Vorab: ich will uns hier nun nicht als die perfekten Hundehalter darstellen. Das sind wir bestimmt nicht. Trotzdem bin ich oft einfach nur baff von dem, was ich so miterlebe. 
Dank meines Hundes lerne ich Leute kennen, die mir ohne sie nie aufgefallen wären. Menschenkenntnis wird erweitert, Kopfschütteln produziert, aber auch Freunde gefunden.
Wenn ich mit meiner Sienna rausgehe und meine Umwelt mal beobachte, besonders die hundegeprägte, denk ich mir, wir wären auf dem falschen Planten gelandet. Dem Planeten Zerr, oder Schrei oder vielleicht auch „Waldi, ich möchte, dass du bitte nache Mutti kommst. Komm, bitte!! *Hund anfleh*“.
Sienna, der ich gerade mit Konsequenz, Liebe, Geduld, gutem Zureden und Leckerlis verständlich mache, wie toll es ist, an meiner Seite zu sein und mich nicht durch fremde Vorgärten zu ziehen, muss sich ansehen wie ihre Sippschaft Dinge erlebt, für die ich als Hund meinen Haltern schon längst davon gerannt wäre.
Fall 1: Sido, krass-konkreter (evtl. Dobi-Mix)-Welpe (weil Status-Symbol WEISSU!) seeehr junger Eltern eines Sohnes wäre so ein Hund, der durchaus mal die Flucht ergreifen sollte. Es wird rauchend durch die Gegend schlawenzelt, Schirmmütze auf der Birne, vermutlich wegen drohenden Luftzugs – Junior hat Sido an der Leine, natürlich nur am Halsband. Sagen wir besser, Sido hat den circa Dreijährigen an der Leine. Mama und Papa, ich nenne sie jetzt mal Schmitzbackes, laufen rauchenderweise vor – Kommunikation mit Kind, Hund oder gar untereinander gleich null. Sido will auf die Straße laufen. Kind, natürlich völlig ratlos, schleift klein Sido hinter sich her. Was macht Mama Schmitzbackes? Richtig: einmal schön an der Leine rucken, dass der Welpe den Bordstein wieder Richtung Kind geflogen kommt. Ja, Frauchen kann sogar sprechen, oder halt - brüllen: "EY Sido komm hiaaaa!!!" Danach stures mechanisches Weiterlaufen ohne nach Junior oder dem neu erworbenen Statussymbol zu schauen.
Da frag ich mich: bin ich normal, dass ich mich die der Hundeanschaffung informiere? Lese, bis mir die Birne qualmt, das aber auch noch gerne tu?! Dass ich einem Welpen ein Geschirr anzöge? Dass ich niemals meinem Knirps eine Leine an die Hand gäbe, schon gar nicht, wenn ich nicht hinschaue? Und vor allem: wann sehe ich Familie Schmitzbackes wieder, wenn sie einen ausgewachsenen relativ großen Hund haben, der ihr Kind und sie selbst dann über die Straße ziehen wird und wann treffe ich sie mit hündischen Wirbelsäulenproblemen oder Kehlkopfschäden beim Tierarzt wieder? Geht Familie Schmitzbackes denn damit eigentlich zum Tierarzt?
Fall 2: älteres Ehepaar, grundsätzlich zu zweit unterwegs auf ihrem Gewaltmarsch um den Block (bei mir lediglich die Abendrunde und auch die manchmal schon mit schlechtem gewissen und dann erweitert). Anhängsel ist ein Cavalier King Charles, natürlich absolut übergewichtig, immer nur an der Leine. Ich glaube, er kennt nicht einmal das Gefühl, ausserhalb der Wohnung ohne Leine zu laufen. Als ich sie heute traf, meckerten die ehrenwerten Gesetzeshüter und guten Bürger der Stadt mal direkt die Besitzer des unangeleinten Boxers an, der gerade mit Sienna spielte. Völlig unvermittelt und in unser Gespräch motzend „Wir sind hier immer noch in XY und in dieser Stadt sind Hunde angeleint“. Erwidert wurde „wenn das andere Ende der Leine stimmt, muss man sich da keine Gedanken machen.“ Sehr produktiver Kommentar des Rentners war „Gucken sie sich doch mal an“. Er verstand gar nicht, worauf die Boxerbesitzerin hinaus wollte. Anleintechnisch hätte er prinzipiell gesetzlich recht, aber leint Ihr alle Eure gut abrufbaren Hunde in den Gebieten der Stadt an, wenn keine Straße in der Nähe ist? Könnte ich Sienna schon ableinen, täte ich das vermutlich nicht ewig. Zumal mein Hund dann bei seinem täglichen Auflauf wenigstens mehr als eine gerade herabhängende Leine als Bewegungsradius hätte.
