Hallo zusammen,
Ich frage mich, ob ein Forum der richtige Ort ist, um Frust loszuwerden und das auch als Neuling hier. Aber nach Monaten der erfolglosen Suche nach einem Welpen möchte ich meine Erfahrungen einfach teilen - vielleicht erkennt sich ja jemand wieder oder hat sogar eine Erklärung.
Wir suchen aktuell zum zweiten Mal nach einem Lagotto. Unser erster kam vor einigen Jahren von einer VDH-Züchterin: mit ehrlicher Kommunikation, Kennenlernen auf Augenhöhe und echtem Interesse auf beiden Seiten. Leider züchtet sie inzwischen nicht mehr. Auch unser Deutsch-Drahthaar, den mein Mann jagdlich führt, kam 2022 als Welpe zu uns. Die Zucht: professionell, offen, respektvoll. Für 1.200 Euro bekamen wir nicht nur einen gesunden Welpen, sondern auch ein Kennenlernen mit den Elterntieren, Einblick in Haltung und Aufzucht sowie klare Gespräche über Erwartungen und Eignung. Und genau das vermissen wir heute bei der Suche nach einem neuen Lagotto.
Unser jetziger Rüde arbeitet seit Jahren zuverlässig in der Rettungshundestaffel – bald geht er in Rente. Für uns ist klar: Der nächste Hund soll wieder ein gesunder, wesensfester, arbeitsfreudiger Partner werden. Kompakte Größe, hohe Arbeitsmotivation, und sehr viel Bezug zum Menschen. Kein "Projekt", kein Statussymbol, einfach ein echter Hund mit Aufgaben. Doch genau dazu scheint der Lagotto heute zu verkommen. Vom "quirligen Trüffelspezialisten" zur Allzweckwaffe: familienfreundlich, leichtführig, kinderlieb, genügsam, sensibel - aber natürlich auch voller Power und Arbeitswillen. Klingt perfekt, oder?
In sozialen Netzwerken und auf vielen Züchter-Webseiten sieht man vor allem Hochglanzfotos, große Versprechen und wenig Substanz. Der Charakter der Elterntiere? Kaum Infos. Dafür: "Schon mit vier Wochen haben die Welpen Kontakt mit Trüffeln" um den, Zitat eines VDH Züchters, "Trüffeltrieb" zu fördern. Die Triebtheorie ist veraltet, jetzt kommt der Trüffeltrieb?
Aber mal ehrlich: Jeder gesunde Hund kann Trüffelsuche lernen. Dass ein Welpe im zarten Alter an Trüffeln nuckelt, macht ihn nicht talentiert - im Gegenteil. Wer mit Jagdhunden arbeitet, weiß: Prägung bedeutet nicht, dem Hund früh das Zielobjekt zu geben. Kein verantwortungsvoller Züchter lässt Drahthaar-Welpen mit echtem Wild spielen. Denn: Der Hund soll anzeigen, nicht aufnehmen.
Dieses frühe "Spielen mit dem Zielobjekt" wirkt für mich zunehmend wie Marketing. "WasserPlus – jetzt mit noch mehr Feuchtigkeit." Oder: Ein Border-Collie-Wurf bekommt für einen Tag ein Schaf in den Garten als Vorbereitung auf die Hütearbeit. Kein Mensch würde das ernsthaft empfehlen. Aber beim Lagotto ist genau das plötzlich ein Qualitätsmerkmal?
Dazu kommt ein weiterer Trend, der mir (und übrigens auch anderen Lagotto-Haltern in meinem Umfeld) zunehmend aufstößt: Züchter inszenieren sich heute nicht nur als Experten, sondern als Lebensphilosophie. Wer dort einen Welpen möchte, muss offenbar nicht nur das passende Zuhause bieten, sondern auch die richtige Haltung zum Leben. Präsentation: professionell, elitär. Als würde hier der genetisch und emotional perfekt vorbereitete Lagotto geboren.
Was irritiert: Auch diese hochstilisierten Züchter – oft Mitglied im Rassezuchtverein (LRWD) – nehmen es mit Absprachen erstaunlich locker. Termine werden verschoben, Rückrufe versprochen und vergessen, Ankündigungen nicht eingehalten. Man fühlt sich als Interessent wie eine Nummer auf einer langen Liste. Austauschbar. Und vermutlich liegt es nicht an Zeitmangel – sondern daran, dass man sich’s leisten kann. Denn: Es gibt genug Interessenten, die ohne große Fragen einen Welpen wollen. Fachliche Gespräche, kritisches Nachfragen? Oft eher unerwünscht.
