Beiträge von Cuvac

    Ui, hier geht's ja heiss her... Sorry, aber ich muss jetzt einfach meine Gedanken dazu auch noch los werden (ohne jetzt alle Beiträge gelesen zu haben...)


    Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin absolut der Überzeugung, dass kein Verhalten eines Lebewesens eine derart brutale Behandlung durch die Hand der vermeintlich intelligenteren Spezies Mensch rechtfertigt.


    Dieses kurze Video und die Stellungnahme sagen schon so einiges über die Arbeitsweise dieser HS aus und stellt sie für mich in allen Belangen weit ins Abseitz. Schon alleine die Tatsache, dass dies zu demonstrativen Zwecken für zukünftige „Hundetrainer“ so gestellt wurde, kann ich nicht nachvollziehen. Der „Schüler“ im Video, der den Hund hält, hat noch nicht einmal das Timing zwischen dem Kommando „Sitz“ und dem Leinenzupfer im Griff. Wenn schon diese einfache Übung über positive Strafe funktionnieren soll, dann wäre es schon nur fair, dem Hund wehnigstens die Chance zu geben, auf das Wortkommando zu reagieren. Und sojemand soll ein massives Problemverhalten „korrigieren“? Wurde da in die Runde gefragt „wer hat noch nie, wer will das mal ausprobieren?“. Auch andere Dinge sind alles andere als Optimal: Hundegebell im Hintergrund, Gelächter, Hundeplatz (Übungsplatz), Schaulustige (Schüler), Würgehalsband, Leinengezerre, Herumgeschubse. Zudem ist sich der Hund nicht einmal an den Maulkorb gewöhnt und versucht ihn an der Halterin abzustreifen. Und der Napf? Hat man sich das Ganze so kurzfristig einfallen lassen, dass man sich nichtmal einen ordentlichen Knüppel organisieren konnte?


    Auch wenn ich mit so einem Hund sicher nie so arbeiten würde, wäre ich die Sache ganz anders angegangen. Positive Strafe kann sehr effektiv sein, das ist so. Es kann aber auch unheimlich in die Hose gehen. Um das zu vermeiden, müssen möglichst alle Fehlerquellen elliminert werden. Heisst: man schaft sich die Umgebung so, dass möglichst keine Fehlverknüpfungen entstehen können. Man macht sich Gedanken über die Art und Weise und mit was. Man muss den Hund sehr gut kennen, muss wissen womit man ihn bestraffen kann, was er schon als Bestraffung kennt. Wann reagiert er in welcher Situation wie heftig. Was sind die Auslöser. Jeder Beteiligte muss ganz genau wissen was er wieso wann tut. Timing ist das A und O. Wie verhält man sich nach der Strafe? Der Hund muss ausreichend gesichert sein, darf unter keinen Umständen irgendwie zum „Erfolg“ kommen. Man muss abschätzen können, wie stark die Strafe sein muss um das Verhalten des Hundes zuverlässig zu unterbrechen, ohne dem Hund gleichzeitig einen Schaden zuzufügen. Das ist unglaublich schwierig. Man macht sowas nie und nimmer zu „Vorführzwecken“, und stellt den Film dann auch ganz sicher nicht bei Youtube rein. Alles Andere ist sehr unseriös und einfach nur dämlich.
    Unsachgemässe Anwendung poitiver Strafe kann ernsthafte Folgen haben. Der Hund kann entweder zur tickenden Zeitbombe werden oder auch in die „erlernte Hilflosigkeit“ fallen. Gerade letzteres ist äusserst schlimm für den Hund, der dann einfach nur noch „funktionniert“ und vor sich hin lebt. Da wäre der Tod würdevoller.


    Wenn nicht so, wie dann? Ich arbeite mit solchen Hunden über positive Verstärkung. Ich möchte, dass der Hund lernt, was er anstelle des vom Menschen unerwünschten Verhaltens machen soll. Zudem arbeite ich an der Emotion – schliesslich haben wir es hier mit emotionalen, denkenden, fühlenden Lebewesen zu tun.


