Beiträge von Potato

    Also nochmal, ich wollte wirklich nicht Darwin außer Kraft setzen, aber es besteht ein Unterschied zwischen natürlicher Anpassung an den Lebensraum und der westlichen Zucht moderner Arbeitshundrassen. Bei letzterer kann man bisher noch nicht bewusst auf Hitzetoleranz selektieren. Es gibt viel Forschung dazu um herauszufinden WAS diese Hitzetoleranz eigentlich genau ausmacht. Sitzt sie auf einem Gen, was macht ein "erfolgreicher" Körper überhaupt anders etc. Die Frage ist nicht geklärt, deshalb kann auch nicht bewusst durch Zucht darauf selektiert werden. Man kann natürlich auf gut Glück hoffen, was auch gemacht wird, dass heat tolernace mitselektiert wird wenn ich auf leistung züchte, aber erstens findet ein Großteil der westlichen Arbeitshundzucht nicht in heißen Gebieten statt, und zweitens hat es sich als nicht ausreichend erfolgreich gezeigt (heat stroke ist immer noch eine der Haupttodesursachen für working dogs).

    Aber selbst bei survival auf the fittest, ich hab hier zwei Tropenhunde sitzen und auch da: müssten die jetzt Leistungen in Hitze bringen wäre das wieder unter den Faktoren Akklimatisierung, Trainingsstand und individuelle Prädisposition - einer von ihnen neigt zu Überhitzung.

    Ist halt die Frage, für was deine Tropenhunde gezüchtet wurden; sah ihr Einsatzzweck überhaupt körperliche Arbeit bei Hitze vor?

    Außerdem funktioniert Genetik nicht unbedingt geradlinig - es gibt immer mal "Ausrutscher", Individuen, die Merkmale haben, die sie eigentlich nicht haben sollten.

    Das ist die andere Frage, gibt es bei Hunden überhaupt noch ausreichend natürliche Anpassung, sie sind mittlerweile zu einem Großteil Kunstprodukt. Ich weiß nicht wieviel Zucht in meinen Hunden steckt, aber dadurch dass es in den Tropen Tag und Nacht und das ganze Jahr über heiß ist bei einer Luftfeuchtigkeit von bis zu hundert Prozent müssen sie um zu überleben damit umgehen können. Es war da allerdings auch ziemlich klar dass die Hundepopulation wirklich um einiges weniger an den Lebensraum angepasst war als Wildtiere. Viele Hunde waren zB langhaarig, auch einer meiner Hunde hat etwas längere Haare. Also "natürlich" ist bei Hunden wenig.

    Das bezweifele ich gar nicht, natürlich, Natur ist immer Selektion. Mein Anliegen war ja nicht Darwin zu verneinen. Aber survival of the fittest in Extremsituationen ist ja nochmal was anderes als westliche Arbeitshundzucht, bei der auf heat tolerance zu selektieren intensives Forschungsziel, aber eben nicht so einfach möglich ist.

    Aber selbst bei survival auf the fittest, ich hab hier zwei Tropenhunde sitzen und auch da: müssten die jetzt Leistungen in Hitze bringen wäre das wieder unter den Faktoren Akklimatisierung, Trainingsstand und individuelle Prädisposition - einer von ihnen neigt zu Überhitzung.

    Ariodante danke!

    flying-paws Ja mir ging es vor allem um die Kausalkette dass ein Hund mit Hitze umgehen kann weil er auf Hitzefähigkeit selektiert worden wäre, die mir einfach im Zusammenhang mit Arbeitshunden oft auffällt und in der Diskussion auch von vielen Gebrauchshundehalter:innen betont wurde. Du hast das ja später irgendwie umgewandelt und wolltest dann was anderes sagen, aber ich finde es gibt schon Unterschiede zwischen den Aussagen "jeder junge/gesunde Hund kann Nachmittags bei 29/30 Grad xy machen" und "(m)ein working dog wurde darauf selektiert, der kann bei Gluthitze xy machen". Letzteres ist halt ein klares jein, wegen genannten Gründen (Akklimatisierung, Trainingsstand, individuelle Prädisposition, Schwierigkeit der Selektion auf heat tolerance). Man könnte jetzt sagen dass das irrelevant ist, ich halte es aber in dieser Kausalkette doch für eine gefährliche (teilweise) Falschannahme, und du wirst hier ja schon oft als Richtlinie genommen. Die Todesfälle bei working dogs sind nämlich bei weitem nicht alle im high intensity Bereich. Es gibt Studien die zeigen dass die wenigsten dieser Hunde die an heat strokes sterben im Einsatz sterben, sondern im Training/im Auto/beim in der Sonne rumstehen. Ich glaube da gibt es ganz viel "die können das schon weil" Irrglaube.

