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Hallo Hans-Georg,
was willst Du eigentlich mit dem Silberfuchs-Experiment sagen? Da geht es doch um Zucht auf Zahmheit zum Menschen und soziale Verträglichkeit untereinander, beides hat beim Hund ohne Frage stattgefunden - letzteres wurde bei einigen Rassen auch wieder verringert. Mit Rudelbildung hat das nichts zu tun. Die Fähigkeit dazu haben Silberfüchse - wie andere Füchse auch- schon mitgebracht.
Was will ich damit sagen?
Nun zunächst einmal dürfte es richtig sein, das bei Silberfüchsen diese Anpassung zur Zahmheit und sozialen Toleranz, in ihrer genetischen Bandbreite (Variabilität) enthalten war.
Somit muss es nicht auf eine Veränderung der DNA-Sequenz zurückgehen.
Holen wir uns ins Gedächtnis:
Genotyp + Epigenetik +Umwelt = Phänotyp (Zahmheit und soziale Verträglichkeit)
Hat sich der Genotyp nicht (wesentlich) verändert, ist der ausschlaggebende Faktor mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Umwelt, somit die „künstliche Zuchtauswahl“, „Selektion“ durch den Menschen.
Diese „künstliche Zuchtauswahl“, „Selektion“ ist nicht irreversibel, also keine Einbahnstraße, sondern umkehrbar.
Was hat das mit den Wölfen und deren Rudelbildung zu tun?
Wir kennen alle den Begriff und dessen Bedeutung vom „einsamen Wolf“, auch das ist in den Genen des Wolfes angelegt, wenn es auch nicht ein Hauptmerkmal des Wolfsverhaltens widergibt.
So gibt es also vom „einsamen Wolf“, dem Wolfspärchen bis zum Wolfsrudel (als das wichtigste Kennzeichen) des Wolfsverhaltens, verschiedene Facetten in einer Wolfspopulation.
Wenn wir also das Silberfuchsexperiment (Domestikation) anschauen, können wir leicht erkennen, dass es bei der Domestikation des Wolfes (?) eine parallele gibt, nur in eine etwas andere Richtung.
Nämlich vom Rudeltier hin zu noch sozialverträglichen, aber nicht mehr in ein Rudel eingebundene Lebensformen.
Mit anderen Worten, von einem Einzellebewesen hin zu einem Soziallebewesen mit keinen festen Rudelstrukturen und/oder echtem Rudelverhalten, finden wir bei unseren (domestizierten) Haushunden alle möglichen Facetten.
Sokas für spezielle (perverse) Aufgaben, bis hin zur Meute-Haltung usw.
Selbst die Inuit haben ihre Hunde nicht nach Rudelmerkmalen gezüchtet und gehalten. Damit sich ihre Hunde bei Unverträglichkeit nicht ernsthaft verletzen konnten, wurden ihnen oftmals vorsorglich, kurzerhand die Fangzähne ausgebrochen.
Denn ohne die Hunde war ihr eigenes Überleben hochgradig gefährdet.
D.h., Rudelbildung und/oder Rudelhaltung war nicht das vorrangige Ziel bei der (allgemeinen) Hundezucht.
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In der Verhaltensforschung wird derzeit darüber diskutiert, ob die Organisationsform in Rudeln, wie wir sie von heutigen Wölfen kennen, bei den Vorfahren unserer Hunde bereits so ausgeprägt war und die Hunde sie sozusagen verloren haben. Vielleicht lebte der letzte gemeinsame Vorfahre eher in flexiblen Gruppen und das "Wolfsrudel" hat sich erst später in der Evolution des Wolfes herausgebildet - vielleicht durch die Notwendigkeit, gemeinsam Großwild zu jagen? Das würde das Sozialverhalten des heutigen Hundes besser erklären - aber auch eine Vermischung von Hund und Wolf umso fragwürdiger machen.
Im Prinzip haben wir mit den Dingos einen Beleg, das einst domestizierte Haushunde die wieder verwildern, selbst Rudelbilden, ähnlich wie Wölfe.