    Als allererstes werden Managementmassnahmen eingeführt. Maulkorbgewöhnung, Sicherung über gute Hilfsmittel. Der Mesnch muss am Anfang der Problemsituation ausweichen können, gegebenenfalls auch mal „nein“ sagen können, wenn beispielsweise ein Mensch sich zu direkt und schnell annähert, dass der Hund auslösen müsste. Gleichzeitig wird jeder Hund gesundheitlich abgeklärt. Schmerzen oder eine SDU sind häufige auslöser für aggressives Verhalten. Dann muss der HH einiges über das Lernverhalten seines Hundes lernen. Einige HH müssen auch noch einiges über ihren eigenen Hund lernen: womit kann man ihn motivieren, was sind Stressauslöser, wann fühlt er sich wie, wie zeigt Hund mir, dass es ihm gerade nicht gut geht,...
    Grundgehorsam muss meist noch etwas gefestigt und generalisiert werden, damit er auch in schwierigen Situationen stressfrei für alle Beteiligten abrufbar ist. Natürlich positiv aufgebaut, damit hier nicht schon wieder schlechte Emotionen geschürt werden und auch eine Zuverlässigkeit gewährleistet werden kann. Dann kommen neue Kommandos wie ein Aufmerksamkeitssignal und ein Geschirrgriff dazu, um den Hund umlenken oder aus der Situation nehmen zu können. Bietet sich ein Alternativverhalten an? Das alles wird (beinahe) bis zur Perfektion in allen möglichen Situationen geübt, gefestigt und generalisiert.
    Offene Fragen müssen beantwortet und unter Umständen so einiges geändert werden: Wie wird der Hund gehalten? Werden seine Bedürfnisse berücksichtigt? Wie wird er körperlich und geistig ausgelastet? Womit wird er gefüttert?
    Dann geht es auch darum, dass Hund und Halter wieder Spass aneinander bekommen. Was passt? Wie können sie zu einem Team werden, das sich vertraut und sich aufeinander verlassen kann? Mantrailing, Dogdance, Trickdogging, Trüffelsuche, wasauchimmer... Erfolgserlebnisse sind wichtig!
    Direkt an der Problemsituation wird selbstverständlich auch gearbeitet. Am einfachsten zuerst mit einer simplen Gegenkonditionierung nach Lehrbuch. Dann wir auch desensibilisiert. Idealerweise immer so, dass der Hund das Fehlverhalten nicht mehr üben kann. Heisst: der Hund wird so nahe an den Auslöser herangeführt, dass er entweder noch selbst eine erwünschte Verhaltensweise zeigen kann (sich selbst herausnehmen oder ruhiges Verhalten), oder er zumindest vom Halter auf eine positive Weise aus der Situation genommen werden kann. Hund soll lernen, dass sich Eigeninitiative die meinen (HH) Vorstellungen entspricht, sich lohnt und ich eine „weise“ „Führungspersönlichkeit“ bin, die die Situation, die für den Hund schwierig ist, souverän lösen kann.
    Dadurch ändere ich die Emotion, die dem Fehlverhalten zugrunde liegt. Der Hund verliert dann beispielsweise seine Angst vor anderen Hunden, lernt gleichzeitig sich an seinem HH zu orientieren, wenn es mal irgendwie schwierig wird für ihn. Der gegenseitige Respekt wird vertieft und eine Vertrauensbasis geschaffen.


    Solch ein Training dauert lange, nicht selten lebenslänglich (garantiert länger als 3 Minuten). Hund und Halter haben die Chance, unheimlich viel voneinander zu lernen – von einer eventuellen Master-Slave-Beziehung zu einem Team zu wachsen. Und was gibt es schöneres?


    Liebi Grüesslis
    Cuvac

    Hallo delCactus,


    Freut mich, dass Du meinen schon fast unverschähmt langen Beitrag gelesen hast! Ich kann mich schlecht kurzfassen... :lol:


    Du könntest auch ein "cool down" Kommando aufbauen. Dies könnte Dir unter Umständen noch hilfreich sein. Es ist auch nicht so schwierig, für den Hund zu lernen, braucht aber sehr viel Zeit und viele Wiederholungen, bis es auch auf der Strasse unter Ablenkung funktioniert. Das baust Du so auf, dass Du, wenn Du mit dem Kleinen am schmusen bist und er sich vollkommen entspannt, immer die Gleiche Stelle an seinem Körper berührst (lege ihm beispielsweise die flache Hand auf die Brust) und dabei ein Wort sagst, ganz ruhig und gelassen (Bsp. easy). Trick dabei ist, dass der Hund das Wort und die Berührung mit der Entspannung verknüpft, so dass irgendwann das Wort und die Berührung die Entspannung auslösen. Man redet bei diesem Vorgang von klassischer Konditionierung (nach Pavlow). So kann man einen Hund von 150 auf 100 runter bringen (oder sogar noch mehr). Das schöne an dieser Übung finde ich, dass sie auch mir gut tut. Sie ist auch gut für den Bindungsaufbau.


