So, nun haben wir den Salat.
Wie erwähnt, hab ich manchmal kleinere Unsicherheiten, was den Aufenthalt bei stockdunkler Dunkelheit in Wald und Feld anbelangt.
Ich habe mich bis anhin ja richtig am Riemen gerissen, mir selber gut zugeredet und bin tapfer mit leuchtenden Hunden und ner Lampen, die ich alle 2m fallen lasse, weil ich ungeschickt bin, losgetrabt.
Ich habe allen Gefahren getrotzt.
Seltsamen Geräuschen, seltsamen Bewegungen, seltsamen Bäumen und seltsamen Erscheinungen. Schlicht, ich habe mich todesmutig allem entgegengestellt was in irgendeiner Forum bedrohlich gewirkt hat.
Heute Morgen, als ich eben darüber nachgedacht hatte, ob bereits Anlass genug vorhanden wäre, stolz auf mich zu sein, weil ich noch nie in diesem Herbst, kreischend vor Unheimlichem geflohen, bzw. nach Hause gerannt bin, ist es passiert.
Die beiden T`s und ich waren schon eine gute Stunde unterwegs und es hat bereits angefangen hell zu werden.
Das heisst, ich konnte bereits meine Füsse sehen, ohne dass ich sie anleuchten musste und konnte erahnen, welcher der beiden Hunde sich eben kopfüber ins Gebüsch gestürzt hat.
Wir sind somit relativ entspannt unterwegs Richtung entfernte Heimat.
Schmaler Weg, links ein Hügel mit hohem Gras, rechts zwei Häuser, eingezäunt bis zur Strasse.
Hinter uns 100km Wald, vor uns 200km Felder und Wiesen, ausser einer kleinen Wegkreuzung, ca. 100m vor uns.
Diese Kreuzung wäre auch das Ziel gewesen, denn da wollten wir nach Links abbiegen. Soweit der Plan.
Wir schlurfen also zu dritt, die einen hüpfend und schnüffelnd, die anderen im Halbschlaf des Weges, als die beiden T`s, abrupt bremsen und wie angeklebt auf dem Weg parkieren.
Diejenige von uns, die sich im Halbschlaf befindet, rennt fast ungebremst in die beiden Hunde rein.
Gut, ich habe es dann auch mitbekommen, dass irgendwas vor uns, interessant genug sein muss um angestarrt zu werden.
Ich glotze blöde in dieselbe Richtung und erkenne schemenhaft einen Menschen, der auf dem Weg steht.
Ist ja nichts ungewöhnliches, ich nehme die Hunde kurz und marschiere weiter.
Die beiden Fellmonster fixieren nach wie vor den Menschen, mit vorgestellten Ohren und Ruten gegen den Himmel gereckt.
Auch noch nicht weiter ungewöhnlich, das pflegen sie ab und zu zu tun, wenn unbekannte Objekte vor ihnen auftauchen.
Und einsame Menschen gehören definitiv zu der Kategorie: Unbekannte Objekte.
Ich rede mir selber gut zu und beobachte, nun selber leicht alarmiert, das Menschliche Wesen vor uns.
Dieses fixiert uns auch und beginnt sich in unsere Richtung zu bewegen.
Allerdings bewegt es sich etwas seltsam. Es torkelt und benötigt die ganze Wegbreite um die Richtung halbwegs beizubehalten.
Diese gewöhnungsbedürftige Fortbewegungsart, veranlasst die Hunde dazu noch interessierter zu gucken und in die Richtung zu ziehen. Bei mir hat das Ganze jedoch eine vollkommen gegenteilige Wirkung.
Ich bremse scharf ab, übernehme die dumme Angewohnheit meiner Hunde und beginne das sich nähernde Objekt meinerseits zu fixieren.
Mein Hirn beschliesst auf Notsituation umzustellen und stellt mit sofortiger Wirkung sämtliche Gedankengänge ein, um den sich anbahnenden Fluchtinstinkten Platz zu schaffen. :erschreckt:
In dem Moment, als ich mich einfach umdrehen wollte, um den Instinkten einen Gefallen zu machen und zu fliehen, dreht das torkelnde, menschliche Objekt ebenfalls ab und schwankt in die andere Richtung zurück.
Da sich die Gefahrenquelle zu verzeihen schein,
beginnt mein Hirn langsam wieder zu funktionieren und ich kann wenigstens auf dem kleinstmöglichen Niveau wieder denken.
