Aber war es bei euch allen wirklich so, dass ihr in der ersten Woche mit eurem ersten Hund alles toll fandet? Weil wenn ja, dann bin ich vielleicht echt kein Hundemensch. Ich finde z.B. Spaziergänge gerade nicht besonders schön. Sie sind anstrengend, weil ich auf tausend Sachen achte, die mir vorher nie aufgefallen sind, mein Kopf rattert, ich bin in vielen Situationen unsicher, was jetzt zu tun ist, und eigentlich dauernd unter Strom. Ich fühle mich richtig erschlagen von der ersten Woche, nicht erfüllt.
Mein Freund ist übrigens gar nicht gestresst, er spricht mir gut zu, er sagt er liebt den Hund, ist mega optimistisch, zählt mir die Fortschritte auf. Deshalb zweifle ich auch gerade, ob einfach mit mir was falsch ist. Ich fühle mich total antriebslos und entscheidungsunfähig und jede Kleinigkeit bringt mich zum Heulen.
Nö, das war die erste Zeit nicht so.
Ich hab ungefähr drei Monate gebraucht, um eine emotionale Beziehung zum Hund aufzubauen.
Vorher gab es immer wieder schöne Momente, oder mal einen Tag der besonders gut lief. Es gab aber auch viele anstrengende Spaziergänge, zB weil Herr Hund jedes Mal ausgerastet ist, wenn er einen Hund gesehen hat (er durfte vorher sehr viel frei laufen und einfach zu jedem Hund hin, das geht hier in der Stadt natürlich nicht und dann war er einfach jedes Mal frustriert, hat gebellt und ist mit ins Gesicht gesprungen wenn wir am Horizont einen Hund gesehen haben
…nein, das waren keine erholsamen Spaziergänge
).
Jetzt, 3 Monate später, kommen wir schon so ab ca. 50% der Hunde ohne Bellen vorbei. Und wenn er bellt und springt, ist es nicht so schlimm, denn ich weiß was ich tun muss, was ihm hilft und dass es kontinuierlich etwas besser wird (mit kleinen Rückschlägen, das ist auch völlig normal, und mit besseren und schlechteren Tagen).
Auch mein Mann ist erst jetzt, nach 3 Monaten, so ganz gut angekommen mit dem Hund. Jetzt haben wir langsam eine emotionale Bindung. Das braucht Zeit. Nach einer Woche fand ich ihn zwar ganz süß, hätte ihn aber auch problemlos wieder abgeben können.
Jetzt? Hmmmm, wäre schlimm ihn abzugeben, aber wäre vermutlich ganz gut zu verkraften.
In nochmal drei Monaten, wird das schätzungsweise völlig undenkbar sein den wieder herzugeben 
Beziehung braucht halt Zeit.
Und auch unser Pudel war anfangs nach 30 Minuten Spazieren gehen müde und nach 60 Minuten drüber weil es zu viel war, obwohl er vorher in seinem gewohnten Umfeld lustig 2h durch den Wald getobt ist und danach immer noch fit war. Aber er kannte sich hier halt nicht aus, kannte uns nicht, konnte uns nicht einschätzen, neue Geräusche, Gerüche, alles neu. Das ist anstrengend, für beide Seiten.
Jetzt können wir 3h durch den Wald laufen, danach ist er müde und zufrieden aber nicht drüber. Kennt uns inzwischen, vertraut uns, aber das braucht Zeit. Und obwohl es erst 3 Monate waren, fühlt es sich an wie 12. nach einer Woche fühlte es sich an wie 2 Monate. Ist eine intensive Zeit, aber es lohnt sich.
Ich finde, insgesamt klingt das passend mit euch. Er klingt auch nach einem eher mutigen Hund, finde ich: er hat zwar Angst, ist aber mindestens genauso neugierig. Geht jetzt schon in den Aufzug, sucht jetzt schon bei dir Schutz, orientiert sich an dir. Das klingt sehr vielversprechend! Ich würde wohl dranbleiben.
Und schau, wie du die Zeit draußen entspannen kannst. Geht nur ein paar Meter zum nächsten grün, bleib da stehen, lass ihn die Stelle erkunden und alles genau abchecken, Autos angucken, jeden Grashalm abschnüffeln. Kekse reinschieben. Nach 10 Minuten wieder nach Hause, fertig. Auf die Art kannst auch du die Umgebung im Blick behalten, musst dich nicht auf alles gleichzeitig konzentrieren.
Hast du einen Führerschein? Falls ja: erinnerst du dich an die ersten Fahrstunden, und den enormen Stress dabei? Wo war noch mal die Bremse und wo das Gaspedal, in welchen der vielen Spiegel muss ich zuerst gucken, Abbiegen: wo ist der Blinker und muss ich den Schulterblick vorher oder nachher machen? All solchen Kram. Man muss 1000 Sachen entscheiden.
Oder die ersten Wochen im Job, wo man noch nicht weiß wie der Kopierer funktioniert, wie irgendwer heißt, für was man welches Programm braucht und wann alle Kaffeepause machen, und worüber sich da unterhalten wird. Wer für was ein Ansprechpartner ist. Super anstrengend. Aber nach ein paar Wochen ist man drin, macht 80% der Sachen automatisch und wenn man einen Kaffee will, macht man sich einfach einen ohne vorher 5 Minuten nach neuen Kaffeefiltern suchen zu müssen.
So ist das auch mit Hund. Ich würde den Ganzen etwas Zeit geben, ihr seid auf einem guten Weg, du, dein Freund und der Hund 👍