Was für ein Buch! Ich habe "Wald" von Doris Knecht beendet. Ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen.
Marian, eine erfolgreiche Designerin, hatte alles: Luxuriöse Wohnung, teure Kleidung, Atelier, Angestellte, einen Verlobten, Therapeut, sie ließ sich regelmäßig ihren Körper durchkneten, peelen, Fältchen aufspritzen und Haare stylen und färben. Dann geht erst ihre Beziehung in die Brüche, sie gerät an den falschen Mann und an einen windigen Unternehmensberater, der sie zu schwindelerregenden Investitionen ermutigt. Die Wirtschaftskrise 2009 tut ihr übriges und sie verliert alles und sogar noch mehr als das. Alles weg, dazu noch Schulden. Nach dem gesellschaftlichen Abstieg zieht sie sich in das von der Großtante geerbte alte Haus auf dem Land zurück. Der erste Winter lässt sie fast verhungern und erfrieren, sie findet nicht nur einmal Zuflucht in dem tröstlichen Gedanken, ihrem Leben ein Ende zu machen. Nur der Selbstgebrannte vom Onkel und die vielen Vorräte, die ihre Tante zu Lebzeiten in Weckgläsern angelegt hat, halten sie am Überleben, zerhackte Möbel nähren das kleine Feuerchen im Herd uns spendet wenigstens ein wenig Wärme. Und dann lernt sie Franz kennen, der ihr unter die Arme greift.
Der letzte Satz liest sich jetzt vermutlich echt kitschig, das Buch ist es aber nicht. Und man sollte sich auch nicht vom Lob der Brigitte-Redaktion auf dem rückseitigen Klappentext abschrecken lassen. Ein manchen Kritiken wird bemängelt, dass sich Marian zu sehr über die Männer, mit denen sie eine Beziehung eingeht, definiert, was den Lesegenuss überschattet. Ich empfand es nicht so.
Ich hab das Buch gern gelesen. Eine Frau, die fast alles verliert und plötzlich nur noch das wesentlichste hat. Man lernt Marian kennen, in Rückschauen die alte und in der Gegenwart die neue. Früher schneiderte sie Kleider, heut baut sie Gemüse an, sammelt Obst und kocht es ein, sie stiehlt auch mal ein Huhn beim Nachbar und sie angelt. Sie lernt, sich selbst zu versorgen.
Vielleicht, weil ich selbst ein Möchtegern-Selbstversorger bin, hat mir das Buch so gut gefallen. Auch sprachlich fand ich das Buch absolut gelungen.
Ich glaube, wem "Der Gesang der Fledermäuse" von Olga Tokarczuk gefallen hat, dem dürfte auch "Wald" von Doris Knecht gefallen.