24. Juli - 28. Juli 2021
Eintrag aus dem Sauerland. Nach einigen Tagen heftiger Rückenschmerzen und jetzt der ziemlichen Klarheit: Bandscheibenvorfall betäube ich mich jetzt wie irre und schlucke Cortison, um irgendwie was vom Urlaub zu haben.
Und auch die Hunde machen etwas Kummer. Sie lieben es, hier zu sein. Der Garten ist riesige und Elsa kann Freilauf genießen. Wir leben direkt im Wald. Wir treffen kaum andere Hunde und die Menschen hier leinen alle zügig an, wenn sie einen kommen sehen. Aber:
- Bolle ist durch seinen Eingriff noch etwas angeschlagen und läuft nicht gut.
- Alma ist natürlich immer mal wieder extrem angefixt von dem ganzen Wild hier aber das ist kein Vergleich zu dem, was wir hier schon durchhaben. Sie hing früher immer im Ende der Leine, ein einziger Triebknubbel, extrem gestresst. Das ist viel besser geworden. Aber irgendwie wirkt sie auch etwas verschüchtert und depri. Verkrümelt sich manchmal ins Badezimmer und liegt da unglücklich auf der Fußmatte. Beleckt und beißt sich häufiger als sonst. Ist extrem anhänglich und will am liebsten nur mit mir sein und irgendwas machen. Am besten auch ohne die anderen.
- Elsa hatte glaube ich ihren ersten Herzaussetzer. Die Tierärztin hat mich darauf vorbereitet. Irgendwann wird es zu kleinen Ohnmachtsanfällen kommen. Und wir hatten hier den ersten, den ich mitbekommen habe. Sie war etwas aufgeregt, wuselte herum, ich vermittelte ihr, dass wir jetzt noch nicht rausgehen, sie verkrümelte sich auf ihren Platz - und fiel um. Auf den Rücken, alle Beine hochgestreckt, Augen und Schnauze offen. Ich bin sofort hin und habe sie angesprochen, sie kam sofort wieder zu sich und war dann sehr schmusig. Etwa zwei Minuten später war sie wieder ganz normal. Aber da ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Obwohl ich wusste, dass es passieren wird. Die Kardiologin hatte mich auf genau das vorbereitet und mir das auch noch mal erklärt, als ich sie anrief.
Danach hat sie das nicht wieder gezeigt und ist sonst fidel und freut sich an Grashüpfern, Kröten, Schmetterlingen und Gartenfreilauf.
Sie ist hier aber auch extrem anhänglich. Wenn ich mit Alma alleine gehe, stresst sie das sehr. Sie jammert dann und nimmt kein Futter, lässt sich auf kein Spiel ein. Wobei ich glaube, dass es für sie schlimmer ist, wenn Alma und ich gemeinsam gehen.
Die Hundebegegnungen:
Es ist so beknackt, dass ich selbst mit den Augen rolle. Man zahlt (also irgendwer, nicht ich) eine (vermutlich horrende) Tierarztrechnung bei einer auf verhalten spezialisierten Praxis.
Und das Krasseste, was man als Soforttipp mitnimmt, ist Fleischwurst.
Ich bin nicht geizig mit Leckerchen, nie gewesen. Aber zugunsten der Gesundheit gab es als Leckerchen entweder gekochtes Hühnchen oder meinen mütterlichen Idealen entsprechendes Trockenfutter oder Selbstgebackenes aus Hack, Eiern, Kartoffeln und Haferflocken mit diversen goodfoods gepimpt.
Wenn ich wusste, dass uns größere Anstrengungen blühen, nahm ich auch mal so billige Stinkihundesalamiblister mit, mit denen war ich aber dann doch geizig.
Und diese Verhaltenstierärztin sagte zu mir "da muss das Paradies aufgehen, wenn sie andere Hunde sieht. Mit Fleischwurst." - ich sah mich im Durchfall ertrinken. Zu viel Salz, zu viel Scheiß, bäh.