Instinkt hin oder her, mein sparsam denkendes Gehirn plädiert weiterhin auf Flucht und zwingt meinen Körper, die Richtung ebenfalls zu wechseln und auf schnellstem Wege wieder in die Richtung zurück zu gehen, aus der wir gekommen sind. Auch wenn der torkelnde Mensch vor uns nun in die entgegengesetzte Richtung davonschlurft.
Ich will eben die von mir beschlossene Flucht mit Pauken und Trompeten meinen Hunden mitteilen, die selbstverständlich nach wie vor, fröhlich fasziniert, das schwindende menschliche Objekt fixieren, als ich mit Entsetzen bemerke, dass der Mensch sich nun doch wieder seine Meinung geändert hat und die Richtung ebenfalls.
Entsetzt stelle ich fest, dass er sich uns wieder nähert.
Meine Flucht somit bestätigt, verschwende ich keine Zeit um die beiden Köters nett mit Keksen zu bitten, vom Menschen abzulassen und mir zu folgen.
Nein, da muss man radikaler werden und ich schaffe es eben noch, ein kurzes: „Wir gehen!“ den Hunden zuzumurren, als sich meine Füsse bereits in die entgegengesetzte Richtung bewegen wollen.
Leicht panisch, wird mir schnell klar, dass ich in die andere Richtung gehen will, die Hunde aber in keinster Weise und wir somit keinen Millimeter vom Fleck kommen.
Die Hunde stemmen sich mit allen acht vorhandenen Pfoten in den Asphalt und ich hänge mit meinem ganzen Gewicht in den Leinen.
Da beide Seiten ziemlich ausgeglichen sind, vom Gewicht her, gestaltet sich
die Übung nun nicht eben einfacher für mich.
Irgendwie, alle Kraftreserven mobilisierend und noch einmal klar und deutlich vermittelnd, dass wir nun gehen werden, schaffe ich es die beiden Ts doch noch dazu zu bewegen, mir zu folgen.
Der Plan war, dass wir einfach in die Richtung zurück gehen, rennen, flüchten, aus der wir gekommen sind und uns somit Fell und Haut retten.
Und hier beginnt der wirklich leicht kopflose und panische Teil dieses Morgens.
Das menschliche Wesen hinter uns scheint Witterung aufgenommen zu haben und rennt uns nun, erstaunlich zielsicher hinterher.
Da ich aber keine Zeit habe, mich zu wundern, wieso dieser anfangs torkelnde Mensch nun dazu fähig ist, seine Füsse ziemlich sicher auf der Erde zu platzieren und das auch noch im Laufschritt, mühe ich mich weiterhin damit ab, die Hunde in meine Richtung zu bewegen.
Die sind nämlich ebenso fasziniert von dem schemenhaften Wesen, das sich schnell auf uns zugbewegt, dass sie wieder ihre alten Gewohnheiten aufgenommen haben und fasziniert das Wesen fixieren, während sie sich mit sämtlichen vorhandenen Pfoten in den Boden stemmen.
Mine Alarmglocken schrillen nun in den unschönsten Tönen.
Ich ergreife die Flucht. Die Hunde müssen mit.
Einzige Möglichkeit, schnaufend und schwitzend, von leichter Panik und Atemnot begleitet, die beiden unkooperativen Hunde hinter mir herzuschleifen.
Immer wieder, zumindest einseitig, ruckartig gebremst von einem links oder rechts, stoppenden Hund.
Mein Gehirn stellt auf Notsituation um. Da es aber noch nie in einer solchen Situation war, ist es leicht überfordert mit dem Produzieren von sinnvollen Gedanken.
Ein Auto fährt vorbei, ich überlege, mich ihm einfach vor die Motorhaube zu werfen und um Hilfe zu brüllen.
Bis ich aber fertig überlegt habe, ist das Auto bereits 50km entfernt.
Ich überlege, wer so bekloppt sein kann, jemandem nachzurennen, der zwei relativ grosse, schwarze Hunde an der Leine hat.
Komme aber zu dem Schluss, dass schon die Gangart des Menschen auf seine Zurechnungsfähigkeit schliessen lässt und gebe es auf zu einem sinnvollen Schluss zu kommen.
