So, jetzt auch noch mal den Senf von mir.
Ich habe eine Tierheimhündin, die die ersten Monate massive Verlustängste hatte. Ich schätze, dass ihr alleine bleiben nie richtig beigebracht wurde, und sie wenn man weggehen wollte, einfach in den Keller gesperrt worden ist (das wurde bei der Abgabe im Tierheim zugegeben).
Geschlossene Türen findet sie bis heute nicht toll, ich darf sie beim alleine bleiben nicht in ihrer Freiheit einschränken, dann ist es in Ordnung.
Gestern war ich dienstlich in Paris und wir hatten Premiere: 7 Stunden tagsüber alleine, allerdings ab morgens 6 Uhr, wo sie noch total verpennt ist und uns ziemlich dämlich angeschaut hat, als wir sie über die Wiese gescheucht haben (vor 6 Uhr). Ab Mittags, wenn sie wach und fit ist, geht alles über 4 Stunden bis heute nicht.
Bleibt sie länger als diese Zeit alleine, ist zwar nichts kaputt, aber es gibt eine Begrüßung die jenseits von Gut und Böse ist, Pipi im Flur inklusive. Unter 4 Stunden freut sie sich auch wie Bolle, aber eben kein Pipi und es gehen sogar noch Befehle unter dem Freuen (auf Sitz setzt sie sich auch hin oder geht auf ihren Platz auf Befehl).
Aufgebaut habe ich es gaaanz langsam.
Schuhe anziehen, aufs Sofa setzen, Schuhe aus
Schuhe anziehen, vor die Türe, den bereits im Schloss steckenden Schlüssel umgedreht (vorher präperiert) und wieder rein
Gleiches Szenario, aber mit selber mitgenommenem Schlüssel, so dass man ein paar Sekunden mehr braucht und der Hund noch das Geräusch vom Schlüssel im Schloss lernt.
Gleiches Szenario mit 2 mal Durchatmen vor der Türe
Gleiches Szenario und durch die Feuerschutztüre ins Treppenhaus gegangen
Gleiches Szenario mit bis zum Briefkasten.
Und dann habe ich sie das erste mal 15 Minuten alleine gelassen.
Zurückkommen ist bei uns sehr wohl Begrüßung erlaubt, allerdings kein Bellen und kein Hochspringen. Wird sie zu Übermütig, muss sie auf ihren Platz und darf erst wiederkommen, wenn sie ruhiger ist. Es ist ein hartes Stück Arbeit, immer noch, aber es wird allmählich besser.
In der Zeit des Übens (etwa 3 Monate) habe ich sie kein einziges Mal alleine gelassen. Musste ich weg, war sie entweder im Hundekindergarten oder bei meinen Eltern. Allerdings hatte sie noch nie Probleme im Auto zu warten, und wenn wir einkaufen waren, haben wir dies nur noch in Läden mit Tiefgarage, damit sie im Auto auf uns warten kann.
Es ist ein hartes Stück arbeit, aber bis heute ist meine Liste der "zerstörten" Dinge relativ kurz:
Eine Tüte (fast 500g) getrocknete Rinderlunge, die ich vergessen hatte, wegzuräumen.
3-4 Packungen Taschentücher, die zerfleddert wurden, weil sie im Korb der am Boden stand lag bzw. vom Nachtisch runtergefallen waren (wenn man es rumliegen sieht fällt einem ja wieder ein, dass man das morgens mit dem Ärmel erwischt hatte).
ungefähr 50 durchgesabberte Socken und Unterwäschenteile, die keinerlei Schäden aufweisen, sondern nur aufs Kissen getragen und abgeschleckt wurden, um dann darauf zu pennen.
3 mal ausgeräumte Mülleimer, weil ich leere Leckerlietüten reingestopft hatte bzw. die Alufolie vom Döneressen drin war - selber Schuld.
Ich weiss, es ist ein langer Weg. Aber mit jedem alleine bleiben das länger ist, als dein Hund es stressfrei durchhält, gehst du wieder 2 Schritte rückwärts. Du tust dir also keinen Gefallen damit, wenn du hoffst, dass sich das Problem durch aussitzen löst.
Es sind jetzt 3 Tage frei (wobei ich das bei dir nicht genau weiss mit Krankenschwester). Übe die ersten Schritte. Übe Schuhe anziehen, bis es den Hund nicht mehr interessiert, weil er merkt, das ist total langweilig. Übe 30 mal für 2 Sekunden vor die Türe gehen, bis er kapiert, he, das ist total uninteressant, die kommt eh gleich wieder. Wenn du merkst, er wird ruhiger, einen Schritt ausweiten. Wird der Stresslevel wieder zu hoch, einen rückwärts.
Das ist schaffbar! Im Tierheim hat keiner geglaubt, dass meine Madam es schafft, jemals wieder alleine zu bleiben. Und? Es geht. Nur mit Tagsüber achte ich halt darauf, dass es nie zu lange wird und ich bringe sie lieber einmal zu viel zu meinen Eltern, als sie einmal zu lange daheim warten zu lassen. Mit Abends weggehen haben wir, sofern sie gut ausgepowert ist, mittlerweile kein Problem mehr.