Also nochmal ganz ernsthaft, es will Dir ja keiner was Böses und trotz allem halte ich Dir zugute, dass Du Deinen Hund offenkundig gerne hast und ihm grundsätzlich ein lebenswertes Hundeleben bieten willst und dafür auch Abstriche in der Freizeitgestaltung bereit bist zu machen. Trainingsbereitschaft ist auch da.
Die Schwierigkeiten liegen viel mehr in der Einstellung, mental.
Du bist mindestens besorgt, das überträgt sich, Du bist selber aufmerksamer, wachsamer, Du bist froh über die Verstärkung von Balu, gibst da auch Verantwortung ab (wenn Du nicht da bist). Das ist der Haken, und da kannst Du mit Training am Hund auch wenig machen. Das ist Deine Einstellung, dass Du alles beschützt und entscheidest, einschließlich den Hund. Kopfsache. Wenns wirklich heikel wird, lässt ein normaler, gut eingebundener Hund diesen Typs Dich schon nicht im Stich.
Dabei geht es nicht darum ob Schoßhündchen oder reißende Bestie, weiß/schwarz, das ist doch viel zu einfach für ein hochsoziales, hochkomplexes Tier (Rasse/Mix völlig gleichgültig).
Schau, meine Tochter, 20, lebt alleine in Dortmund - Nordstadt (gerne googlen, reizendes Pflaster
), 1,58m, 50kg... ich habe durchaus Grund besorgt zu sein. Meine Tochter hat auch einen Hund, Mali/Labbi Mix mit eindeutigen Zügen vom Malinois, kontrollierend, territorial, mutig... wenn man sie machen ließe, käme diese Woche niemand mehr in die Wohnung außer meiner Tochter, nächste Woche keiner mehr ins Haus und in 6 Monaten kommste nur noch mit Passierschein A38 und nach Durchsuchung in die Nordstadt.
Ja, das klingt total dämlich nach Weltherrschaft, aber dieser Hund ist einfach so. Sie hat das Standing, sie hat den Mumm und sie will alles unter Kontrolle haben.
Das ist aber kein Höllengeschoss, so ist das ein total lieber Hund, schläft im Bett, mega verkuschelt, will zugedeckt werden, ist zu Menschen draußen neutral bis freundlich desinteressiert, kann auch mit seltsamen Situationen gut umgehen, verschafft sich erstmal Überblick, sicher im ÖPNV zu führen...
Sie ist eine großartige Taktikerin, ich gebe mal zwei Beispielsituationen:
Dortmund Bahnhof, Tochter mit Hund kommt in gewöhnliche Polizeikontrolle, alle bleiben stehen, Hund bei meiner Tochter stehend im Fuß. Die Beamten treten einen Schritt frontal auf meine Tochter zu, Hund schmeißt sich den Polizisten auf die Füße, sieht nach Unterwürfigkeit und Bauchkraulen aus, Beamte begeistert von dem lieben, netten Hund (der sich auch von ihnen streicheln lässt, dem es null ausmacht wenn die sich vorneüber beugen...). Alles geht super, aufn Perso wird eh nur noch sporadisch geguckt, der Hund ist Mittelpunkt im besten Sinne.
Die Wahrheit ist allerdings weniger romantisch, die Madame ist weder unterwürfig noch unterkuschelt, die hat einfach einen Weg gefunden, wie man sozialverträglich kontrolliert und Leute auf Abstand hält. Liegt sie da auf den Füssen, merkt sie jede Bewegung und zieht gleichzeitig alle auf sich. Niemand tut mehr etwas, was sie nicht genau mitbekommt.
Das kann man handeln, meine Tochter kann sie jederzeit da rausholen, wir haben das barrieren aber auch ausbildungstechnisch ausgearbeitet, weil wir das in kontrollierter Form gut gebrauchen können.
Andere Situation, Du gehst meine Tochter besuchen, möchtest mal den Hund anschauen. Rein, erstmal Hallo sagen, Hund kennenlernen, zum Küchentisch - Hund motzt leise aber unverhohlen hinter meiner Tochter her. Ihr setzt euch hin, Du wirst beschnüffelt, kriegst den Kopf auf den Oberschenkel, darfst kraulen und wirst auch lieb angeschaut. Dummerweise ist die Milch zum Kaffee aus, kein Problem, Hund ist ja soweit nett zu Dir, zehn Minuten werdet ihr alleine schaffen bis meine Tochter eben die Straße runter ne Milch gekauft hat.
Ist auch erstmal kein Ding, Du streichelst weiter, alles gut. Aber dann musst Du plötzlich aufs Klo oder Dein Handy in der Jacke an der Garderobe klingelt und Du willst aufstehen. Keine Chance, die schaltet sofort auf Stellen um, verbellt Dich fürchterlich und versucht Dich wieder auf den Stuhl zu drücken.
Du wirst da festsitzen bis meine Tochter zurückkommt.
Ist das eine reißende Bestie? Na sicher nicht, aber es ist ein sehr intelligenter Hund der einen sehr klaren Rahmen und klar abgegrenzte Zuständigkeiten braucht. Sonst wird es nämlich unversehens ein Höllengeschoss.
Und "besorgt sein" ist ein schlechter Ratgeber einen Hund mit Standing und Mut zu führen. Du bist der, der schützt.