Sozialsiation eines Rüden

  • Hallo,
    es geht um meinen Hund Dexter. Er ist leider bei seinen Vorbesitzern gebissen worden und reagiert daher aggressiv auf andere Hunde. Wir wollen ihn jedoch an den Umgang wieder gewöhnen, damit er auch einmal einen Spielpartner findet. Bis jetzt konnte er sich bereits mit zwei Hündinnen anfreunden, die er jedoch leider nur sehr selten sehen kann. Bei jedem neuen Hund, den er trifft, kommt es jedoch dazu, dass er bellt, an der Leine zieht und damit die meisten Hundehalter wie auch Hunde verschreckt. Ich suche über dieses Forum jemanden, der vielleicht Erfahrung mit dieser Art von Aggression hat, mir einige Tipps geben kann oder jemanden, der bereit dazu ist, sich auf ein Treffen mit seinem Hund einzulassen, damit Dexter eine bevorzugt Spielpartnerin findet, damit er sich an den Umgang mit anderen Hunden wieder gewöhnt und nicht bei jedem Zusammentreffen mit fremden Hunden ausflippt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Alex

  • Ich denke, die beschriebene Unverträglichkeit hat nicht wirklich was mit dem Geschlecht zu tun.
    Mehr damit, dass ein natürliches Muster von Schutzverhalten als logisch zu einer bestimmten Situation passend abgespeichert wurde und sich nun immer wieder als nützlich erweist (das Abschrecken funktioniert ja und damit ist der Zweck prima erfüllt).
    Man müsste sich m. E. daran machen, die Situation auseinanderzubasteln, die den Rahmen für die Speicherung gibt - also nicht das Verhalten selbst, sondern die auslösenden Bedingungen - das Verhalten kann und sollte man freilich auch angehen, also möglichst nicht bestätigen (auch nicht negativ bestätigen) aber das wäre quasi oberflächlich... es geht um die Situation.
    Die auslösende Situation ist: "Anderer Hund = Gefahr, deshalb Abwehr".
    Wenn das umgemünzt wird könnte es heißen: "Anderer Hund = vielfältige Möglichkeiten für Positives und Negatives, deshalb erstmal prüfen und dann unterschiedlich verhalten."

    Viel (kontrollierter) Kontakt zu anderen würde mir da als erstes einfallen, auf dem Hundeplatz, der Hundewiese und in Gassiverabredungen - immer mit informierten anderen HH (!!!) und viel Zeit + Geduld. Nicht das Abwehrverhalten als Anlass nehmen, die Situation aufzulösen (also Erfolg geben), sondern in unbedrohlichen Situationen mit guter Laune und viel Leckerlie und Lob solche Situationen länger stattfinden lassen.
    Wenn Dein Hund dann aggressiver wird oder tatsächlich auf Angriff schaltet, geht das natürlich nicht ohne Trainer/in, der/die Euch dabei hilft. Aber wenn das erstmal nur Getöse und präventives Drohen ist, kommt danach vielleicht gar nicht die nächste Stufe und es ist Platz für neue, andere Erfahrungen.

  • Zum einen würde ich an deiner Stelle keinen Leinenkontakt mit fremden Hunden und HHern zulassen. Also auch notfalls andere Hunde, die ihr unterwegs trefft, umgehen bzw. ausweichen.

    Lass ihn sich gar nicht erst soweit aufregen, dass er sich in die Leine stemmt und aggressiv wird. Sobald ihr einen Hund seht und dein Hund sichtlich nervös wird/sich aufregt, einfach woanders lang laufen bzw. den Abstand zum anderen Hund wieder erhöhen.

    Ja, und das Social Working wäre sehr gut für deinen Hund. Also versuche HH und Hunde zu finden, die sozial sehr verträglich sind und mit denen ihr euch zum Gassigehen trefft.

  • Vielen Dank für den Beitrag.
    Wir haben bereits mit einer Hundetrainerin gesprochen und sie ist ebenfalls der Meinung, dass man ein kontrolliertes Gassi gehen oder Spielen zulassen sollte. Mein Problem ist, dass sich niemand dafür bereit erklärt. Auch die Leiterin eines Gassigehservice hat uns abgesagt, weil sie Angst hat, ihre Kunden zu verschrecken. In eine Hundespielstunde wollte ich ihn noch nicht geben, weil er dort aufgrund seiner Aggression vielleicht noch bestätigt wird, indem andere Hunde auf sein Verhalten ebenfalls aggressiv reagieren (er erneut schlechte Erfahrungen macht) oder sein Verhalten wirkt und sie ihm aus dem Weg gehen. Daher dachte ich privat jemanden zu finden, der kontrolliertes Spielen (womöglich auch mit Maulkorb) zulässt. Wir haben auch schon versucht auf andere Hunde zuzugehen, aber die Situation spitzte sich meistens zu, sodass er auch schon, wenn ich ihn beruhigen wollte, leicht geschnappt hat.
    Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wann ich ihn mal loben könnte? Und für was?