Ich überlege, für den Bruchteil einer Sekunde, mich einfach umzudrehen und mich der Situation zu stellen. Beschliesse aber wiederum einen Bruchteil später, dass ich zu feige bin und meine Energie lieber in die Flucht investiere.
Die dumme Rumdenkerei hat mich unnötig Energie gekostet und ich stelle mit Entsetzen fest, dass der Mensch aufholt.
Torkelnd, nach wie vor erstaunlich zielsicher und mit gesenktem Kopf. Die Entfernung beträgt vielleicht noch 20m. Und er holt weiterhin auf...
Ich sehe das Ende nahen und bin nicht mehr fähig klar zu denken, als sich die Situation zwangsläufig ändert.
Tom, das grosse Weichei, der immer einen grossen Abstand zu Fremden benötigt, weil er ansonsten Angst bekommt, ist schlagartig dermassen entsetzt über diesen sich nähernden Menschen, dass er beschliesst sich augenblicklich auf sein Hinterteil zu setzen, Blickrichtung gegen das gefährliche Objekt.
Tom erstarrt, ich ebenfalls und Tucker weiss nicht mehr so recht, ob es nun nach hinten, nach vorne oder nirgends mehr hingehen sollte und steht somit unnütz im Wege rum.
Ich will mich schon aufbauschen um meine Hunde zu beschützen, ja so bin ich
, als ich bemerke, wie Tom ein leises Knurren von sich gibt.
Sekunden später, hat er bereits Luft geholt, seine Lungen ausreichen gefüllt und gibt sein lautes, in den Ohren schmerzendes, Blessbellen zum besten. :barb:
Dabei versteckt er sich todesmutig hinter mir und Tucker.
Im selben Augenblick bremst der Mensch vor uns, kommt schwankend zum Halten und guckt uns an.
Ich habe keine Ahnung was ich machen soll und gucke dämlich zurück.
Ich habe ja nie daran geglaubt, dass ich einen beeindruckenden Blick habe, und weiss auch jetzt noch nicht, ob dies wirklich so ist, aber ich bilde mir ein, dass es gewirkt hat.
Ich muss sehr beeindruckend gewesen sein, denn der Mensch dreht sich um in die entgegengesetzte Richtung, nun deutlich langsamer und weniger zielsicher und schlurft davon.
(Gut, vielleicht war ja auch Toms Gebell wirkungsvoller, als mein erschreckter Kaninchenblick...)
Wir gucken ihm alle drei fasziniert hinterher und Tom schickt ihm ein Heldenhaftes „Wuff“ hinterher.
Selbstverständlich befindet er sich nach wie vor in der trügerischen Sicherheit, dass meine und Tuckers Beine, ihn vor all dem Bösen der Welt retten werden.
Ich stehe da, mit weichen Knien und Atemnot.
Die beiden Ts finden die eben vergangene Situation nun nicht mehr weiter aufregend, da sich das Objekt der Faszination nun endgültig aus dem Staub macht
und veranlassen mich dazu, ihnen hinterher Richtung Heimat zu schlurfen.
Anscheinend sind die beiden besser im Bewältigen von seltsamen Situationen, denn sie scheinen, im Gegensatz zu mir, dem Vergangenen gedanklich nicht weiter nachzuhängen.
Schnüffeln, stöbern, pinkeln die Hundewelt hat sie wieder.
Tom, der ohnehin zu leichtem Übergewicht neigt, frisst leicht erstaunt aber ohne nachzufragen, die grossen Keksberge die ich ihm ungefragt in den Rachen schiebe und sieht dabei sehr glücklich aus.
Frei nach dem Hundemotto: Aus den Augen, aus dem Sinn, hauptsache was im Hunderachen.
Mein Sinn ist da bei weitem nicht so unkompliziert, denn der wird mich weiterhin begleiten. Und ich befürchte, am wachsten wird er am morgigen Morgen sein, wenn ich wieder in der Dunkelheit meinen Heldenmut beweisen sollte. :scared:
Ich weiss allerdings nicht mit Sicherheit, ob ich morgen noch einmal in diese Richtung gehen werde.
Ich weiss überhaupt nicht, ob ich noch einmal bei Dämmerung oder Dunkelheit nach draussen gehen will.
Ich weiss auch gar nicht, ob ich jemals wieder nach Draussen gehen will.
Denn die Welt scheint doch gefährlicher zu sein, als ich mir das in meiner Phantasie ausgemalt habe.