    Wichtig ist noch, dass Du selbst ruhig und souverän bleibst. Sei ein gutes Beispiel für Deinen Hund. Sei also auch wenn immer möglich freundlich zu den Leuten. Übernehme Du die Verantwortung für Deinen Hund. Wenn es zu einer zu extremen Situation kommen sollte, nimm ihn aus dieser heraus, hilf ihm. Lieber mit Guddi vor der Nase, als am Halsband wegziehen. Mach Dich für Deinen Hund interessant! Du sollst ja schliesslich auch die Hauptperson in seinem Leben sein, nicht die Fremden auf der Strasse. Du kannst ihn auch körperlich schützen, indem Du Dich vor ihn hin stellst (da wäre ein "Sitz, warten" hilfreich). Lerne Deinen Hund zu lesen und richtig einzuschätzen.


    Und noch was sehr wichtiges: vertraue Deinem Bauchgefühl! Meistens liegen wir Menschen damit gar nicht mal falsch. Hast Du ein schlechtes Gefühl, wird sich das sowieso auf Deinen Hund übertragen.


    Übrigens: es ist noch kein perfekter Hundehalter vom Himmel gefallen. Jedem passieren immer mal wieder Fehler, und beim nächsten Hund wollen sowieso alle immer alles ganz anders machen (oder alles gleich, was dann aber auch nicht funktionniert :p )


    Du scheinst ja zum Hund gekommen zu sein, wie Maria zum Kind. Hut ab, dass Du dich so engagierst! Es gibt leider viel zu viele Menschen, denen das Schicksal Deines Kleinen vollkommen egal gewesen wäre...


    Gruss - Cuvac


    @ Milana
    Sorry, ich komme leider nicht mehr dazu, Deinen Fred ganz durch zu gehen (Ferien :D ), hab aber schon mal Deinen ersten Beitrag gelesen. Vielleicht wäre diese "konditionierte Entspannung" wie oben beschrieben etwas für Euch? Keine Ahnung, ob Dir schon jemand den Tip gegeben hat. Man kann es auch mit einem speziellen Duft machen: ein Tuch mit (seehhr wenig) Lavendel Duft immer dann neben den Hund legen, wenn er sich entspannt. Anfangs nur dann! Dabei wird Dein Hund den Duft von Lavendel mit Entspannung verknüpfen. Später wird der Duft die Entspannung auslösen. Da könnte man dem Hund auch ein Tuch um den Hals binden, zum Beispiel... Aber zuerst muss er es verknüpfen.


    Gruss - Cuvac

    Hallo zusammen,


    Nein, Labbi habe ich selbst keinen. Ich habe aber dieses Verhalten bei Labbis und Goldies sehr häufig beobachtet. Und gerade bei diesen typisch "Menschen- und Kinderfreundlichen" Hunden wird dieses Verhalten oft falsch eingeschäzt. Viele dieser Hunde kriechen dabei fast auf dem Boden. Alle vier Gliedmassen sind dabei eingecknickt und die Rute zeigt eine ganz schnelle, tiefe, im Winkel sehr enge Wedelbewegung. Natürlich kann jeder Hund fiddle about zeigen. Es sieht auch nicht bei allen gleich aus. Nur ist es so, dass man beispielsweise einen erwachsenen DSchäfer nicht jede Person aufdringlich begrüssen lässt, weil er eben nicht das Gleiche image hat. Daher muss dieser DS so ein Verhalten weniger häufig zeigen, weil er von seinem Menschen seltener in diese Situation gebracht wird.