Auch hier frag ich mich: Wieso pöbel ich nicht direkt unfreundlich mir völlig fremde Menschen an? Bin ich einfach zu höflich? Wieso darf sich mein Hund bewegen? Wieso ist mein Hund nicht dick und hat er es schlecht bei mir, weil er keine Reste vom Tisch und Schokolade bekommt? Wieso wissen viele Leute nicht, dass Hunde oftmals an der LEine einfach kratzbürstiger sind als ohne?
Der Boxer war übrigens ein Hund wie er sein sollte. Er hat gehört, er war offen, lieb, freundlich, kein Kläffer, bekommt jeden Tag seine 3 Stunden Auslauf und kommt in den Genuss von Pansen und gutem Futter. (Auch wenn das nicht die einzigen Kriterien für ein gutes Hundeleben sind und meine hier aufgeführten Fälle auch nicht gleich alle ein mieses Hundeleben führen!)
Fall 3: adipöses Frauchen (nein, ich hab nichts gegen beleibte Menschen, falls das hier so rüberkommt :D) mit noch adipöserem Beagle mit dem passenden Namen Snoopy. Auf Snoopy könnte man theoretisch ein Tablett auf dem Rücken abstellen. Kommentar der zugegebenermaßen sehr netten Besitzerin „och ihre ist aber dünn!!“ Ich finde auch, sie könnte etwas mehr haben, wir arbeiten auch daran, aber sie ist ja erst ne Woche hier und kommt aus Spanien, welches ja nicht zum Hundeschlaraffenland zählt.
Snoopy springt an meinem Freund hoch. Frauchen: „Snoopy, sollst du springen? Nein, sollst du nicht. Snoopy komm runter da“... Im gleichen Moment springt Sienna an der Dame hoch... ich zu Sienna: "Sienna, RUNTER!" Sienna geht sofort runter und da meint die Dame „och, bei mir darf man das, feiiiiiiin. Mich stört das springen nicht!!“
Auch hier frage ich mich:
Sollte ich mit Sienna öfter mal in ganzen Sätzen diskutieren? Bin ich zu konsequent? Wieso hört mein Hund nach „damals“ bereits 2 Tagen besser auf mich als Snoopy auf sein Frauchen? Wieso dürfen bei mir Hunde das nicht, was ihre Besitzer nicht wollen? Was bin ich nur für ein Unmensch!
Mein armer Hund, ausgegrenzt von der normalen Hundenorm. Vielleicht sogar belächelt, weil sie so ein Streber ist und keinen Strass trägt? Vielleicht aber auch von vielen Artgenossen beneidet, weil sie einfach Hund sein darf und sich einmatschen darf, nicht angebrüllt und über die Straße gezerrt wird?
Wir sind nicht perfekt, bei Weitem nicht. Aber wäre ich in vielen anderen Familien Hund, würde ich mir ein Bahnticket ziehen und auswandern.
Wer weiß, was Sienna alltäglich in der Hundezeitung auf der Wiese liest.
„Cavalier sucht Familie zum toben“? „HipHopper-Nachwuchs bitte in kinderlosen Nichtraucher-Haushalt!“? „Snoopy sucht Glasplatte für's Leben – ich will Couchtisch werden und habe Potential!“? „Suche Diätgruppe“? Man weiß es nicht und vielleicht ist es auch ganz gut so.
Frei nach Jürgen von der Lippe: "Also Loiiite gibbet, ne?!"
Nach einer Woche des Hundebesitzes fassungslose Grüße über das, was man in so einem kurzen Zeitraum für Menschen kennenlernt.
Danke Hund!
Etwas Provokation ist gewollt
Nehmt es mir nicht übel, aber ich finde so viel einfach so erschreckend, dass ich es hier mal eben geballt los werden musste. Jetzt geht es mir besser 
Kathi