Das stimmt so meiner Erfahrung nach nicht (ich habe mal ein paar Jahre in Island gelebt und interessiere mich schon sehr lange für Islandpferde).
Die "Auslese auf Umwelthärte" passiert nicht so sehr beim Freileben im Sommer (das so eigentlich auch immer nur im Norden Islands üblich war, in den anderen Regionen hat und hatte man die Pferde im Sommer meist auf dem eigenen Land - das aber dann gerne mehrere Quadratkilometer groß ist), sondern passierte früher vor allem im Winter. Bis vor ca 20-30 Jahren hatten die Pferde in Island im Winter selten Ställe zur Verfügung, erst irgendwann in den 1990ern wurde Pferdehaltern vom Staat vorgeschrieben, dass es für Pferde einen Wetterschutz geben muss (da reichte aber z.B. auch eine senkrechte Wand, hinter der die Pferde windgeschützt stehen können), und Winterfutter für die Pferde war oft knapp. Nur einzelne Reitpferde stallte man zum Antrainieren mal für ein paar Wochen auf. Nicht umsonst gibt man auf isländisch das Pferdealter nicht in Jahren sondern in "Wintern" an - weil es eben eine Leistung ist, einen harten isländischen Winter zu überleben.
Und ein Isländischer Stall ist in keinster Weise mit dem zu vergleichen was man bei uns so kennt. Umbauter Raum war teuer und rar. Stall hieß in etwa vergleichbar mit Ständer.
Unkontrollierte Vermehrung von Pferden gab und gibt es in Island nur als absolute Ausnahme (Koppelunfall oder die wenig rühmliche Zeit, als sich im Nordosten einige "Pferdefleisch-Produzenten" etablieren wollten). Ganz im Gegenteil sind die Islandpferde wahrscheinlich eine der Pferderassen, in denen schon am längsten sehr gezielt und mit einer sehr wissenschaftlichen Herangehensweise gezüchtet wird. Der BLUP (best linear unbiased predictor) wird schon bestimmt seit den 1970ern in der Islandpferdezucht verwendet, zu dieser Zeit war man bei den Warmblutzuchten noch lange nicht so weit, den Zuchtwert eines Pferdes überhaupt irgendwie zu quantifizieren.
Es wurden Stutenherden gebildet und diesen bestimmte Hengste zugestellt. So hat man auch im Zuchtgebiet der Hindisvikpferde, die keinen Besitzer mehr hatten, Jährlich die Herden eingeteilt.
Was meiner Meinung nach eher dazu beiträgt, dass Islandpferde genetisch recht breit aufgestellt sind, ist:
1) Entgegen des Mythos der "1000jährigen Reinzucht" gibt es Belege, dass tatsächlich über die Jahrhunderte gezielt einzelne Pferde importiert und der Zucht zugeführt wurden. Das strenge Importverbot in der heutigen Form gibt es eigentlich erst seit dem 20. Jahrhundert.
Rein theoretisch ist das sicherlich möglich. Es gibt ja auch in den Sagas Berichte die auf "edle" Pferde schließen lassen. Allerdings, war Island ab dem Mittelalter unter der Herrschaft Dänemarks die das Land finanziell ausgebeutet haben. Wenn die Menschen in Hungerwintern Ihre Schuhe verkocht haben, ist es zweifelhaft, das Pferde importiert wurden. Import nach Island ist heute teuer und war es sicherlich auch damals. Wenn also wirklich Pferde importiert wurden und diese Nachhaltig einfluß auf die Population genommen haben, so kann es sich dabei nur um ebenfalls sehr robuste, nördliche Rassen gehandelt haben.
2) Weiterhin sind die Islandpferde eine relativ große Population, die zwar durch Naturkatastrophen mindestens einen "Flaschenhals" durchgemacht hat, aber die auch immer durch eine Vielfalt sehr unterschiedlicher Typen gekennzeichnet war - die großen, kräftigen Reitpferde aus dem Norden, die zierlichen, temperamentvollen ostisländischen Pferde (berühmt einerseits dafür, dass sie auch die reißendsten Flüsse überqueren können, und andererseits für ihre legendäre Sturheit), der gutmütigere Typ aus dem Südwesten, ... Es gab also nie das eine und einzige Ideal, dem alle Pferde entsprechen sollten, sondern unterschiedliche Züchter nutzten zwar durchaus auch Pferde aus anderen Gebieten/Linien, hatten dabei aber traditionell eben immer leicht unterschiedliche Ziele, so dass es eben keine komplette "Gleichmacherei" innerhalb der Rasse gab, Mit geschätzt 200000-350000 Pferden in Island in den letzten 100 Jahren oder so, und davon 4-5 relativ unterschiedlichen Typen, hat man auch einfach eine sehr breite Basis, die schon zahlenmäßig wahrscheinlich ganz andere Dimensionen hat als die meisten Hunderassen.
Nach dem Ausbruch der Laki geht man davon aus das ca. 80% des Pferdebestandes nicht überlebt hat. Davon muß ein großer Anteil Arbeitswallache gewesen sein. Vor Laki soll der Pferdebestand rd. 40000 betragen haben. Nach Laki rd. 5000.
3) Vor allem aber denke ich, dass die seit Jahrhunderten sehr geplant durchgeführte Leistungszucht zum Erhalt der genetischen Vielfalt der Islandpferde beigetragen hat: traditionell hat der isländische Bauer die Abstammung seiner Pferde über mindestens 3-4 Generationen im Kopf, und sucht die Zuchtpartner entsprechend aus. Im Gegensatz zu anderen Pferderassen gehen normalerweise auch nur Stuten in die Zucht, die von der Leistung her überzeugen, und die Beurteilung der Zuchtpferde zielt (im Gegensatz zum üblichen mitteleuropäischen Reitsport) sehr darauf, die Pferde möglichst "unverfälscht" in ihrem Potential zu zeigen, und nicht so sehr darauf, die Ausbildung der Pferde zu beurteilen. Dadurch gehen dann z.B nicht auf einen Schlag hunderte Nachkommen eines aktuellen "Modehengstes" in die Zucht und verkleinern die genetische Vielfalt.