    Dir, delCactus, würde ich raten, gezielt mit Deinem Hund an den Situationen zu arbeiten. Das geht am Einfachsten, wenn Du für Euch Übungssituationen gezielt stellst. D.h., Du nimmst Dir eine Person aus Deinem Bekanntenkreis, bei der Dein Hund das Verhalten zeigt. Besser wäre es, falls vorhanden, wenn Du zu Beginn eine Person für die Übung nimmst, bei der Dein Kleiner das Verhalten nicht zu extrem zeigt. Dann hast Du die Möglichkeit, eine Steigerung ins Training zu bringen, indem Du später "schwierigere" Personen nimmst. Die Aufgabe der Personen ist dabei ganz einfach: Deinen Hund ignorieren (auch nicht anschauen, und auch kein Guddi geben). Du gehst dann mit Deinem Hund auf die Distanz zu der Person, in der er noch nicht zu der Person hinzieht. Hund soll die Person aber bewusst wahrnehmen (also nicht ablenken wie doof). Da belohnst Du ihn für sein korrektes Verhalten. Ich würde ruhig, und mit Guddis belohnen (den Hund nicht aufpauschen, d.h. seine Erregungslage tief halten.) Du kannst Dich auch mal auf eine Parkbank setzen, und einfach mit ihm zusammen Leute beobachten. So lange er sich ruhig verhält, fütterst Du ihn mit was leckerem. Sobald er anfängt doof zu tun, stellst Du die Belohnung ein. Ein schlaues Kerlchen merkt schnell, dass es beim Besitzer viel spannender und stressfreier ist. Und schliesslich soll ja auch der Besitzer das Ein und Alles für den Hund sein! Du kannst auch gut eine Mahlzeit so verfüttern.


    Im Alltag ist das schwer umzusetzen, klar. Daher wäre es gut, wenn Du vorerst auf der Strasse den aufdringlichen Leuten aus dem Weg gehen würdest. Einfacher gesagt, als getan... schon klar :roll:


    Die Gefahr dabei besteht, dass Dein Hund auf alles Mögliche sensibilisiert wird (d.h. dieses "alles Mögliche" gewinnt plötzlich an Bedeutung, da Du ja diesen Dingen spezielle Bedeutung beimisst. Daher den Hund nicht auf die Leute/Autos/Fahrräder/... aufmerksam machen). Daher würde ich Dir raten, immer wieder, in allen möglichen Situationen ruhiges Verhalten zu bestätigen. Auch zu Hause. Da kann die Bestätigung auch aus Sozielkontakt zu Dir bestehen.


    Das mit dem wegziehen von anderen Leuten ist immer so ne Sache: an der Leine ziehen ist eigentlich immer mit einem unangenehmen Gefühl oder gar Schmerzen verbunden. Die Gefahr besteht, dass Dein Hund dieses Gefühl mit den fremden Menschen verknüpft = fremde Menschen sind doof.


    Zudem würde ich speziell die Begrüssung von anderen Menschen unter Kommando setzen. Er soll ja nicht einfach von allen Menschen isoliert werden - das soll und kann nicht das Ziel sein. Dennoch sollten auch gewollte Kontakte unter Deiner Kontrolle stehen (auch dem entsprechenden Menschen mitteilen, er solle Deinen Hund ruhig begrüssen, wegen der Erregungslage die tief gehalten werden sollte). Da wäre auch ein kurzer Blickkontakt zu Dir angebracht, so dass Dich Dein Hund sozusagen zuerst um Erlaubnis fragt, ob er denn darf. Und Du gibst ihn daraufhin auf Kommando frei, wenn Du das willst. Das ist aber alles erst in einem späteren Schritt ratsam. Dein Kleiner sollte nicht mit dem Training überfordert werden.


    Wie schon erwähnt, Ferndiagnosen sind extrem schwierig. Ich würde Dir auch keine Tips übers INet geben, wenn ich nicht selbst wüsste, wie schwierig es ist in Spanien einen guten Hundetrainer zu finden. Ich glaube aber auch, dass Du, wenn Du auf Nummer Vorsicht setzt, nicht viel schief gehen kann. Bedenke: Dein noch kleiner wird bald mal sehr viel grösser. Genau die Menschen, die sein Verhalten jetzt noch niedlich finden, werden bald einmal nicht mehr so erfreut darüber sein. Und: was Grosser nicht darf, darf Kleiner auch nicht!


