Immer noch zwiegespalten, aber ich versuchs mal - finde die Geschichte nämlich sehr interessant.
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Die Liste könnte man wohl endlos weiterführen, aber ich lasse das mal als Beispiele stehen.
Wo es Menschen gibt, wird es immer wieder Unzulänglichkeit geben - und keine Instanz, die zwischen Unzulänglichkeiten und angemessenem Verhalten entscheiden kann. In den gleichen Threads finde ich es oft schade, dass der Hund einfach nur funktionieren soll.
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Viele hier wollen dem Hund keine Schmerzen zufügen, kein Meideverhalten erzeugen, den Hund nur mit viel Liebe usw. erziehen.
Aber kommen nicht gerade dadurch erst so viele Probleme zustande.
Das die Hunde mehr als Kinderersatz gesehen werden?
Das die Hunde "geliebt" werden?
Das die Hunde betüddelt werden?
Das die Hunde nur noch "funktionieren" wenn sie ihr Leckerchen kriegen?
Mir fehlt bei dieser These der gemeinsame Konsens, das Bindungsglied.
Für mich ist es einfach richtig, meinen Hund möglichst nicht unter Druck zu setzen. Alles Andere wäre unecht, nicht ich. Mir ist kein Problem bekannt, welches uns daraus entstanden wäre. Aus einer möglichst druckfreien Erziehung entsteht nicht automatisch die Rückwärts-Implikation einer inkonsequenten Erziehung. Konsequenz unbedingt, Druck nur sehr bedingt.
In den genannten Parametern sehe ich keine Rückschlussmöglichkeit auf eine Erziehung mit oder ohne Meideverhalten. Wer seinen Hund mit Meideverhalten erzieht, sieht ihn möglicherweise als Kinderersatz. Wer seinen Hund ohne Meideverhalten erzieht, tut das möglicherweise nicht - und umgekehrt.
Hunde und Kinder nehmen in einer Familie ähnliche Rollen ein - das ist nun einmal so. In beiden Fällen handelt es sich um Schutzbefohlene, die (im Falle der Kinder für einen endlichen Zeitraum) nicht selbst für sich sorgen können - gesellschaftlich und / oder biologisch bedingt. Für mich impliziert das automatisch eine besondere Fürsorgepflicht. In allen anderen Belangen sind Hunde und Kinder kreuzverschieden, weshalb für mich auch ausschließlich die haarigen Vierbeiner in Frage kommen.
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Einige wundern sich, warum ihr Hund ihnen draußen oder auch drinnen auf der Nase rumtanzt.
Uh, da würde mich aber mal interessieren, ob das statistisch tatsächlich immer die vermenschlichten Hunde sind.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich gebe Dir durchaus Recht, dass man einen Hund auch in Liebe ersticken kann. Auch eine starke Vermenschlichung kann schließlich großen Druck bedeuten, keine Frage.
Ich glaube lediglich nicht, dass die o.g. Parameter eine Rückwärts-Implikation zutreffen bzw. eine Aussage über Glück oder Unglück des Hundes treffen können. Zustimmen würde ich, wenn man allgemeiner die These in den Raum stellen würde: Wären unsere Hunde nicht zufriedener, wenn wir einen natürlicheren Umgang mit ihnen finden würden. Hier würde man nämlich vermeintlich positive wie negative Ausreißer mit ausklammern.
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Wieso fällt es vielen so schwer, den Hund als das zu sehen, was er nun mal ist?
Ein Tier, ein ehemals wildes Tier, dass sich in unseren Lebensraum einfügen lernen muss.
Und das "muss" ist dabei ganz wichtig, denn ohne dies ist ein entspanntes Zusammenleben nicht möglich.
Da gebe ich Dir völlig Recht.
Der Hund ist aber auch ein Lebewesen - er fühlt, denkt und lebt. In seiner Eigenschaft als fühlendes Lebewesen hat er einen Wert - und diese Wertigkeit impliziert für mich Rechte. Ein Hund hat das Recht entsprechend seiner Bedürfnisse gehalten zu werden, soweit das möglich ist - das sagt Du mit Deiner Aussage ja auch. Ein Hund hat für mich aber auch das Recht auf Befindlichkeiten, Bedürfnissen, Macken und den Willen zur Selbstbestimmung. Da ich die Selbstbestimmung nur in extrem kleinen Dosierungen zulassen kann (gesellschaftliche Beschränkung des Lebensumfeldes) möchte ich ihm das zumindest im Kleinen - zu Hause - erlauben.
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Da wird eine Ewigkeit rumgedoktert, wobei der Hund sich immer mehr verselbstständigt.
Ich finde nicht, dass man das in dieser Form pauschalisieren kann oder sollte.
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Da wird immer wieder auf die Vergangenheit hingewiesen, wie schlimm diese doch war, was das arme Tier alles erleiden musste und sich selbst ernähren musste.
Hier musste ich laut lachen, weil ich mir vorstellte, wie Herr Leon mit einem Standmixer durch Spaniens Straßen streift - wegen der Zähne, ihr wisst schon. Verzeiht diese kleine Albernheit am Rande ;-)
Die Vergangenheit eines Hundes ist in einigen Fällen ein maßgeblicher Bestandteil des Hundes. Wenn ich einen einfachen Sachverhalt aus unserem Leben beschreibe, ist es oftmals wichtig auch die Vorgeschichte zu erklären oder nochmals darauf hinzuweisen.
