Ich schiess jetzt mal weiterhin blind in's Blaue 
Ohne Euch persönlich kennenzulernen, könnten gewisse Ratschläge kontraproduktiv sein,
daher solltest Du alles hier kritisch anschauen und nur umsetzen, wenn's Dir logisch und gut erscheint.
Ich schrieb oben 'menschliche Sucht nach ständiger Interaktion', ich denke, das ist der Schlüssel.
Bei einem Kunden von mir ging das so weit, dass sie die Labrador-Hündin nicht mal mehr
schlafen liessen (tagsüber), sondern sie mit einem Spielzeug oder Streicheleinheiten weckten,
weil 'der Hund so traurig aussieht, wenn er liegt'...
Generell sollte Euer Umgang mit einem nervösen und unsicheren Hund fast schon übertrieben
ruhig sein (Stimme, Gestik). Wildes Spielen würd ich erst mal komplett lassen.
Und 'Kontakt herstellen' sollte viel weniger werden.
Versuch mal Euch beide zu beobachten, eine halbe Stunde lang, und zähl mal,
wie oft man den Hund in der Zeit anschaut, anspricht, anfasst.
Wenn Deine Zählung über zwei Mal geht, könnte das der Auslöser für den Dauerstress Eurer Hündin sein.
Der Hund lebt ja in der Welt einer Spezies, deren soziale Gewohnheiten und Regeln er nicht kennt,
die er aber als Welpe superschnell lernen muss, um grösseren Schaden und Konflikte zu vermeiden.
Zumindest ist der Canide so ausgerichtet: Konfliktvermeidung um jeden Preis.
Innerhalb eines Hunderudels ist das einfach, da der Welpe die 'Sprache' kennt.
Bei Menschen ist das anders, und der Welpe muss nun schnell eine Fremdsprache lernen.
Jetzt kommt's drauf an, was wir ihm dann so vorleben.
Wenn wir (ähnlich wie Hunde) die meiste Zeit einfach ruhig und entspannt sind,
durch die Wohnung laufen, ohne den Hund zu beachten, und unseren Dingen nachgehen,
dann wird Welpi schnell lernen, dass er gefahrlos stundenlang relaxed rumliegen kann
und viel schlafen, passiert ja nicht viel.
Und die Zeiten der Aktivitäten werden ruhig von uns initiiert und auch wieder beendet,
sie sind kurz, freundlich, und auf einige wenige am Tag begrenzt.
So, und jetzt sind wir mal ehrlich: wer kriegt das mit einer neuen Knutschkugel zuhause so hin?
Da wird doch ständig gestreichelt, im Vorbeigehen 'feiiiiiiner Hund' geflüstert, gespielt, etc. etc.
Und jedesmal wird Welpi aktiviert und denkt, da muss er jetzt drauf reagieren, sonst gibt's Ärger
(er weiss ja nicht, wie wir 'funktionieren' und dass er uns eigentlich auch ignorieren könnte).
Sowas wird schnell zu Stress für den Hund, der dann in Hinterherlaufen, Hosenbeine beissen,
Aufreiten, Bellen, Wohnung zerstören, usw ausgedrückt wird.
Worauf wir dann oft auch wieder falsch (mit noch mehr Aktivitäten für den 'unausgelasteten' Hund)
reagieren, und das Problem verschlimmert sich immer mehr.
Durch all diese Aktivitäten bindet man den Hund mit der Zeit so sehr an sich,
dass er am Ende nicht fähig ist, überhaupt noch alleine zu sein und sich dabei zu entspannen.
Ich denke, an dem Punkt seid Ihr jetzt.
Wie gesagt, ich vermute das nur.
Meine Lösung wäre also, bevor ich dem Hund beibringe, alleine zu sein,
ihm erst mal beizubringen, in Eurer Gegenwart stundenlang nur rumzuliegen und entspannt zu sein.
Wie? Interaktionen so runterfahren, dass sie praktisch nur noch auf dem Spaziergang existieren.
Hundi zuhause einen schönen Platz einrichten, wo sie mit einem Kong oder anderem Kauspielzeug
'geparkt' wird und Ihr 'lebt einfach so um sie rum', ohne sie zu beachten.
Hinterherlaufen würd ich ignorieren, aber Ihr müsst bei der Aktion entspannt bleiben.
Was auch helfen kann sind Yoga-Atmungsübungen auf dem Boden, wenn der Hund in der Nähe ist
(kein Scherz, das funktioniert sehr gut).
Ihr solltet Euer Zusammenleben wie eine WG sehen.
Da macht man ja auch die wenigste Zeit aktiv was miteinander.
So, und wenn sie dann nach einer Zeit gelernt hat, in Eurer Anwesenheit stundenlang
entspannt zu sein, erst dann würde ich anfangen, ihr Sekunden- und Minutenweise wieder das
alleine bleiben beizubringen.
LG
Chrissi