Rückschlag mit Angsthündin

  • Hallo zusammen,


    bei mir wohnt seit gut zwei Wochen neben dem kleinen Krawallo Rumo (dreijähriger Dackel-Terrier-Mix) eine bereits etwas ältere, scheue Hündin namens Ella. Ich möchte diese Plattform nutzen, um mir ein wenig den Frust über Dinge, die nicht so klappen, von der Seele zu schreiben und mich mit euch auszutauschen.


    Dazu vielleicht erstmal ein bisschen Vorgeschichte: Vor ungefähr 1 1/2 Jahren kam Rumo ungeplant zu mir. Der erste Hund und gleich einer, der nicht ganz "einfach" war. Ich habe daraufhin viel gelesen und ausprobiert und wir haben uns ganz gut zusammengerauft: seine wirklich krasse Leinenaggro ist in fast allen Situationen kontrollierbar geworden, er kann in den meisten Situationen ganz ordentlich an der Leine (und ohne) laufen und gibt Spielzeug und Essen ohne Aggressionen oder Weglaufspielchen ab. Seine Ohren kann er schon nochmal auf Durchzug stellen, aber ich vertraue ihm und kann ihn ganz gut einschätzen.


    Da ich in der Zeit mit Rumo zum Hundemensch mutiert bin, habe mir seit längerem einen zweiten Hund gewünscht. Ich habe aber gezielt nach einem Hund ohne große Baustellen gesucht, da ich den ganzen Stress, den ich mit Rumo am Anfang hatte nicht nochmal wollte und Rumo und ich auch immer noch viel trainieren müssen... und habe nun aus dem Italienurlaub eine Hündin mit Angst vor Menschen und sämtlichen Dingen der Menschenwelt mitgebracht. :pfeif:


    Rumos und mein Zusammenleben hat sich schon sehr entschleunigt seid sie da ist, denn mit ihr dauert alles viel länger. Die einstündige Freilaufrunde kann locker mal zwei Stunden dauern, weil Ella an jedem Grashalm schnuppern und die Umgebung auf sich wirken lassen muss. Außerdem muss ich eine neue Sanftheit im Umgang mit den Hunden lernen. Die Intensität mit der ich dem Terriertier sage (sagen muss?), dass er nicht durch die offene Gartentür rauszurennen oder das Essen nicht zu nehmen hat, sorgt bei Ella dafür, dass sie sich für die nächsten Stunden nicht mehr durch die Tür traut bzw. glaubt, es sei grundsätzlich gefährlich von mir Essen zu nehmen.


    Nun, was mich eigentlich bewogen hat, hier zu schreiben ist, dass es mit dem Vetrauen, dass Ella in mich hatte schonmal besser stand. Vor einigen Tagen ist sie durch die Unachtsamkeit einer anderen Person, die die Haustür aufgelassen hat, beinahe auf die Straße gelaufen. Es war morgens und sie hatte deshalb weder Geschirr noch Halsband an. Ich bin blitzschnell hinterher und habe sie im Fell zu packen bekommen. Sie hat sich sehr erschrocken und mich auch gebissen. Seitdem geht sie mir viel aus dem Weg und hat auch draußen an der Schleppleine manchmal plötzlich Angst vor mir. Sie hatte mir zuvor bereits nach ein paar Tagen so sehr vertraut, dass ich sogar frontal auf sie zugehen konnte und sie Schutz bei mir gesucht hat, wenn ihr etwas unheimlich war. Heute morgen bin ich ihr dann auch noch auf die Pfote getreten und über sie gestolpert. Der zweite Spaziergang war dann eine echte Katastrophe. Sie wollte zwischendurch an der Schlepp immer wieder von mir weg und hat die Rute eingeklemmt, als ich auf sie zu bin. Zwischendurch lief sie dann aber auch wieder ganz locker neben mir, hat mich immer wieder angeschaut, wollte bei einer Pause gestreichelt werden und hat Käse angenommen (macht sie nicht, wenn sie Angst hat).


    Hattet ihr solche Rückschläge mit euren Angsthunden auch? Hattet ihr irgendwann eine Vertrauensbasis, die auch eure Ungeschicklichkeiten ausgehalten hat? Wie lange hat das gedauert?


    Ich freue mich über alle Erfahrungen und Rückmeldungen!