    Also ich kann bei Bedarf auch echt viele Essays zu dem Thema zitieren (akklimatisierung, heat shock proteins HSP70/72, genome-wide association mappings für ein "heat tolerance-Gen" etc). Wenn du eine gegensätzliche Argumentation, gegensätzliche Forschungsergebnisse etc hast fände ich das spannend, was ich nicht schön fande war der Argumentationsstil.

    Ariodante danke dir für die tolle Zusammenfassung! :herzen1:

    flying-paws ich finde es schade, dass du das hier nicht hinpassende Thema erst aufbringst und dann eine Antwort von mir bei der eine wirklich eingehende wissenschaftliche Beschäftigung dahinter steht pauschal mit "wirr" abtust.

    @Somfei falls du damit unsere Hitzediskussion meinst, die passt einfach wirklich nicht zum Qualzuchtthema. Qualzuchten leiden schon bei Temperaturen tierschutzrelevant da sind wir von "Hitze" meilenweit entfernt. Ich glaube da sind wir uns alle einig.

    Zweitens ist ein unberechenbarer Faktor individuelle Prädisposition - und zwar im Gegensatz zu Begleithunden

    Was meinst du denn mit “im Gegensatz zu Begleithunden” in dem Kontext?

    Spannendes Thema auf jeden Fall.

    Bei einem working dog ist Heat Intolerance stärker auf individuelle Prädisposition zurückzuführen, während man das bei Begleithunden leichter von äußeren Faktoren wie zB von der Rasse ableiten kann - Retriever habens zum Beispiel nicht so mit Hitze. Ganz banal gesagt kann man das wahrscheinlich runter brechen auf: man kann einfach vorhersagen ob ein Hund nicht mit Hitze umgehen kann, aber ob ers kann ist schwieriger.

    In menschlicher Medizin versucht man das mit Heat Tolerance Tests, bei Hunden klappt das (noch) nicht.

    Dazu muss ich meine Staffelausbilderin mal befragen, sie hat nämlich vor kurzem erst an einem Online-Vortrag teilgenommen, wo es um dieses Thema ging (genauer: Temperaturtoleranz und Beeinflussung der Suchleistung unter Hitze), und da war mWn das Fazit, dass sich Toleranz gegenüber Hitze nicht (wie Ausdauer) durch Training steigern lässt, sondern genetisch/gesundheitsabhängig ist. Ich schaue mal, ob ich dazu noch mehr Informationen bekomme.

    Die Frage ist halt wovon wir hier sprechen. Meine Qualzucht kann ich noch so lange akklimatisieren, das wird nichts. Genauso übergewichtige, alte, kranke Hunde etc.

    Hitze zu verarbeiten ist eine bestimmte physische Eigenschaft, die mit anderen Eigenschaften nicht unbedingt korreliert. Wir reden hier ja nicht von "hat bei xy keinen Bock" sondern über "kollabiert weil kriegt Körpertemperatur nicht reguliert". Es gibt da tatsächlich einige Studien dazu, die man bei Interesse nachlesen kann, weil gerade military working dogs in unserer derzeitigen Welt oft in heißen Gegenden eingesetzt werden. Man geht derzeit davon aus dass erstens Hitzeregulierung im Körper zu einem großen Anteil über Akklimatisierung erfolgt, und Hunde dafür Wochen bis Monate(!) brauchen. Ein Biomarker für Akklimatisierung könnte zB eine große Anzahl von den auch erst von dragonwog angesprochenen Heat Shock Proteins sein, die Überlebenschancen bei Hitze vergrößern. Die hat ein Hund nicht automatisch weil er im Gesamtpaket ein guter Arbeitshund ist. Zweitens ist ein unberechenbarer Faktor individuelle Prädisposition - und zwar im Gegensatz zu Begleithunden. Man kann also nicht von Rasse auf Hitzeregulation schließen. Drittens ist Selektion auf Hitzebeständigkeit unglaublich schwer, da eben trotz neuester Forschung noch nicht ganz genau feststeht was genau einige Hunde Hitze besser regulieren lässt und andere nicht. In menschlicher Medizin versucht man das mit Heat Tolerance Tests, bei Hunden klappt das (noch) nicht. Dass man laienhaft einfach immer einfach die Hunde nimmt die ihren "Job gut erledigen" hat sich als nicht erfolgreich gezeigt, heat strokes sind sind immer noch eine der häufigsten Todesursachen bei military working dogs.