    Wenn Du noch Fragen hast, nur her damit! Ich werde allerdings die nächsten Tage nicht sehr oft Online sein (Ferien :D )


    Das sind nur so ein paar, hoffentlich verständlich ausgedrückte Anregungen von mir... Viele Wege führen bekanntlich nach Rom, aber so würde ich das machen... Und so habe ich es auch schon gemacht.


    Gruss - Cuvac

    Hallo DelCactus


    Es ist natürlich sehr schwer, eine Ferndiagnose zu stellen, aber für mich hört sich das sehr stark nach "Fiddle about" an. Um das zu erklären, muss ich ein bisschen ausholen:


    Wenn ein Hund Stress/ein Problem mit etwas/einer Situation hat, zeigt er eine von vier möglichen Dingen. Diese Dinge können auch aufeinander folgen. Freeze, flight, fight, flirt/fiddle about - die 4F's. Kampf oder Flucht sind selbsterklärend, Hund wählt die Strategie zum Kampf oder die Flucht. Bei Freeze bleibt der Hund wie angefroren stehen, ohne sich zu bewegen. Aus dem freeze wird meistens ein fight oder flight.


    Beim fiddle about (oder auch flirt genannt), zeigt der Hund ein völlig übertriebenes "Spielverhalten". Der Hund versucht seine Unsicherheit/Angst/Stress zu überspielen. Machen wir Menschen ja auch manchmal. Wenn wir ausserordentlich unter Stress stehen, kommt auch uns ab und zu ein absolut unangebrachter und unkomischer Witz über die Lippen, oder wir spielen den Pausenclown. Der Hund wuselt wie doof herum, springt hoch, legt sich auf den Rücken, wedelt mit dem ganzen Körper,... Natürlich gibt es auch Hunde, die immer irgendwie so drauf sind, und die kein Problem mit der jeweiligen Situation haben. Aber diese Hunde sind auch ihrer Bezugsperson gegenüber eher vom aufdringlichen/unruhigen Typ.


    So, wie Du das beschreibst, würde ich das Verhalten Deines Hundes nicht als gut oder wünschenswert bezeichnen. Auch seine Vorgeschichte könnte mir mit der Vermutung Recht geben, dass Dein Hund wohl eher ein bisschen ein Problem hat mit fremden Menschen. Das kommt leider sehr häufig vor, dass das Verhalten solcher Hunde falsch interpretiert wird. Häufiges Beispiel sind die "ach sooooo freundlichen" Labbis... Die Hunde sind aber, wenn sie fiddle about zeigen, total mit der Situation überfordert, und würden sich am liebsten in Luft auflösen. Diese Hunde tun mir besonders leid, da ihre Gefühlswelt völlig fehlinterpretiert wird, und dadurch immer wieder in diese Situationen gebracht werden. Würde dieser Hund in dieser Situation fight wählen, wäre es für alle offensichtlich, dass es dem Hund nicht gut geht. Und das Traurige dabei ist, dass es dem Hund der "nur" fiddle about zeigt, nicht besser gehen muss, als dem, der als Strategie fight wählt. Je nach Hund, ganz im Gegenteil.


    So, viel geschrieben... Hoffe, dass es so zu lesen ist, wie ich es meine. Und ich meine nicht, dass Dein Hund ein Problem haben muss, aber ich möchte Dir ans Herz legen, vielleicht mal darüber nachzudenken. Irgendwie scheinst Du ja auch ein komisches Gefühl dabei zu haben, sonst würdest Du Dich nicht darüber informieren...


