Lily ist scheinbar eher untypisch. Aber sie ist auch ein anderer Typ. Viel aufgeregter als Bailey. Sie will immer überall mitspielen, wenn Freunde der Kinder zu Besuch sind. Bailey verschläft das alles. Sie bellt auch mehr.
das ließ mich aufhorchen. Es klingt eher so, als hätte sie die Kinder kontrollieren, ja evtl gar maßregeln wollen. Vermutlich hat sie dies auch in Ansätzen getan, war aufgeregt, hat gebellt, ist zwischen die dynamischen Kinder gerannt, wollte diese körperloch blocken... und all dies wurde fälschlicherweise als "spielen" betrachtet und dem Hund keine Unterstützung gegeben mit der Situation und der Dynamik umzugehen. Nur weil nicht geschnappt oder gebissen wurde muss dies keine gute Interaktion gewesen sein zwischen den Beteiligten.
Ich möchte kurz etwas zum Thema "Familienhundidylle" erzählen, alles andere wurde ja schon gesagt. Vielleicht hilft es dir ein bisschen.
Ich habe hier auch so ein Exemplar sitzen, sämtliche Individualdistanz wurde abgezüchtet, absolut kein Aggressionsverhalten gegenüber Menschen, kennt keine Ressourcenverteidigung, der kann ich ins Maul fassen egal was ist, ich könnte sie (tu ich natürlich nicht!!) zwicken, kneifen, hauen etc und sie würde mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals nach vorn gehen, geht Konflikten mit Menschen aus dem Weg oder fiddelt (Google Mal nach den Konfliktstrategien von Hunden) sich einen ab (wenn ich sie ohne Unterstützung in der Situation ließe).
Ich weiß also sehr gut was du meinst wenn du sagst "MEIN Hund, der ist ein Schatz, der macht das nicht, der weiß nicht, dass der Zähne hat".
Ich kenne dieses Gefühl. Es gibt solche Hunde, ja. Das dementiert hier auch keiner. (Dennoch große Betonung darauf, dass man auch "solche" Hunde nicht in für sie unnötig unangenehme Situationen bringt!!!)
Das hat aber in erster Linie absolut nichts mit der Rasse zutun. Es gibt in jeder Rasse ihre Ausreißer, und wie schon gesagt wurde gehört Aggressionsverhalten zu jedem Tier dazu. Auch zu meinem, nur gegen Menschen hat sie dieses noch nie zum Ausdruck gebracht und wird sie es vermutlich auch nie.
Jetzt habe ich hier momentan noch einen zweiten Hund sitzen. Und dieser zeigt das, was ich eher als "normaleres" hündisches Aggressionsvererhalten bezeichnen würde.
Er grummelt, wenn man ihm zu nah kommt während er bspw eine Kaustange frisst, er bellt Besucher an, er möchte nicht dass diese hier sind, er braucht Unterstützung und Ansprache dabei, er bellt vor Freude, er bellt vor Aufregung, er bellt meine Hündin an und würde auch nach vorn gehen wenn sie sich ihm zu dicht aufdrängen würde, er würde Abschnappen wenn man seine Kommunikation übergeht und schließlich als letzte Stufe der Ekalationsleiter auch beißen. Kämen laute Kinder einfach an sein Körbchen während er schläft würde er sich im Schreck mit hoher Wahrscheinlichkeit sofort mit den Zähnen wehren.
Was denkst du, wie "schockiert" eine Freundin von mir war als sie ihn zum ersten Mal Knurren hat hören beim Spaziergang. Er hat gerade markiert und Ruby wollte schnüffeln, das war ihm zu nah und dies zeigte er sauber an, sie machte daraufhin einen Bogen.
Meine Freundin war wirklich kurz außer sich. Sie kennt Hunde nur so wie du sie auch wahrnimmst, als verkuschelte Familienmitglieder ohne Konflikte. Sie hat es wirklich zu Beginn nicht verstanden und war ernsthaft "erschüttert" darüber dass der Hund laut gedroht hat. Es passte nicht in ihre Welt!
Und ja, das verstehe ich sogar irgendwie. Ich bin auch mehr als verwöhnt mit Ruby was das angeht aber ich weiß, dass das absolut nicht selbstverständlich ist bei einem Hund! Es ergäbe biologisch gesehen auch absolut keinen Sinn. Jeder Hund hat andere "Skills" die ihm zur Verfügung stehen mit verschiedenen Konflikten umzugehen. Genetik, Aufzucht, Erfahrung, Umwelt,... Natürlich gibt's hier Tendenzen bei den Rassen, meine Hündin kann bspw durchaus aggressives Verhalten zeigen, dies zeigt sie zb bei ihr unsympathischen Artgenossen, dabei würde sie aber vermutlich niemals gegen Menschen gehen. Ich könnte ihr in dem Moment die Schnauze zuhalten und sie würde es hinnehmen. Der andere Hund, würde mir einige Bisswunden zufügen wenn ich dies probieren würde.
Da steckt man nicht drin. Ich kenne verdammt viele Ersthundehalter die mehr oder minder durch Zufall an so ein genügsames Tier geraten sind. Komplett verwöhnt (kein Vorwurf) von dieser Art Familienhund schafften sie sich unbedarft einen Zweiten an, und siehe da? Dieser zeigt plötzlich Aggressionsverhalten. Warum ist der so böse? Kommt dann oft als Frage.
Hunde kennen kein gut oder böse.
Ich finde es sehr schade und unfair, wie du nun über Lily denkst, auch wenn ich die Gedankengänge im Kern nachvollziehen kann. Natürlich hat dieser Vorfall erst einmal eure heile Familienidylle zerstört. Es ist nun wichtig, dass du dich ganz objektiv und nüchtern mit deinen Hunden auseinandersetzt, im allerbesten Fall mit professioneller Unterstützung!
Ich kann dir versprechen, du wirst im Anschluss ganz ganz ganz viel an deinen Hunden erkennen was dir vorher immer wieder entgangen ist. Hunde kommunizieren sehr subtil. Nahezu nichts passiert "einfach so".
Meideverhalten, Züngeln, Blickabwenden, hochgezogene Lefze, Ohrenstellung, Rutenstellung, starrer Blick, steife Körperhaltung, lockere Bewegungen, bellen, knurren,... ja selbst Gähnen kann auf Überforderung und Stress hindeuten!
Es ist wie eine milchige Glasscheibe dir vor deinem Auge zu brechen beginnt wenn du einmal damit angefangen hast dich damit auseinanderzusetzen.
Nimm dir Zeit, das alles anzunehmen und zu verdauen und dann setzt euch gemeinsam hin und arbeitet an Euch! Es ist wirklich (meist) kein Hexenwerk, wenn man es einmal Verstanden hat seinen Hund und dessen (Körper)Sprache zu lesen.
Ansonsten bin ich komplett bei den anderen, vor allem was die Situation mit deiner Tochter betrifft.