Ob nun Klassiker, Werke von Literaturnobelpreisträgern oder heutige Bestseller:
Der Lesegeschmack ist derart abhängig von Faktoren wie Lebensalter, Lebenssituationen, Erfahrungen, Stimmungen usw., dass eine Bewertung eines Werkes nur eine Momentaufnahme ist.
In 30 Jahren wirst du erstaunt sein, welche Bücher du mit Begeisterung lesen wirst und über welche Vorlieben aus früheren Jahren du den Kopf schütteln wirst.
Manche Bücher sollte man mE erst einmal zurücklegen und dann wieder herausholen, wenn die Zeit reif dafür ist. Manche kann man entsorgen, auch wenn Spiegelbestseller oder Klassiker „draufsteht“.
Ich lese gerade das hochgelobte Debüt eines 33-jährigen texanischen Autors (Rye Curtis: Cloris), das den Überlebenskampf einer 72-jährigen Frau schildert, die als Einzige bei einem Flugzeugabsturz in unwirtlichem Gebiet am Leben geblieben ist. Parallel dazu werden die Leute beschrieben, die zu ihrer Rettung aufbrechen: Alle ziemlich skurrile Typen, die auch mit allerlei absonderlichen Eigenarten ausgestattet sind: Dass die alkoholkranke Rangerin ununterbrochen Merlot trinkt und jedes 2. Wort „gottverdammt“ ist, der Leiter der Luftrettung seine Hände ständig mit Kreide bedeckt und „Kooje“ ruft (sinnloses Wort), der Assistent mit einem Häubchen auf dem Kopf stets stickt etc., das loben manche in den höchsten Tönen.
Was die einen als Wortwitz ansehen, finden andere ordinär.
Nun, es gibt sicher allerlei gescheiterte Existenzen, aber so gebündelt wird es mir zuviel.
Und die Gedanken und Erinnerungen der alten Frau im Plauderton - im Wechsel mit tiefgehenden Reflexionen über Leben und Tod - sind teilweise ebensowenig überzeugend.
Ihr dürft raten, wer ihr helfen wird? Natürlich ein Psychopath mit Herz.
Manche werden sich super unterhalten fühlen und alles als gelungene Parodie oder absurdes Theater ansehen. Für mich hat die Tragik der Ausgangserzählung (Absturz/ Tod des Ehemanns der Protagonistin/ Grenzerfahrungen …) nichts Amüsantes.
Möglicherweise wird das ein Bestseller, aber nicht für mich.