    Gruss - Cuvac

    Hallo Maja summ,


    Ich würde Dir, ohne Tierärztin oder so zu sein, von der Spritze (3 -4 Wochen) abraten. Meine Tierärztin hat es jedenfalls getan. Sie hatte die Spritze mehrmals angewandt, und dabei mehrheitlich schlecht Erfahrungen gemacht. Zum Einen wirkt die Spritze sehr unzuverlässig. Bei manchen Rüden bemerkt man gar keine Veränderung, und auch die Wirkung (wenn sie denn wirkt) kann nur ein paar Tage andauern. Das ist bei jedem Rüden sehr unterschiedlich. Zudem hatte meine Tierärztin einmal einen Fall, bei dem der Rüde gleich nach der Applikation einen anaphylaktischen Schock hatte, und um ein Haar daran gestorben wäre. Ausserdem ist nachgewiesen, dass die Anwendung der Spritze als Spätfolge ein erhöhtes Risiko an Hodenkrebs zu erkranken nach sich zieht. Ich würde Dir also definitiv davon abraten! Ich hatte mich unter anderem aus diesen Gründen für den Chip entschieden... Dir würde ich raten, die erste Läufigkeit Deiner Hündin durch Management zu überstehen... Da muss man durch, wenn die Konstellation so gegeben ist wie bei Dir.... Ausserdem ist Dein Rüde gerade im besten Alter, und ich glaube nicht, dass gerade jetzt ein Auf und Ab des sowieso schon gestressten Hormonhaushalts ratsam wäre.


    Von wegen negative Folgen der Kastration: Mein Rüde ist wohl leider so ein Exemplar. Er ist viel unsicherer geworden - oder eventuell zeigt er seine Unsicherheit einfach deutlicher als zuvor... schwierig zu beurteilen. Mein Rüde ignoriert jetzt ehemalige Spielgefährten (kastrierte Rüden und Hündinnen), und zeigt Macho- und Angstaggressionsverhalten gegenüber unkastrierten Rüden. Auch ist er viel schreckhafter geworden, und nimmt zuvor Gelassenes jetzt deutlich gestresster. Einzig positiver Punkt: er ist deutlich verfressener, und kann besser über Futter motiviert/trainiert/abgekenkt werden. Da er aber bei übermässigem Stress auch jetzt nichts mehr frisst, und er leichter gestresst ist, hebt sich dieser Vorteil beinahe auf. Wir sind ein Beispiel dafür, dass eine Kastration eben wirklich keine Erziehungsmassnahme ist.


    Wir sind im Moment an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Ich sehe momentan keine Fortschritte mehr in unserem Training, und hätte ehrlich gesagt mehr vom Chip (oder einer Kastration) erwartet. Ich weiss genau, was Finnrotti mit dem Schlag ins Gesicht meint... leider.... Und trotzdem werde ich den Chip nochmals implantieren lassen. Vielleicht braucht mein Hund einfach mehr Zeit als andere... Keine Ahnung...


    Liebe Grüsse - Cuvac

    Hallo zusammen!


    Vielen Dank für die Komplimente! Da werd ich ja glatt rot... Hab zugegebenermassen recht lange gebraucht, um den Text zu schreiben und dann auch noch zu kürzen (original wars noch länger!!!) :hüstel: :???:


    So, wünsche Euch ein schönes Wochenende! Ich hab morgen frei, und werde mit meinem Hund mal wieder eine schöne lange Fährte machen :freu:... Für uns eine geniale Beschäftigung...


    Es Grüsst - Cuvac

    So, ich muss jetzt auch noch 2, 3 persönliche Gedanken loswerden. Diese Themen sind überaus interessant. Schade nur, dass der Auslöser seine überaus negative Einstellung im Fernsehen der breiten Öffentlichkeit als das einzig Wahre verkaufen wollte. Und dabei wollte HW auf keinen Fall missverstanden werden, daher auch die gebetsmühlenartige Widerholung der deutlichen Kernaussagen in der dritten Ausgabe in Folge. HW hat genau das rübergebracht, was ihre Meinung und Philosophie ist.


    Emotionen und Gefühle sind lebenswichtig. Was nicht fühlt, lebt nicht. Emotionen entstehen durch Kognition und physiologische Veränderung, wobei die Emotion wiederum auf beides Einfluss hat. Kognition ist eine Mischung aus Erinnerung, Konzentration, Motivation, Wahrnehmung, Denken und Lernen. Physiologische Veränderungen werden durch physikalische, biochemische und informationsverarbeitende Faktoren beeinflusst. Als Gefühl bezeichnet man das subjektiv euphorische oder dysphorische Erleben von Emotionen. Dazu zählen unter anderem: Freude, Lust, Liebe, Trauer, Ärger, Wut, Geborgenheit, Sympathie, Stolz, Neid, Angst, Verzweiflung. Aus einer Emotion ergibt sich eine Handlungsintention, welche sich auch in eine Affekthandlung steigern kann. Emotionen sind demnach ein Reaktionsmuster auf bedingte oder unbedingte Reize. Prototypische Emotionen (Furcht, Wut, Liebe), sind als unbedingte Reaktionen auf bestimmte unbedingte Reize angeboren. Alle anderen Emotionen, so nimmt man an, werden über klassische Konditionierung gelernt. Bedingt kognitiv ist Schmerz, der zu einer Handlungsintention oder Affekthandlung führen kann.


