Hündin aus dem TH: Fragen zu Knurren, Ängsten, Alleinesein

  • Liebes Forum,

    nun haben wir seit 4 Wochen unsere etwa 4 Jahre alte Mischlingshündin aus einem polnischen Tierheim.

    Sie war die ersten Tage sehr ängstlich, hat sich vor allem Möglichen erschreckt. Wir haben darauf die erste Woche immer mit "alles gut" reagiert, was sie beruhigt hat (tiefe, ruhige Stimme, nicht gestreichelt); nun kennt sie sich aber aus und wir sind dazu übergangen, bei solchen Situationen ruhig zu bleiben und ihre Angst zwar zu registrieren, aber sie nicht zu beruhigen, um ihr zu verstehen zu geben, dass alles in Ordnung ist.
    Das klappt auch gut, und sie wird von Tag zu Tag entspannter, verspielter und irgendwie glücklicher. Sie ist schon mit der S-Bahn gefahren, kommt mit ins Büro und schwimmt und tobt wahnsinnig gern. Kurz, sie kommt eigentlich überall hin mit.

    Jedenfalls, sie läuft auch frei (weil sie gut hört und sofort angewetzt kommt), und da unser Zaun noch nicht fertig ist, kann sie auch vom Grundstück runter, was aber ok ist, weil kein Verkehr. Aber viele andere Hunde.

    In der Regel ist sie sehr sozial und spielt gerne, doch gestern fing sie das Knurren und Zähnefletschen an und schnappte sogar nach einem Nachbarshund, den sie noch nicht kannte. Genau am Zaun vor unserem Grundstück. Revierverhalten?

    Wie geh ich damit um?

    Ich hab gesagt NEIN und sie dann ignoriert. Sie zog sich sofort zurück und legte sich hin. OK so?

    Knurren find ich ok, schnappen geht gar nicht. Was ist korrekt? Sie ist sicher auch noch unsicher...bloß ich will einen freundlichen Hund, keinen Schnapper.

    Thema Alleinsein:

    Sie ist ungern ohne mich. Sie winselt dann und sucht nach mir. Der Rest der Familie ist etwas hilflos, allerdings lässt sie sich relativ gut ablenken.
    Ich wünsche mir aber schon, auch mal was ohne sie zu machen, ohne sie in seelische Qualen zu stürzen. Nit dem Rest der Familie geht es ja, bloß ganz allein findet sie furchtbar. Abwesenheit minütlich steigern? Hinterher loben? Und mit Leckerlis belohnen?

    Andere Bezugsperson:

    Meinem Mann haut sie gerne ab. Sie will nicht mal zum Spaziergang mit und hört auch kaum auf ihn. Ich meine, ein ganzer Tag nur die beiden allein würde ihnen wohl guttun, damit sie sieht, dass er prima ist. Sie hat nämlich noch immer Angst vor Männern.

    Danke fürs Lesen, ist wohl etwas lang geworden.

    Und vielen Dank für eure Anregungen!

    Grüße
    Nilo

  • Du kriegst nicht deinen Wunschhund, sondern einen Hund, der alle hundlichen Verhaltensweisen zeigen kann. Abschnappen ist übrigens nicht schlimmer als Knurren, in diesem Sinne.

    Allerdings kannst du ihr beibringen, eben am Zaun nicht so zickig zu reagieren, egal welche Motivation sie hat.

    ich würde auch andere Bezugspersonen positive verknüpfen... ansonsten kannst du sie nie mehr alleine lassen...

  • Dass wir keinen Welpen haben, den man noch prägen kann, sondern einen ausgewachsenen Hund, der schlehcte Erfahrungen gemacht hat und auch dem entsprechend unsicher reagieren kann, ist mir klar.

    Darum geht es ja auch nicht.

    Nur: Wie gehe ich damit um, wenn sie Verhaltensweisen zeigt, mit denen ich nicht einverstanden bin?

  • Hallo Carolin,

    Zitat

    Jedenfalls, sie läuft auch frei (weil sie gut hört und sofort angewetzt kommt), und da unser Zaun noch nicht fertig ist, kann sie auch vom Grundstück runter, was aber ok ist, weil kein Verkehr. Aber viele andere Hunde.

    Es ist super, dass sie schon so toll hört. Solange Ihr keinen Zaun habt, würde ich sie dennoch nicht frei laufen lassen, oder sie konsequent abrufen, bevor sie bei den anderen Hunden ist, zumindest, wenn Du Hund und Halter nicht gut kennst.
    Es ist unglaublich anstrengend, wenn ein anderer Halter z.B. einen Hund an der Leine hat, der seinerseits nichts mit Artgenossen anfangen kann, oder der gerade krank/verletzt ist, und dieser Halter muss versuchen, einen freilaufenden Hund zu umschiffen, weil der nicht gesichert ist. Es gehört auch zur Rücksicht auf Nicht-Hundehalter, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie nicht "belästigt" werden, selbst wenn der eigene Hund nie die Absicht gehabt hätte, dorthin zu laufen - ein Hund vermeintlich ohne Aufsicht macht viele Menschen unsicher.

