Die Sache mit dem Welpenschutzmythos wurde ja schon erwähnt. Real ist, dass außerhalb der eigenen (verwandten!) Gruppe oft - nicht immer! - Rüden etwas toleranter gegenüber fremden Welpen sind. Unter Hündinnen dagegen gibt es durchaus einige, die der Ansicht sind, auf der Welt gibt es nur Platz für eine Art von Welpen, nämlich die eigenen. Alles andere wird als potentielle Konkurrenz möglicher eigener Welpen schlicht und einfach vernichtet - wenn man die Hündin lässt. Das ist, so hart es klingt, von dieser Hündin dann NICHT verhaltensgestört. Dafür spricht auch das hier:
Daisy hat zig Hundefreunde vom Dackel bis zum Schäferhund. Noch nie hat sie Aggression gezeigt.
Wobei, immer vorausgesetzt das stimmt so. Denn solltest du die Kontakte mit diesen Hunden genauso wenig bzw. auch mit genauso wenig Kenntnis beobachten wie in dieser Situation hier, dann bin ich mir nicht so sicher, ob das wirklich so aggressionsfrei läuft, oder du vielleicht nur die kleinen Zeichen nicht siehst und deine Hündin gegenüber den anderen (noch) gehemmter auftritt? Da hilft nur eines, nämlich ein Trainer, der mal draufschaut und das mit Hintergrundwissen einschätzt.
Woher hätte ich denn damit rechnen sollen?
Und das ist der Punkt, an dem bei dir ein gewaltiger Lernprozess nötig wäre. Denn die Antwort auf diese Frage lautet schlicht und ergreifend: Mit entsprechendem Hintergrundwissen wäre es für dich völlig klar gewesen, dass du mit so etwas potentiell rechnen musst. Einen Hund mehr oder weniger unbeaufsichtigt mit anderen Hunden einfach machen zu lassen, das ist so eine beliebte Hundewiesensitte, die immer wieder böse ins Auge geht - in eurem Fall leider wortwörtlich. Erst recht ist das keine gute Idee, wenn man seinen Hund erst so kurz kennt. In dieser Hinsicht hat übrigens deine Freundin genauso viel Mist gebaut wie du, um das jetzt so hart zu sagen. Ich hoffe, dem Zwerg geht es zumindest körperlich wieder besser? Denn damit muss deine Freundin nun leider rechnen, dass der kleine durchaus durch dieses Erlebnis einen Knacks im Sozialverhalten abbekommen haben kann. Auch ihr wäre somit anzuraten, sich beizeiten Unterstützung durch einen guten, positiv arbeitenden Trainer zu suchen.
Was dich und deine Hündin angeht: Zuerst mal eine Analyse, wie sie wirklich tickt, durch einen Fachmann. Ist sie ansonsten im Sozialverhalten sicher, und das kann wie gesagt durchaus auch sein, dann besteht kein sachlicher Grund, sie abzugeben. Und es muss auch nicht unbedingt etwas zu tun haben damit, wie sie Menschen gegenüber ist. Andererseits besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass sie generell bereit ist, ernsthaft zu werden, und das allmählich zeigt wo sie langsam bei dir ankommt, zuerst bei einem Gegenüber der ihr nicht viel entgegen zu setzen hat. Beides ist möglich, du selbst wirst das nicht beurteilen können, da solltest du dir also eine gute Einschätzung einholen. Je nach dem kannst du dir dann entscheiden, ob du dir den weiteren Weg mit ihr zutraust.
Dabei spielt aber noch ein anderer Aspekt eine Rolle: Wie kannst du emotional damit umgehen? Traust du dir zu, sie weiterhin anzunehmen, auch gefühlsmäßig? Kannst du ihr Wärme und Sicherheit geben, oder siehst du sie nur noch negativ, hast vielleicht gar Angst vor ihr? Sei da bitte ehrlich zu dir selbst, es bringt niemandem etwas wenn du dir da was vormachst. Denn so oder so, den Weg wieder zueinander und zu einem verantwortungsvollen Umgang zu finden wird Arbeit. Und zwar nicht zu wenig.
Solltest du dich entscheiden, diesen Weg zu gehen, tu es mit Unterstützung. Und sei bitte nie wieder so naiv, dir deiner Verantwortung für sie nicht bewusst zu sein. Vor allem aber bedeutet das, in rasender Geschwindigkeit eine Menge über Hundeverhalten zu lernen. Das kann durchaus Freude machen, ist hoch interessant und bereichernd, aber eben nicht bequem nebenher gemacht. Das wäre die eine Möglichkeit.
Kannst du aber nicht sagen, dass du sie weiterhin lieben kannst, traust du dir die Verantwortung nicht zu, hast du gar Angst vor ihr: Dann gib sie ab. Aber bitte nicht per Ebay oder ähnliches, sondern über ein gutes Tierheim bzw. eine entsprechende erfahrene Vermittlungsstelle. Auch dabei könnten dir hier bestimmt einige User helfen. Dann hättest du auch Zeit, dir das Grundwissen über Hundehaltung, das über die Weisheiten, die schon vor 30 Jahren unter informierten Hundehaltern überholt waren, hinausgeht, in aller Ruhe anzueignen. Und das solltest du auf jeden Fall tun, bevor du dich dann erneut in das Abenteuer Hundehaltung stürzt.