Diese Erfahrung haben wir mehrfach gemacht. Erst ein freundliches Gespräch, dann: "Melden Sie sich im Februar noch mal." Im Februar nachgefragt: "Unsere Tochter heiratet, wir melden uns danach." Danach? Funkstille. Nachhaken – höflich, sachlich – wird irgendwann unangenehm. Man fühlt sich wie ein Bittsteller, der sich fast entschuldigen muss. Und das bei Züchtern, die sich als besonders verantwortungsvoll und gewissenhaft präsentieren. Ein Besuch wird uns dann doch eingeräumt - eine Stunde. Die Interessenten vor uns haben einen Präsentkorb mitgebracht. Wir nicht. Wir dachten, dass sich das bei einem Wurfpreis von rund 25.000 Euro erledigt hätte. Offenbar ein Irrtum. Nach dem Besuch: wieder zwei Wochen Funkstille. "Wir melden uns!" blieb das letzte Lebenszeichen. Verlässliche Kommunikation? Leider oft Fehlanzeige.
Auch das Umfeld rund um den Lagotto hat sich verändert, besonders in sozialen Netzwerken. Dort herrscht stellenweise eine fast esoterisch-moralische Stimmung. Züchter werden öffentlich kritisiert, wenn sie eine Hündin nach zwei Würfen abgeben oder einen Jungrüden nicht zur Zucht behalten. Obwohl genau das doch verantwortungsvoll ist. Fachlich reflektierte Entscheidungen werden zunehmend als kalt oder gewinnorientiert gebrandmarkt. Diese Emotionalisierung tut dem Thema aus meiner Sicht nicht gut. Sie verdrängt Fachlichkeit und Zuchtethik zugunsten von Idealisierung und Empörungskultur.
Und das betrifft nicht nur den Lagotto. Auch bei anderen Gebrauchshunderassen wie Mali, Cattledog oder Vizsla sehe ich ähnliche Tendenzen. Rassen mit klarer Arbeitslinie werden plötzlich massentauglich vermarktet. Unser DD Züchter könnte seine Welpen für das Dreifache verkaufen. Anfragen gäbe es genug.
Der Wunsch nach dem "Besonderen" trifft auf Züchter, die das scheinbar als Chance sehen und irgendwo falsch abbiegen. Die Folge: Intransparente Wartelisten, steigende Preise, und Züchter, die nicht mehr kommunizieren müssen weil der nächste Interessent schon wartet. Manchmal frage ich mich, ob wir mit unseren klaren Vorstellungen (Rettungshundearbeit, Arbeitsmotivation, Gesundheit, Wesen) abschreckend wirken. Vielleicht ist es einfacher, Ersthundkäufer glücklich zu machen, die keine Fragen stellen und sich von schönen Bildern überzeugen lassen. Ich weiß es nicht. Aber oft fühlt es sich so an.
Dabei geht es uns gar nicht um eine Zusage um jeden Preis. Es geht um Klarheit, Ehrlichkeit und Respekt auf beiden Seiten. Was ist hier eigentlich passiert? Seit Corona hat sich die Hundewelt verändert. Hunde wurden zum Lifestyle - und mit ihnen auch die Zucht. Gerade beim Lagotto scheint sich die Arbeitslinie in Richtung Showhund mit Trüffelkulisse aufzulösen. Das ist nicht grundsätzlich schlecht - aber es passt eben nicht dazu, dass eine eierlegende Wollmilchsau gezüchtet wird. Und leider ist der offene Austausch darüber selten geworden.
Wir wünschen uns wieder einen Hund als echten Partner – nicht als Accessoire, nicht als Prestigeobjekt. Und wir wünschen uns Züchter, die das genauso sehen: offen, ehrlich, fachlich klar, interessiert an einem Austausch auf Augenhöhe. Wir wollen nicht betteln und hinterherlaufen, um gütig einen Welpen versprochen zu bekommen. Aber vielleicht gibt es sie ja auch noch – die Züchter, bei denen nicht nur der Auftritt stimmt, sondern auch die Haltung dahinter.
Wir geben die Suche nicht auf. Und freuen uns über Austausch mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder einen Tipp für eine verantwortungsvolle Lagotto-Zucht haben, bei der Wesen, Gesundheit und Arbeitsmotivation wirklich zählen.
Danke fürs Lesen!