  • Hallo,
    esrtmal herzlich Willkommen hier und Glückwunsch zum Zweithund ;)
    Das ist natürlich blöd gelaufen mit dem Fell-Notgriff, aber es musste ja sein. Gib ihr Zeit, dich besser lesen und verstehen zu lernen. Sie hatte innerhalb der 2 Wochen schon Vertrauen gefasst? Dann wird sie ihre neue Scheu sicher auch wieder ablegen.
    Ja, bei Angsthunden hat man es häufig mit Aufs und Abs zu tun. Ich habe durch meine Arbeit im Auslands-TS relativ viele Angsthunde kennen gelernt und habe hier auch eine kleine Kandidatin sitzen.
    Alka hat in einer Kiste gelebt und kannte anfangs gar nichts, hatte z.B. große Ängste durch Türen zu gehen, mochte ihr Geschäft nicht auf diesem komischen grünen Zeugs (Gras) erledigen (sie kannte nur Sand oder Fliesen als Untergrund - das hat auch sehr lange gedauert ), hatte große Angst vor heranstürmenden Hunden (das ist immer noch schwierig und in meiner Gegend sind so viele Leute, die ihre Hunde grundsätzlich frei laufen lassen und nicht abrufen :/ ) usw. Jetzt ist sie fast komplett alltagstauglich. Ihre zwei Hundekumpels, die auch bei uns leben, helfen ihr da sehr.
    Dass bei dir noch ein selbstbewusstes Terriertier wohnt, ist sicher von großem Vorteil. Da wird Ella durch Abgucken schon viel lernen. Das Wichtigste bei euch ist einfach Zeit und Geduld. Und ein möglichst gleich bleibender, strukturierter Tagesablauf mit viel Routine und wenig Höhepunkten bzw. außergewöhnlichen Vorkommnissen. Eventuell kannst du durch Handfütterung oder Futterbeutelfütterung noch einiges an Bindung und Vertrauen erreichen.
    Ich habe mich im TS um einen stark traumatisierten Hund gekümmert, der die Menschen auch nach über einem Jahr nicht näher als 3m herangelassen hat. Irgendwann hat er mir aus der Hand gefressen und sich ein Halsband anlegen lassen. Inzwischen lebt er (fast normal) in einer Familie. Das hätte niemand für möglich gehalten....
    Ich wünsche dir viel Erfolg! Und berichte doch bitte weiter.

  • Ich habe auch eine (ehemalige) Angsthündin. Man braucht einen langen Atem ;) Ich habe beobachtet, dass die Entwicklung so ca alle 3 Monate einen großen Sprung machte.
    Rückschläge gibt es i m m e r. Bis heute hab ich die mit Joy. Aber: Die Erholung von den Rückschlägen geht schneller, viel schneller! Wenn heute zB etwas laut scheppert, kommt sie nach wenigen Sekunden schauen, was los ist (statt längst über alle Berge zu sein und stundenlang verstört).


    Puncto der Ungeschicklichkeit: Sie wird dich einschätzen lernen, ihr werdet euch eingrooven aufeinander.
    Ich denke, es ist wichtig, möglichst kein Drama draus zu machen, wenn es zu einer Ungeschicklichkeit kam. - Das Drama macht ja schon der Hund ;) - Mach dir klar, dass es nicht schlimm war - dann strahlst du das auch aus und das wirkt dann auch auf den Hund.
    Bestimmte Sachen wie über den Hund beugen, kannst du vermeiden und dich darauf einstellen. Andere Sachen passieren einfach, da muss der Hund (und du) durch. Aber du bist diejenige von euch beiden, die dann klar machen muss: Ist kein Drama, kein Problem. Der Hund darf sich erschrecken; sieh es einfach wie ein Niesen an, wenn man etwas in die Nase bekommt - aber nicht als grundsätzlichen Rückschritt. Es ist "nur" eine Reaktion, die geht vorüber.


    Wegen der Haustür: Ich würde an deiner Stelle erwägen, dem Hund erstmal immer ein dünnes HB mit deiner Tel-Nr umzulassen. Dann kannst du mit der Haustür etwas entspannter sein.
    Joy hat bis heute zB im Urlaub immer ein HB um mit Tel-Nr, auch im Haus. (Sozusagen als Erbe aus der schlimmen Angsthundzeit, als sie auch mehrfach weglief in Panik.)


    Ich hatte mich damals mit L-Tryptophan beschäftigt und Joy (8 kg) bekam lange ein "Nervennahrungsfrühstück": 1/3 Becher Hüttenkäse mit einem Klacks Honig (mind. 1 Std. Abstand zu anderem Fressen).