    Die physiologischen Veränderungen sind bei Hund und Mensch sehr ähnlich. Auch der Hund produziert und verarbeitet Hormone, gebraucht seine Sinne, und kann denken (ohne Denken, kein Lernen). Die kognitiven Fähigkeiten (Aufmerksamkeit, Glaube, Introspektion, Orientierung, Planung,…) des Hundes mögen sich zwar teilweise sehr von denen des Menschen unterscheiden, dennoch sind sie unbestreitbar vorhanden. Manche sind sicherlich sogar ausgeprägter beim Hund.


    Mit Vermenschlichung hat das Ganze übrigens überhaupt nichts zu tun. Anatomisch und biochemisch ist uns der Hund wohl näher, als uns lieb ist. Mit welchem Recht glaubt der Mensch, Dinge wie Freude empfinden zu können auf sich gepachtet zu haben? Ich finde diese Denkweise traurig und auch gefährlich. In vielen menschlichen Kulturen sind solche Gedanken, wie das der Hund keine Gefühle hat, immer noch so stark verankert, dass mit den Tieren umgegangen wird, wie mit Gegenständen (siehe Pelzproduzenten). Ich glaube, es zeugt von hoher Entwicklung einer Kultur, wenn diese Tiere als emotionale Lebewesen anerkennt und auch so mit ihnen umgeht.


    Was ist „Spiel“ eigentlich? Sei es nun ein Kind das mit seiner Puppe spielt, oder der erwachsene Mann beim Fussballspiel. Beim Menschen geht es auch immer um irgendetwas. Wieso darf es beim Hund nicht so sein? Spiel ist wichtig fürs Lernen. Überlebenswichtige Dinge wie Sozialkompetenz würde auch der Mensch nicht lernen, ohne Spiel. Natürlich sollte es dabei nicht ausarten, egal bei welcher Spezies.


    Der Wolf hat mit dem Hund etwa gleich viel gemein, wie die Karotte mit dem Apfel. Der Hund ist domestiziert. D.h. beim Hund handelt es sich nicht um einzelne gezähmte Individuen, sondern eine über Generationen und tausende von Jahren durch Zucht und Auslese gezielte genetische Veränderung einer Spezies. Dabei hat sich nicht nur das äusserliche Erscheinungsbild, sondern auch der Gehirnaufbau und dessen Volumen verändert. Der Kiefer hat sich angepasst, wie auch das Wesen und die soziale Bindungsfähigkeit zu Ausserartigen. Der Hund ist definitiv kein Raubtier.


    Mensch und Hund bilden kein Rudel. Abgesehen davon, dass Rudelbildung nie Artenübergreifend ist, ist nicht mal der Wolf ein ausschliessliches Rudeltier. Rudelbildung hängt von der sozialen Veranlagung ab, ist also nicht genetisch bedingt. Der Hund mag ja viel DNA mit dem Wolf gemein haben. Die menschliche DNA stimmt zu 30% mit der DNA von Schimmelpilz überein. Mag zwar so manchen nicht unbedingt wundern, wenn man gewisse Beiträge im Fernsehen sieht….


    Ich selbst habe nicht gerade einen einfachen Hund. Und dafür bin ich ihm in gewisser Weise sogar dankbar. Mein Hund ist das lebende Beispiel dafür, dass keine oder wenige gute Erfahrungen während der Prägephase besser gewesen wären, als viel zu viele und davon noch negative Erfahrungen. Junge Hunde werden heutzutage oftmals völlig überfordert. Weniger ist oft mehr. Dabei hat man ein Hundeleben lang Zeit, seinem Hund die Welt zu zeigen. Erst recht, da der Hund nur kontextbezogen lernt!