    Gruß

  • Zitat


    Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wann ich ihn mal loben könnte? Und für was?

    Erstmal: Toll, dass du/ihr an dem Problem arbeiten wollt.

    Ich kenne deine Situation gut ;)

    Zur oben zitierten Frage:

    Versuche mal, so viel Abstand zu anderen Hunden zu haben, dass dein Hund diese wahrnehmen kann, aber noch gelassen dabei bleibt. Das belohnst und lobst du.
    BEVOR dein Hund ausrastet, wird er sehr viele kleine Signale zeigen, die noch nicht "bellen und in die Leine werfen" sind - auch diese kannst du loben und ihn mit einer Distanzvergrößerung zum Auslöser belohnen. Er soll dabei lernen, dass auch er gehen kann, wenn ihm der Kontakt zu dicht wird. Direkt auf andere Hunde zugehen würde ich nicht, eher gemeinsam angeleint ein gutes Stück laufen, mit viel Abstand zwischen den Hunden, so dass deiner locker bleiben kann. Den Abstand kannst du ja dann verringern, wenn du merkst, dass dein Hund sich wohlfühlt und wieder vergrößern, wenn er unruhig wird.

    Hier im Forum gibt es einen ellenlangen Thread, der sich genau damit beschäftigt und viele solche Tipps wie oben beinhaltet: "Zeigen&Benennen" - gib das mal in die Suchfunktion ein. ;-)

    Achja und noch ein Tipp: Vielleicht stellst du dein Anliegen mal noch in die Rubrik "Spaziergänge und Treffen" mit PLZ ein, dann finden dich andere aus deinem Umfeld eher - oder evtl. kommt dabei noch ein Trainertipp ;)

    Liebe Grüße und alles Gute,
    Anni

  • Weißt du denn sicher, dass der Hund erst durch den Zwischenfall unverträglich wurde, sprich hast du den Hund vor dem Beißvorfall schon gekannt?

    Ich würde es sehr kritisch finden, das Training auf dieser Basis aufzubauen, wenn es nur eine unbewiesene Aussage ist. Nicht dass ich dem Vorbesitzer böse Absicht unterstellen möchte, aber ich kenne genügend Hunde, die in Raufereien verwickelt wurden weil sie bereits vorher durch Körpersprache und Verhalten enorm aggressiv und provokant aufgetreten sind und dann müsste man das Training unter anderen Gesichtspunkten strukturieren, als wenn es eine reine "bevor du mir was tust, zu ich dir was" Reaktion auf schlechte Erfahrungen ist.

  • Vielen Dank für die hilfreichen Antworten!
    Und das mit dem Threads habe ich übersehen, danke für den Tipp titus.

    Nun zu Helfstyna:
    Also ich kannte ihn vorher nicht. Das Tierheim konnte natürlich nur die Infos weitergeben, die die Vorbesitzer erzählt haben. Aber er soll sehr verträglich gewesen sein und dann als Junghund (man sieht die Verletzungen) gebissen worden sein. Im Tierheim hatte er sich auch wieder ein wenig an andere Hunde gewöhnt. Dort hatte er eine feste Gruppe mit der er laufen konnte, ohne Zwischenfälle. Bei Hunden die er kennt, geht es ja auch. Ein weiterer Hundetrainer, der sein Verhalten "getestet" hat, erklärte ebenfalls, dass es eher eine Angstreaktion ist und ihn als Schaumschläger bezeichnet. Ich verlasse mich halt auf die Einschätzungen der Profis.

  • Ein "Schaumschläger" reagiert aus Unsicherheit heraus. Es ist egal ob er schon vor dem Biss unsicher war oder erst danach. Fakt ist du musst an der Unsicherheit arbeiten, ihm diese nehmen.
    Es wird meist empfohlen die Führung für den Hund zu übernehmen. Das ist soweit nicht falsch, aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass das allein nicht reicht. Es muss immer zusätzlich eine Resozialisierung stattfinden.

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