Was uns auch zeigt, das Rudel einen Überlebensvorteil bedeutet, mit Alphas, Rangordnung usw.
So gar die Hybride zwischen Dingo und Haushunden, so ein Wildbiologe (Dingo-Forscher), leben wie Dingos in diesen Rudeln. Und sind für ihn Dingos, was er der Regierung mit seiner Forschungsarbeit klar machen möchte, da sie, wenn ihr Phänotyp von den Dingos abweicht, getötet werden sollen.
Wenn wir uns noch einmal das Experiment mit den Silberfüchsen ins Gedächtnis rufen, wird eines deutlicher, das vom Solitären hin, bis zum Rudelleben alles im Genotyp vorhanden ist.
Somit war die Umwelt (Selektion) richtungsweisend für die möglichen Lebensformen der Wölfe, eben Genotyp + Umwelt = Phänotyp.
Einer Wolfsforscherin wurde von den Ureinwohnern berichtet, dass ein einzelner Wolf ohne Weiteres in der Lage ist, einen großen Hirsch, die Hauptbeute des Wolfes, erlegen zu können.
Da lässt sich die Frage stellen:
Ist tatsächlich die Größe der Beute ausschlaggebend, für die Rudelbildung der Wölfe, oder gibt es nicht auch ganz andere wichtige Gründe?
Z. B. die Konkurrenz zu anderen Spezies, wie Bären, oder die Aufzucht der Jungen, die Revierverteidigung usw.
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Zum Begriff Rudel (pack): In der Verhaltensforschung hat sich dieser Begriff für eine bestimmte Form des Gruppenlebens eingebürgert, nämlich für Raubtiere, die in festen sozialen Gruppen leben, sich untereinander kennen und bei der Jagd und der Aufzucht der Jungen kooperieren. Beispiele sind Löwen, Hyänen, Afrikanisch Wildhunde oder Wölfe. Solche Rudel bilden verwilderte Hunde eindeutig nicht.
In der Verhaltensbiologie wird der Begriff und seine Bedeutung auf Tiere die in (Groß-) Familienverbänden leben verwendet und bezieht sich überwiegend auf wildlebende Tiere.
Dazu siehe oben Dingos, sind womöglich die Ausnahmen, da sie ganz unabhängig vom Menschen leben.
Was bei halbverwilderten bis hin zu Straßenhunden, wie du schreibst, wohl nicht so der Fall ist.
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In der Hundeszene ist es zumindest in Deutschland üblich, den Begriff Rudel für die Familiengruppe des Hundes zu verwenden, also einen oder mehre Menschen und einen oder mehrere Hunde, die ständig zusammenleben und individuelle soziale Beziehungen zueinander haben.
Das ist richtig, allgemein und im alltäglichen Leben, hat sich der unspezifische Begriff des Rudels schon sehr lange eingebürgert, das wird sich wahrscheinlich auch so schnell nicht ändern.
Aber es schadet nicht, zu wissen, was man unter einem Rudel in der Verhaltensbiologie versteht.
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Das eine ist natürlich nicht falscher als das andere, falsch wird es nur, wenn man diese beiden Arten von "Rudel" vermischt und behauptet, weil Wolfsrudel SO funktionieren muss das im Mensch-Hund "Rudel" auch SO sein. Und wenn die Erkenntnis über Wölfe dann noch aus Gefangenschaftsbeobachtungen kommt, wird es kritisch.
Viele Grüße von Menke
Die Frage des Themenstellers war, „sind Hunde Rudeltiere“?
Da es hier offensichtlich im Sinne von Wolfsrudel gemeint war, ist klar das, dem nicht so ist, denn Hunde können vieles, aber echte Rudel nicht mehr wirklich.
Was bei unseren Haushunden im Vordergrund steht, ist, wofür sie gezüchtet wurden und werden.
Das zeigt uns auf, wie variantenreich und anpassungsfähig das Genom der Haushunde ist.
