obwohl ich persönlich auch ein Problem mit Begrifflichkeiten wie "Rudelführer" und "Dominanz" im Zusammenhang mit der Lebensgemeinschaft Mensch/Hund habe... aber das mögen Haarspaltereien sein.
    Aber vielleicht kannst du deinen Trainer ja mal fragen, ob du z.B. mal bei betreuten Raufer-/Spielgruppen (wenn es da solche gibt) zuschauen kannst und er dir etwas mehr erklären kann, was in einer bestimmten Situation zwischen den Hunden passiert, was sie gerade meinen etc.
    Saubere Verhaltensinterpretation und angemessene Reaktion und Eingreifen braucht Übung... ist aber sehr wichtig, besonders um Probleme gar nicht erst aufkommen zu lassen.


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    Zu der Situation mit dem Labrador: Mir wurde gesagt, dass man beim Spielen zu Beginn immer dabei sein sollte. Jedoch darf man seinen Welpen nicht ständig auf den Armen tragen wenn ein Hund sich spielerisch nähert. Er ist aktuell in der Zeit wo er sozialisiert werden muss. Klar ist er zu Beginn eher vorsichtig, aber seine Neugier gewinnt ohnehin und er nähert sich. Eigentlich sollte der Hund nicht lernen, dass man sich ständig zwischen ihn stellt wenn ein anderer Hund kommt. Ich denke nämlich, dass er genau hier zum Angstbeißer wird sobald ich mal nicht da bin.


    Ja, Kontakt haben lassen mit möglichst vielen Hunde auch unterschiedlicher Altersgruppe ist wichtig - es ist aber ebenso wichtig (bzw. deutlich wichtiger) dass ein Welpe (aber auch ein Junghund eventuell sogar bis zum dritten Lebens Jahr) so wenig negative Erfahrungen macht wie möglich. Die negativen brennt sich schneller und fester ins Gehirn als die positiven (das ist ein Phänomen, was übrigens für alle Lebewesen gilt, da es in der Natur lebenswichtig ist negative Reize zu meiden).
    Daher: Kontakt zulassen ja. Reagiert allerdings der andere Hund (in dem Fall der Labbi) nicht auf Abbruch- bzw. Beschwichtigungsignale deines Hundes, trenn sie, bevor dein Hund zu "härteren Mitteln" (also z.B. Schnappen) greift. Sonst gewöhnt er sich womöglich an, dass das ein geeigneter Weg ist sich unliebsame Zeitgenossen vom Leib zu halten.
    Ebenso wäre es unklug zu warten bis er sich z.B. hinter deine Beine verkriecht, denn dann wird eventuell das später seine Stategie sich überfordernden Situationen zu entziehen und er wird möglicherweise zeitlebens unsicher durchs Leben gehen.
    Im übrigen meine ich auch nicht, dass du den Hund auf den Arm nehmen sollst. Blocke den fremden mit deinem Körper ab, stell dich zwischen die beiden und bitte den Besitzer des anderen Hundes diesen zurück zurufen, wenn er zu grob wird (was von diesem eigentlich sowieso selbstverständlich sein sollte...)

    Uha... ehrlich gesagt, mir wird gerade ein bisschen anders, wenn ich lesen, was "Trainer" heutzutage anscheinend noch für Anweisungen geben....
    Meine Empfehlung wäre - nehm ganz schnell von den "Erziehungsmethoden" deines Trainers Abstand, streiche dieses veraltete Dominanzmodell aus deinem Kopf und lass dir von einem guten Trainer beibringen, wie du die Körpersprache von Hunden besser lesen und Situationen besser einschätzen kannst.


    Zur Situation mit dem Labbi:
    Für mich klingt es so als ob dein Hund das (sicher spielerisch gemeinte) grobe Benehmen absolut nicht vernünftig einorden konnte. Er hat Beschwichtigungssignale gezeigt (im übrigen fällt das unter aktive Unterwerfungsgesten - auf den Rücken legen wäre passives Unterwerfen) und war schlicht weg überfordert mit der Situation. In diesem Fall (also bei den ersten Beschwichtigungsgesten, die vom Labbi ignoriert wurden) wäre es deine Aufgabe gewesen den Labrador von weiteren Spielversuchen abzuhalten und deinem Welpen so zu vermitteln: "Ich muss solche unangenehmen Situationen nicht selber klären". Lässt du einen Welpen/Junghund in so einer überfordernden Situation allein, kann es nämlich gut sein, dass er später ein Angstbeißer wird...
    Generell finde ich das unsensibele grobmotorische Junghunde kein geeigneter Umgang für Welpen sind.


    Zur Situation mit der Goldihündin:
    Ich vermute, dass diese sich nicht "unterworfen" hat, sondern das auf den Rücken legen aus einer entspannten Spiellaune heraus gezeigt hat. Spielverhalten kopiert nämlich alle Verhaltensweisen, die sonst im ersten Kontext gezeigt werden - oftmals stark übertrieben ausgeführt. Das impliziert eben auch Gesten der Unterwerfung, und dabei ist es egal, welcher Hund der beiden tatsächlich über den anderen dominant ist.
    Das 5 Minütige Bellen ist nichts ungewöhnliches... der kleine versucht eben hartnäckig "zu seinem Recht" (hier Spielen) zu kommen.


    ...und bitte: Hör auf deinen Hund (womöglich sogar "aktiv" also mit Gewalt?) zu unterwerfen. Letztendlich zeigt ein auf den Rücken rollen nämlich nur, dass der Hund wahnsinnig schiss hat, dass ihm was schlimmeres passiert... und das kann doch eigentlich nicht sein, was du willst? ;)
    Natürlich muss ein Hund Grenzen gesetzt bekommen, er muss lernen sich in sozialen Gruppen (menschlichen wie hündischen) angemessen und höflich (also nicht wie der Labbi aus deinem ersten Beispiel) zu verhalten, sich der Führung des Menschen vertrauensvoll (und nicht aus Angst vor Strafe) anzuschließen, Impulse zu kontrollieren und Frust auszuhalten. Aber das erreicht man nicht, in dem der Hund zuverlässig und möglichst viele Unterwerfungsgesten zeigt.
    Natürlich ist es kein Weltuntergang (oder je nach Situation vielleicht sogar angemessen), wenn sich Hund ab und an ein Beschwichtigungssignal gegenüber seinem Herrchen/Frauchen zeigt.... aber dauernd sollte das eigentlich nicht vorkommen.
    Hier jetzt alle Beschwichtigungssignale, Unterwerfungsgesten und in welchen Kontext sie angemessen sind zu erläutern spregt den Rahmen. Dazu gibt es sehr gute Literatur oder eben gute (zeitgemäße) Trainer :smile: