Ui, der Thread schreit ja förmlich nach mir und meinem Brüllaffen.
Nach 1.5 Jahren mit einem Hund mit SEHR ausgeprägter Leinenaggression ab Welpenalter an hab ich (für mich) folgendes gelernt:
Ausweichen ist zunächst tatsächlich das A & O und glaube mir, es gibt (fast) immer einen Weg. Ich habe sowohl mitten in der Stadt gelebt als auch aufm Land (mit vieeelen rücksichtslosen Hundebesitzern vom "alten Schlag") und man entwickelt da tatsächlich so seine Strategien. Ja ich steh/stand oft kniehoch im Matsch, hab mich plötzlich mitten in nem Gebüsch wiedergefunden oder aber bin hinter dem nächsten parkenden Auto verschwunden. Wenn plötzlich jemand vor uns stand, dann halfen uns Tools (U-Turn) die ich bis dahin zum erbrechen und zunächst OHNE (man trainiert nicht IN sondern FÜR die Situation) Reize geübt habe. Und natürlich gab es (inzwischen extrem extrem seltene) Situation in welchen es hieß "Augen zu und durch" aber die sollten sich im Optimalfall einfach auf ein Minimum beschränkten.
Der Stress muss erstmal soweit runter beim Hund dass dieser überhaupt lernfähig ist.
Thema Leinenführigkeit: hab ich ewig belächelt... "jaja wenn der mal ohne Schreianfall an Hunden vorbeigehen kann DANN üben wir noch das ordentlich gehen". Meine Erfahrung: es ist genau umgekehrt, n Hund der die Leine kennengelernt hat als Signal "ich dödel da jetzt gelassen mit" kann das nach vielen vielen Minischritten immer weiter in die Reizsituation mitnehmen.
Und auch hier: Kleinschrittig und zunächst OHNE Reize üben. Sagt sich so einfach... ich weiß...
Und: solange die Leinenführigkeit in Situation X noch nicht funktioniert verlange ich sie schlicht einfach noch nicht (das mag widersprüchlich zum vorherigen punkt klingen aber ich hoffe man versteht wie ich es meine). Bspw social walk: die ersten minuten ist die Leine am Geschirr und sie kann sich kurz sammeln und nach 10 stressschüttlern und drei "ich muss diesen Hund da jetzt anbellen" gibt's dann das Halsband und ich fordere ordentliches laufen kompromisslos ein (das ist UNSER stand)
Generell: ich warte nicht bis mein Hund ausrastet um dann reinzukorrigieren, das hab ich monatelang probiert auch mittels Trainer es ist absolut nicht unser Weg (vielleicht bin ich auch zu doof zum korrigieren wer weiß). Der Hund sucht sich idR nicht aus zu pöbeln und befindet sich mitnichten im denkenden Modus. Da brauch ich zu ner blöden Situation nicht noch strafreize hinzuzufügen. Also: Abstand Abstand Abstand und DORT ansetzen wo es zwar schwierig ist für den hund aber machbar (ja das kann von Tag zu Tag unterschiedlich sein)
Und nein, niemand behauptet das wäre leicht
die ganzen tollen vorher nachher videos nach einer mini trainingsstunde auf social Media können einem dabei wirklich den Rest geben. (Nochmal: das ist UNSER Weg und MEINE Ansicht)
Ich habe zunächst schlicht über Gegenkonditionierung gearbeitet mithilfe von Clicker etc.
Natürlich gibt's noch viele weitere stellschrauben im Alltag keine Frage aber seit ich speziell in Begegnungssituationen belohnungsbasiert arbeite und mir nie zu fein fürs Ausweichen etc war hab ich in 3 Wochen mehr Fortschritte gemacht als in allen Monaten vorher.
Und ja... üben üben üben. Ich hab alles mitgenommen was geht, ebay Kleinanzeigen, dogorama, Leute angesprochen etc. Für GEZIELTES begegnungs- und lauftraining. Und ja da gab's am Ende nicht immer Zuckerwatte regenbogen und die Hunde laufen friedlich nebeneinander her ABER immer immer immer öfter.... und das ist so ein tolles Gefühl.
Ich kann dir sagen (versprechen leider nicht) es wird sich fügen und du wirst immer mehr Stellschrauben finden und Management fühlt sich immer weniger wie Management an und irgendwann kommt der Tag da läufst du an nem Hund vorbei als wäre nix und denkst dir "huch, wie das?!" Und beim nächsten ist der Arm wieder halb ausgekugelt
(Rückschritte sind normal)
Evtl haben dir meine Erfahrung diesbezüglich etwas geholfen :)
Noch kurz als Beispiel was so mini Änderung wie auch das mit der kurzen Leine etc für Auswirkungen haben (können).
Früher wenn meine Hündin nen Hund erblickt hab bin ich sofort in den Panik Modus verfallen, Leine kurz, vorsorglich hundert mal "äh äh" gesagt, geblockt etc. Ruby hat sich währenddessen die Augen fast rausfixiert und sich immer mehr aufgeplustert. Denkst du die hat gemerkt dass ich überhaupt da war? Dass ich ihr irgendwie hilfreich war bei der konfliktsituation? Null. Natürlich ist das eskaliert, Druck erzeugt gegendruck.
Meine Trainerin hat mir dann fürs aller erste die sehr sehr simple Anweisung gegeben: Ruby hat nen Hund gesehen? LOBEN. Gut zureden. Leine so lassen wie sie ist. Sei da für deinen Hund meinte sie schlicht.
Klingt total banal und man könnte meinen ich hätte so das Fixieren schon belohnt aber nein, zum Fixieren kam es so überhaupt nicht mehr. Rubys Körpersprache hat Bände gesprochen, sie wurde sofort weicher und lockerer und zusammen mit unserem restlichen Training kamen wir ab da aus nahezu jeder Begegnung ohne Auslöser raus. Ob mit riesigem Bogen oder U-Turn oder oder war dabei erstmal egal das wäre zu Beginn jedoch NIEMALS möglich gewesen.