Ich sehe Herrn Leon nicht als armen Hund - ganz und gar nicht. Ich sehe ihn allerdings als eine Art geöffneten Karton, indem seine Vergangenheit immer liegen wird. Wann immer ich den Karton ansehe oder gar beurteile, muss ich alle Bestandteile - vergangene wie gegenwärtige - zur Kenntnis nehmen um ein tatsächliches Bild des Kartons zu erhalten.
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Was für einen "Problemhund" man doch aufgenommen hat, nach weiterem lesen kam der Hund mit ein paar Monaten ins Haus
Natürlich gibt es die Hunde, die wirklich eine schlimme Vergangenheit hatten.
Die durch Ängste extrem geprägt sind, die in Panik verfallen etc.
Aber mir geht es eher um die, wo die Probleme hausgemacht sind bzw. sein könnten.
Ja, hier sollte man sicherlich differenzieren können.
Mit der Vergangenheit der Hunde verhält es sich für mich äquivalent zur Vergangenheit von uns Menschen. Wer nicht zufälligerweise eine Zeitmaschine im Keller hat, muss lernen, sich mit der Vergangenheit zu arrangieren - es schadet nie, sich damit auseinanderzusetzen und zu reflektieren, wo und wie man geprägt wurde. Am Wichtigsten aber ist, die Gegenwart nicht aus den Augen zu verlieren - jetzt arbeiten wir daran das unsere Hunde - trotz und wegen ihrer Vergangenheit - ein stressfreies und normales Hundeleben führen können, soweit möglich.
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Wieso fällt es den Menschen noch immer so schwer, mal klare Ansagen zu verteilen, wenn was falsch ist?
Ich finde nicht, dass sich ein Umgang der auf möglichst wenig Druck basiert und klare Ansagen wiedersprechen - überhaupt nicht.
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Einige fragen sich, wieso "funktionieren" die Hunde von Obdachlosen oder Punkern so "prima"?
Ich finde das ist eine Pauschalisierung, die man so nicht treffen kann und sollte. Es gibt Hunde von Obdachenlosen, die haben es gut. Es gibt Hunde von Obdachlosen, die haben es nicht so gut - wie bei den Menschen mit festem Wohnsitz eben auch.
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Auf einem Seminar stelle die Referentin das mal klar dar. Die Hunde kriegen von Anfang an sehr klare Ansagen, was erlaubt ist und was nicht.
Und nur so funktioniert es eben auch, dass diese Hunde im größten Trubel in der Stadt ohne Leine laufen können und entspannt bleiben.
Es wird nicht an ihnen rumgetüddelt und es werden keine Leckerchen rein geschoben, sondern klare Grenzen gesetzt.
Mich würde der statistische Evidenz dieser Pauschalisierung interessieren.
Bibi, versteh mich nicht falsch, ich finde die Kernaussage nicht unrichtig. Probleme habe ich lediglich mit der Beweisführung - Menschen ohne festen Wohnsitz sind nicht das EL-DORADO für Hunde. Hunde werden auf der Straße ebenso mit Abhänigkeit, Alkoholismus und Gewalt konfrontiert - wie es eben auch bei Menschen mit festem Wohnsitz vorkommen kann.
Statistisch gesehen leben auf der Straße die gleichen Menschen wie in Häusern und sie sind genauso fähig und unfähig zur Erziehung ihrer Hunde, genauso hart und sanft.
Interpretiert man "Verwöhung" nicht mit einem Fixpunkt sondern relativ zum Lebensstandard des Halters, werden die glorifizierten Menschen-ohne-Wohnsitz-Halter auch zu ganz normalen Haltern: in Frankfurt kenne ich nicht wenige Menschen-ohne-Wohnsitz die ihrem Hund stets den Vorzug bei Speisen lassen. Eine Frau-ohne-Wohnsitz mit einem wundervollen Husky-Schäfimix beschenkte ich jeden Tag auf dem Arbeitsweg mit einem Frühstück - wenn sie am Abend davor kein Geld hatte, ging das Essen stets in den Hund.
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Wieso ist es den Leuten lieber, dass sie über Monate hinter ihrem Hund hergezogen werden, wenn ein kleiner Kniff in die Seite oder ein kurzer Ruck an der Leine dem Hund klar macht, hey so nicht.
In meinem Fall: weil es für mich einfach falsch ist, meinen Hund wegen Banalitäten in die Seite zu kneifen. Anders würde es sich verhalten, wenn er gerade Herrchen frisst.
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Ich spreche nicht von Schmerzen zufügen, sondern von klaren Grenzen, so ja und so nicht.
In meinem Fall: ich finde klare Grenzen gut aber völlig unabhängig von der ausführenden Methode. Kniffe oder Leinrucke sind nicht klarer als ein geflüstertes Abbruchkommando - nicht die Handlung macht eine Grenze deutlich sondern der damit verbundene Lerneffekt, der durch Timing und Konsequenz beeinflusst wird.
Ich leg jetzt meine Hände in Warmwasser, ich glaube die sind tot
Tippkrampf.