    Zitat

    In der Regel ist sie sehr sozial und spielt gerne, doch gestern fing sie das Knurren und Zähnefletschen an und schnappte sogar nach einem Nachbarshund, den sie noch nicht kannte. Genau am Zaun vor unserem Grundstück. Revierverhalten?
    Wie geh ich damit um?

    Ja, vermutlich Revierverhalten. Kommt darauf an, was Du willst - ein Hund, der Euer Grundstück bewachen soll, agiert damit genau richtig, willst Du, dass sie nichts in der Richtung macht, solltest Du ihr ein Alternativverhalten anbieten und sie mindestens mal momentan nie unbeaufsichtigt im Garten lassen. Je nach Veranlagung kannst Du Territorialverhalten u.U. nicht gänzlich unterdrücken.

    Zitat

    Sie ist sicher auch noch unsicher...bloß ich will einen freundlichen Hund, keinen Schnapper.

    Sie ist nicht unsicher, wenn sie einem anderen Hund sagt "hau ab, mein Garten". Es gehört zum normalen Verhaltensrepertoire, ebenso wie das Schnappen normale Hundekommunikation ist. Ich knurre, Du reagierst nicht, ich schnappe ab, Du reagierst nicht, ich beiße. Wo immer Du diese Kette unterbrichst, riskierst Du, dass ein Punkt übersprungen wird. Also verbiete das Knurren, und Du hast ggf einen Hund, der lernt, ohne Vorwarnung zu schnappen, verbiete das abschnappen, und er langt ggf gleich richtig zu. Was Du eigentlich willst, ist, diese Kette gar nicht anlaufen zu lassen. Das bedeutet, den eigenen Hund einschätzen und lesen zu können, zu wissen, was ihm wichtig ist, wo er diese Kommunikationskette einsetzen würde. Wenn ich das weiß und sehe, lenke ich davor das Verhalten in andere Bahnen. Je nach Situation und Hund sieht das dann ganz unterschiedlich aus.

    Zitat

    Thema Alleinsein:
    (...)Abwesenheit minütlich steigern? Hinterher loben? Und mit Leckerlis belohnen?

    Abwesenheit sekündlich steigern, auch innerhalb der Wohnung üben, also Tür hinter Dir zu. Festen Platz einrichten, Entspannung üben, Rituale einführen, Ruhezeiten einplanen, Aufmerksamkeit weg vom Hund. Wenn sie innerhalb der Wohnung entspannt liegen bleibt und Dir nicht hinterherwackelt, ausweiten.
    Das anschließende Loben kann zu einer Erwartungshaltung führen, also "ok, Frauchen geht weg, na, wann kommt sie wieder und ich krieg mein Leckerli, naa, naaaaaaa?" Das ist nicht entspannt, darum würde ich nicht belohnen. Wozu auch, es soll etwas völlig normales sein, dass Du mal den Raum verlassen und wiederkommen kannst. :smile:

    Zitat

    Ich meine, ein ganzer Tag nur die beiden allein würde ihnen wohl guttun, damit sie sieht, dass er prima ist

    Es ist weniger die Dauer, mehr die Regelmäßigkeit und die gemeinsame Beschäftigung mit hündischen Lieblingsdingen, die Bindung schafft. Wenn sie Angst vor Männern hat, muss man schauen, wo man mit der Gemeinsamkeit ansetzen kann, was sie vielleicht noch ängstigt, welche Bewegungen/ Körperhaltung/ Stimme von ihm ok sind und was nicht. Die Hündin braucht eine Vertrauensbasis, muss ihn einschätzen können, darum sollte er momentan auch nie von sich aus auf sie zugehen, sondern sie immer kommen lassen, wenn sie möchte - ohne Vertrauen keine Bindung. ;) Und wenn sie ihm abhaut, muss er sie eben sichern - Sicherheitsgeschirr, lange Leine dran, fertig. Und deutlich wirkungsvoller als der eventuelle Versuch eines Rückrufs, der bei ihm eh noch nicht funktioniert. :)

  • Zitat

    Dass wir keinen Welpen haben, den man noch prägen kann, sondern einen ausgewachsenen Hund, der schlehcte Erfahrungen gemacht hat und auch dem entsprechend unsicher reagieren kann, ist mir klar.

    Darum geht es ja auch nicht.

    Nur: Wie gehe ich damit um, wenn sie Verhaltensweisen zeigt, mit denen ich nicht einverstanden bin?

    Auch erwachsene Hunde binden sich an einen, sonst wären TS-Hunde nur Last.

    Zuerst einmal Sicherheit schaffen und es gar nicht erst soweit kommen lassen. Dann in Kleinschritten auf Situationen vorbereiten udn so viel gutes Verhalten wie möglich belohnen. Auch Verhalten, das eigentlich selbstverständlich ist.

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