Und - was soll ich sagen - Fleischwurst ist der große Hit.
Fleischwurst > Pöbeln.
Okay, für Elsa soll's also Fleischwurst regnen, sollten ihr sämtliche Hunde begegnen - sang ja auch Hildegard Knef schon.
Es läuft echt ganz gut, hier sind Hundebegegnungen noch schwerer planbar, dafür insgesamt niedriger, Fleischwurst führt aber echt dazu, dass Elsa sich nicht so reinsteigert und schneller wieder runterkommt.
Wir haben hier bereits zwei Mal Hunde getroffen, die recht eng an uns vorbei mussten. Mit der entsprechenden Wurst geht das. Dass Wurst mehr Sicherheit geben kann als Frauchen knappst schon an meinem Ego. Wäre ich doch ein Bruce Willis aus Wurst. Dann könnte ich sie in meine starken Wurstarme nehmen und sie würde an mir knabbern, bis sich innerer Frieden einstellt.
Wir haben hier wirklich gute Trainingsbedingungen, ich würd gern für immer hier bleiben, wenn meine Mutter ihren Pflegi nicht hätte. Aber der bleibt ihr wohl auch noch erhalten, niemand will einen Atopiker, der nicht allein bleiben kann.
Elsa will den halt auch nicht.
Und auch ich hätte ihn gerade würgen können. Oder meine Mutter. Oder mich. Uns alle. Ein Blumenstrauß aus zu würgenden Hälsen.
Das Ding ist nämlich, dass hier im Nachbarsgarten auch Hunde sind und wir dadurch super üben konnten, dass man sich kurz ärgern kann, man dann aber einfach da weg geht und sich vertrauensvoll in Bruce Wurstis Arme wirft.
Und nun kam meine Mutter mit Arni am Gartentor vorbei. Arni springt wie ein Flummi auf und ab. Ich gehe mit Elsa in die Richtung, sie geht vor, sieht den Hundeflummi und tritt den Rückzug an, wendet sich ab, kommt zu mir. MEGA! Hab ich die gefeiert! Lametta, Luftschlangen, alles!
Ich schmeiße ihr Leckerchen auf den Boden in einigem Abstand zum Zaun und gehe zu meiner Mutter und Arni.
Und meine Mutter lockt Elsa zum Zaun. Ich sag ihr noch, dass sie das lassen soll, dass ich es super finde, dass sie auf Abstand bleibt.
Sie lockt.
Und lockt.
"Ich will sie ja nur streicheln"
"Aber das braucht sie gerade nicht. Das kriegt sie von mir. Ich kann Arni etwas zu Essen hinwerfen, damit er nicht zu nah an sie herankommt, dann kannst du sie streicheln."
Nö, sollte ich nicht, sie hält Arni auf Abstand.
Und Elsa kommt, lässt sich streicheln, Arni nähert sich natürlich doch und Elsa knurrt ihn hart an.
Meine Mutter schimpft (sanft) mit ihr und ich sage ihr nur, dass Elsa das darf.
"Das darf die?!"
"Ja, natürlich. Sie wollte Abstand. Du lockst sie in die Situation. Arni kommt auf sie zu, das ist ein Konflikt, natürlich darf sie knurren!"
Arni macht noch einen Jump an den Zaun, Elsa bekommt einen Wut- und Hustenanfall.
Ich hätt schreien können.
Sie hatte es perfekt gemacht. Dann wurde sie in eine Situation geleitet, die zu viel war und ich hab's geschehen lassen. Wie unsagbar dumm. Das hätte die perfekte Trainingssituation sein können. Das absolute Erfolgs- und Lernerlebnis. Jetzt war es ein Erlebniseintopf mit zu vielen Bitterstoffen im Abgang.
Und ja, Elsa bellt jetzt auch wieder mehr die Nachbarshunde an.
Weil ich das ja hier alles nicht im Griff habe.
BÄH.