    Bachblüten fand ich auch hilfreich am Anfang.


    Und ganz wichtig: Dem Hund ausreichend die Möglichkeit geben, den erlebten Stress durch Bewegung abzubauen. Adrenalin wird durch Bewegung viel viel schneller abgebaut als zB durch Schlafen.
    Das ist wichtig, damit der Hund schnell wieder halbwegs auf Nulllinie ist und nicht immer dünnhäutiger wird, weil sich das Adrenalin in ihm "stapelt" - mal salopp ausgedrückt.
    Wir sind zu dem Zweck oft am Deich gewesen: Da ist es reizarm und Joy konnte "aufatmen", zur Ruhe kommen und gleichzeitig wetzt sie da immer sehr schön. Solche Ecken/Strecken würde ich mir an deiner Stelle suchen und regelmäßig aufsuchen. Und auch gezielt, wenn der Hund Stress hatte (zB wo mit war, blöde Begegnungen hatte usw.).
    Ihr könntet auch zusammen joggen, zB, dann habt ihr ein gemeinsames Ritual zum Runterkommen ;)


    Hier noch ein interessanter Thread für dich:
    https://www.dogforum.de/der-an…it=%20angsthunde%20thread

  • Guten Morgen!


    Vielem Dank für eure Erfahrungsberichte. Es ist schön zu hören, wie sich eure Angsthunde entwickelt haben. Das macht Mut! :gut:


    Gestern war zunächst alles wieder ein bisschen besser. Wir waren vormittags 2 1/2 Stunden in einem ruhigen Auengebiet unterwegs. Allerdings war es dann wieder schwierig sie für die zweite Runde raus zu kriegen.
    Auf den ersten Spaziergang, der eine große Runde am Vormittag ist, geht sie freiwillig mit sobald sie sieht, dass wir los wollen. Ab dann möchte sie aber gern den Rest des Tages im Haus bleiben. Auch den Garten findet sie gruselig, seit sie gemerkt hat, dass wir den nicht allein nutzen, sondern auch der Nachbar ab und an durch geht.
    Was macht ihr mit einem Hund, der nicht raus will? Raus tragen? Am Geschirr rausziehen? Bis zum nächsten Tag einhalten lassen?


    Dann bleibt sie auch wenn wir nicht gerade mitten in der Pampa unterwegs sind gern mal jeden Meter stehen um sich umzuschauen. Gestern Abend waren es die Lichter und Geräusche von Autos (Motorengeräusche findet sie ganz schlimm), die sie in einem kleinen Waldstück durch die Bäume gesehen und gehört hat. Ich lasse sie dann eine Weile schauen, sage dann "na komm,' geht weiter", sie kommt und ich lobe sie für's kommen. Dann geht sie ein, zwei Meter und bleibt wieder stehen. Ich habe auch mal probiert sie ein kleines Stück zu ziehen, aber das führt nicht dazu, dass sie wieder anfängt zu laufen, sondern dazu, dass sie sich auf den Boden schmeißt. Es ist übrigens egal, ob sie an der 2m Leine oder an der 12m Schlepp ist und wir weiter gehen. Meint ihr, wir sollen uns an diesen Stellen weiterhin im Schneckentempo fortbewegen oder hat jemand eine andere Idee?


    Angst vor anderen Hunden hat sie übrigens nicht. Nur leider ab und an ein Problem mit aufdringlichen Rüden, das zu allem Überfluss auch noch der Kleine regeln will. :headbash: Sie riecht offensichtlich sehr gut, obwohl sie sterilisiert ist (ist das normal?). Bevor Ella da war, hab ich Rumo immer weiter geschickt und bin selbst auch weiter gegangen, wenn es mit einem anderen Hund unangenehm wurde. Das Weiterschicken funktioniert aber leider nicht, wenn ich dann bei Ella bleiben und den anderen Rüden von ihr abpflücken und verscheuchen muss. Er bleibt dann da und pöbelt ne Runde, worauf der andere Rüde dann natürlich antworten muss und das Chaos ist perfekt. Wahrscheinlich ist das ganze nur eine Übungs- und Koordinationssache, aber ich freue mich natürlich auch hier über den ultimativen Tipp.


    So, nun geht es gleich los zu unserer Vormittagsrunde. Ich werde weiter berichten!

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