    Ich gehe mal davon aus es waren bei der beschriebenen Situation so 30 Grad, klar kann ein gesunder Hund da Nachmittags ein paar Schafe zusammentreiben. Ich halte einfach die Art des Hitze-Diskurses was Arbeitshunde angeht hier oft für merkwürdig und wenig wissenschaftlich fundiert.

    Ich gehe auch bei 35 Grad mit meinen Hunden nachmittags joggen, aber würde jetzt nicht schreiben "mein Hund ist darauf selektiert/ist so ein leistungsfähiger Hund dem macht das nichts aus" weil das einfach nicht dem Forschungsstand entspricht. Wir gehen wenn ich weiß er ist ausreichend akklimatisiert, ich bin mir ganz sicher dass ich an ihm Überhitzungsanzeichen erkenne, ich prüfe durchgehend den Untergrund, stelle sicher dass er regelmäßig Wasser trinkt etc. und würde das auch jedem anderen so empfehlen, gerade bei nicht-akklimatisierten Hunden, was dadurch dass Hunde solange dafür brauchen gerade bei fast jedem Hund der Fall sein dürfte.

    Selektieren auf Hitze-Schutz-Schild kenne ich nicht. Ich glaube eher, dass Arbeitshunde so in dem Modus Arbeit sind, dass sie sich selbst gar nicht so wahr nehmen. Die bollern einfach so durch!

    Aeh ja... Dumm nur das der Koerper da einfach reagiert ohne den Hund vorher zu fragen, ob er das bemerkt..

    Dann ist es leider oft schon zu spät.

    Es ging aber ja jetzt bewusst um Hitze. Huskys wurden ja auch auf Tauglichkeit für sehr anstrengende Arbeit selektiert, das heißt nicht dass sie besonders hitzebeständig sind.

    Noch mal was zum Thema Hitze: Ich bin wirklich froh, dass meine Arbeitshunde unter anderem darauf selektiert werden damit umgehen zu können. Am Dienstag ist ein Teil meiner Schafe abgehauen. Nachmittags um 16 Uhr in Gluthitze. Als ich sie endlich fand, mussten sie ja zurückgetrieben werden. Ja, natürlich hat mein Hund stark gehechelt und es war anstrengend. Aber keiner war kurz vor Kollaps.

    Aber wie wurden sie denn darauf selektiert? Man hätte ja über Generationen nur die Hunde fortpflanzen dürfen, die am Besten mit Hitze umgehen konnten. Ich kann mir ehrlich gesagt weder vorstellen, dass das gemacht wurde, noch dass das deutsche Klima das überhaupt hergegeben hätte. Noch vor ein paar Jahren gab es viele Sommer, in denen es nie wirklich heiß wurde. Dann kommen sie ja auch noch ursprünglich aus den UK wo erstmal auf ganz anderes Klima selektiert wurde. Man hat ja eh schon geringe Genpools, da hätte man ja über Jahre Hunde in den wenigen heißen Wochen testen/beobachten müssen um dann nur die die damit am besten umgehen für die Fortpflanzung auszuwählen, das klingt mir äußerst unwahrscheinlich. Und selbst dann sagt das wenig aus. Mein Tropenhund, der von der Natur ganz sicher auf heißes Klima selektiert wurde ist mir auch schon kollabiert.

    Der Kastrationsdiskurs ist ja in der Art auch tatsächlich sehr deutsch.

    Wir sind aber auch in Deutschland und haben z.B. nicht die Straßenhundeproblematik wie in anderen Ländern.

    Naja wenn wir uns in der Medizin nur noch auf deutsche Forschung beziehen sollen weil “wir sind aber auch in Deutschland” wirds in manchen Fachgebieten eng. Es ging um eine Studie aus den USA, ob da Strassenhunde mit reingespielt haben wurde nirgends erwähnt