    Ich hoffe, dieser Beitrag ist intellektuell genug. Hab mir also echt Mühe gegeben, möglichst hochgestochen zu schreiben, damit es auch Jürgens Erwartungen entspricht… Diese Erkenntnisse sind übrigens wissenschaftlich fundiert. Alles steht in einigen Büchern, welche man allerdings auch nicht als DIE Wahrheit ansehen sollte. Neue Erkenntnisse gibt es immer wieder.


    Ich sehe HW als Marketing-Gäg. Mehr nicht. Weder deren Erkenntnisse, noch die angewendeten Methoden sind neu, wenn nicht sogar völlig veraltet. HW versucht unter Anwendung moderner Kommunikationsmittel auf subtile Weise, althergebrachtes als ihre Erfindung zu verkaufen – Ignoranz und Besserwisserei inklusive. Und dies leider mit Erfolg.


    Es Grüsst - Cuvac

    Nee. Das glaub ich jetzt aber nicht.... Hab gerade den Anfang des verlinkten Threads gelesen :erschreckt: Dass es heutzutage noch solche Sachen gibt....


    Jetzt mal ernsthaft. Meine Meinung: Wer sich 1 Tag lang mit einem Problem beschäftigen will, oder meinetwegen je nach Begabung 10 Tage an etwas arbeiten will, der soll sich eine IKEA Einbauküche kaufen!!! Macht nicht gerade DAS die Hundehaltung so unglaublich interessant und lohnenswert, dass es eben meistens etwas länger dauert, oft sogar ein Hundeleben lang immer wieder. Dass es eben KEINE Patenrezepte gibt, jeder Hund/Halter anders ist? Mich jedenfalls würde die Hundehaltung schon längst langweilen, wenn mein Hund alles mögliche nach nur einem Tag beherrschen würde! Ausserdem würde ich mir gar keinen Hund zulegen, wenn die Erziehung rein nur über Starkzwangmethoden funktionierte. Ist nicht gerade DAS das schöne, dass man mit einem Hund zusammenarbeiten, ein Team bilden, kann? Zusammen Fehler machen, gemeinsam nach einer Lösung suchen, auf einem Weg der für beide stimmt? Dazu kommt noch eine deftige Prise Informationen sammeln, sich mit Leuten austauschen, filtern, ausprobieren?


    Solch eine Methode, wie Massa sie beschrieben hat, geht ganz klar in Richtung Starkzwang und "alte Schule" - völlig unbeeindruckt von neuesten Erkenntnissen aus der Verhaltensforschung und Biologie, mit netten Worten verpackt. Aber nur, weil man mal einmal ein "Fein" von sich gibt, hat dies noch lange nichts mit gewaltfrei zu tun!


    "Präventivschlag" meinerseits, bevor es Kritiken und Mutmassungen hagelt: Nein, ich erziehe meine Hunde nicht nur mit Leckerchen und Samthandschuhen. Meine Hunde können sich aber auf mich verlassen. Wenn ich mal grob werde, hat dies triftige Gründe, wie beispielsweise die Gefährdung dritter. Wenn ich mal einen schlechten Tag habe, arbeite ich nicht mit meinem Hund an einem Problem / einem Aufbau, weil er nichts dafür kann, dass ich mich aufrege.


    Zitat Massa:
    Es gibt Menschen die können besser Kochen als andere.
    Es gibt Menschen die können besser Auto fahren.
    Es gibt Menschen die können besser mit Hunden umgehen.


    Und Massa: Zählst Du Dich selbst zu den Menschen, die besser mit Hunden umgehen können? Ich würds mal mit Kochen oder Auto fahren probieren, rein nach diesem einen Fred beurteilt. Denn mit "Umgang" haben solche Methoden nichts zu tun. Es ist keine Kunst, den Hund an seinem Bein hinter sich her zu schleifen - eine saubere Leinenführigkeit ohne solche Methoden mit Zeitaufwand hin zu kriegen aber schon.


    So, genügend Gefühlsduselei. Sorry, musste das einfach mal los werden. Auf Schnelllösungen und moralisch verwerfliche Ratschläge, verpackt in süss-saurer patentlösungs-Pampe reagiere ich allergisch. Lassen wir doch Hund Hund sein, und machen wir keine Maschine aus ihm, der funktionnieren muss. Wäre doch schade...


    Gruss - Cuvac