Beobachtungen an Wölfen in Gefangenschaft selbst, finde ich nicht so kritisch, denn Wölfe verhalten sich auch dort wie Wölfe.
Bedenklich finde ich aber, wenn man diese Ergebnisse heute noch, 1 zu 1 auf Populationen von wildlebenden Wölfen übertragen würde.
Außerdem macht es wenig Sinn, Wölfe in Gefangenschaft zu halten und ist eher tierschutzrelevant.
Was wir nicht vergessen sollten, ist Folgendes, Hunde bilden mit Sicherheit keine echten Rudel mehr, aber was sie nicht abgelegt haben, so weit sie nicht durch Zucht zu stark verändert sind, ist eine gewisse sozial Toleranz, nicht nur dem Menschen, sondern auch anderen Lebewesen gegenüber.
Der Evolutionsforscher Mayr soll einmal geschrieben haben, man kann das Verhalten von Tieren nur verstehen, wenn man es im Lichte der Evolution betrachtet.
Was können wir daraus für unser Thema ableiten?
Wir versuchen immer wieder, das Rudelverhalten unserer Haushunde zu verstehen indem wir das Verhalten von Wölfen und/oder andere Kaniden versuchen zu verstehen und zu erklären.
Ich möchte deshalb noch mal einen ganz anderen Aspekt, auch hier in die Diskussion einbringen, den ich schon öfter, in anderen Foren zu diesem Rudelthema eingeführt hatte.
Das kann uns zudem helfen die Veränderung im Verhalten der Silberfüchse (Zahmheit und soziale Verträglichkeit), aber auch die unserer Haushunde auf dem Weg zur Domestikation erhellen.
Die Silberfüchse sind ursprünglich unverträgliche Einzelgänger (Solitär), Wölfe und somit der Hund ursprünglich Rudeltiere.
Welche besonderen Merkmale in der freien Natur kennen wir, die es möglich machen, das sich Artfremde-Tiere zusammenschließen?
Das ist einmal die Symbiose und zum anderen der Mutualismus.
Kennzeichen der Symbiose ist, wenn Artfremde-Tiere miteinander eine Verbindung eingehen, in der das eine Lebewesen nicht ohne das andere Lebewesen, also alleine überleben kann.
Dagegen ist der Mutualismus davon gekennzeichnet, dass Artfremde-Tiere, eine Art Zweckgemeinschaft eingehen, ohne dass sie sich zum Überleben brauchen.
Beispiel für Mutualismus auf die es mir ankommt:
Krokodile liegen oft an Land in der Sonne mit weit aufgesperrtem Maul, in dem sich die Madenhacker, an den Plagegeistern der Krokodile, den Parasiten gütlich tun.
Dafür werden sie von den Krokodilen nicht verspeist.
Nun könnte ich den Bogen zu den domestizierten Silberfüchsen schlagen und feststellen, dass ihr ursprüngliches Verhalten, der solitären Lebensform, durch die „künstliche Zuchtwahl“, diese Fähigkeit zum Mutualismus gefördert und hervorgeholt hat.
Das Merkmal des Mutualismus wäre somit der Förderer hin zu einem verträglicheren sozial Verhalten.
Nicht anders ist es doch mit unseren Haushunden, wenn wir dabei noch die unterschiedlichen Hypothesen, wie der Hund zum Menschen kam, mit einbeziehen.
Letztlich ist das Zusammenleben von Mensch und Hund auch von Mutualismus geprägt.
Und dieser Mutualismus die das Verhältnis von Mensch und Hund prägt, geht sogar noch weiter, denn er lässt sich auch auf andere Haus- (Tiere) übertragen, nehmen wir nur mal die Herdenschutzhunde. Die in Gemeinschaft mit dem Vieh des Menschen, das sie dadurch auch beschützen, leben.
So, ich habe erst einmal fertig. 
Beweise haben nicht wirklich die Aufgabe, jemanden davon zu überzeugen, dass etwas wahr ist. Sie dienen nur dazu, um zu zeigen, warum etwas wahr ist. (Andrew Gleason)