sehr ängstlicher Hund gegenüber Fremden; Hilfe gesucht

  • Hallo an alle,

    ich (20 Jahre alt) hoffe irgendjemand hier kann mir helfen, denn ich habe jetzt seit Monaten ein ziemlich großes Problem mit meiner Hündin.

    Sie ist jetzt 14 Monate alt, kerngesund, die erste Hitze haben wir hinter uns und eine rein fünfrassige Mischung aus Schäferhund, Colli, Labrador, Riesenschnauzer und Rottweiler.
    Sie ist vom Wesen her eher ruhig, aber auch sehr verspielt mit fremden Hunden und sowieso mit den 2 anderen Hunden bei uns hier.

    Wir haben sie im Alter von 10/11 Wochen geholt. Seit dem wächst sie auf unserem Gestüt (Reiterhof (30 Pferde) mit täglich Reitschülern, Pensionern, vielen Freunden, Reiturlaubern,...) zusammen mit dem 5 Jahre alten Schäferhundrüden meiner Eltern und ihrer Vollschwester (aus dem gleichen Wurf), die der Familie gehört die mit auf dem Gestüt wohnt, auf. Sie ist nur Nachts im Haus bei meinem Freund und mir oben und tagsüber bei extrem schlechtem Wetter auch mal im Reiterstüble. Ansonsten sind sie immer draussen und dürfen sich auch allein (es ist immer jemand da) im Innenhof und im Garten hinterm Haus, Scheune etc. bewegen. Eigentlich beste Bedingungen.

    Sie ist total auf mich fixiert und folgt mir aufs Wort (momentan sind wir scheinbar in der Flegelphase-> seit 1 Woche etwa hören wir grad prinzipiel nur aufs zweite Mal, aber ich denk das gibts sich wieder, war ja auch mal Teeny) Sie macht alles was in dem Alter so notwendig ist. Herkommen, sitzen, Platz machen, Bleiben und auch schon bissl bei Fuß gehen (das üben wir gerade noch) klappt alles einwandfrei, mittlerweile sogar schon nur noch durch Zeichen. Muss gar nix mehr sagen *stolz bin* Ich darf ihr während dem Essen den Napf wegnehmen, sie springt nicht hoch, kann stundenlang wenn ich am PC arbeite auch mal in der Ecke liegen und schlafen,... alles kein Problem.
    Sie ist im großen und ganzen ein sehr lieber und umgänglicher Hund und mit mir sowieso und meinem Freund (Herrchen) und unseren BESTEN Freunden auch total verspielt, hat täglich ihre Spielstunde mit uns und es wird auch jeden Tag sehr viel gekuschelt und geschmust.

    Sie ist sogesehen nicht mein erster Hund, ich hab auch extra wegen ihr viele Bücher gelesen, mir Meinungen (meine Tante hat den Hundebegleitschein) eingeholt, etc. damit ich alles richtig mache und ziehe sie auch mit extrem viel Liebe und konsequent (muss ja sein) auf (bin auch viel strenger als mein Freund).

    Jetzt zu meinem eigentlichen Problem (ich fand das oben alles wichtig, auch wenns lang ist, damit ihr auch ein Bild von ihr machen könnt)

    Ich kann leider nicht sagen wann es genau anfing. In etwa im Oktober/November (da war sie 5/6 Monate alt) letztes Jahr.

    Sie wurde plötzlich WAHNSINNIG ängstlich bei Fremden Leuten. Und da kommen hier am Tag durch den Reitbetrieb nicht gerade wenige. Sie kennt den Trubel von Anfang an und ging vorher auch immer neugierig auf sie zu. Ich kann mich nicht daran erinnern dass sie eine schlechte Erfahrung mit anderen gemacht hat, denn ich hab sie ständig im Auge gehabt und war auch mit ihr unterwegs und nehm sie immer mit.

    Mittlerweile ist es nur so, dass schon Leute die unten (starke Hanglage) aufm Parkplatz aussteigen und sich der Hofauffahrt nähern angewufft (ist teilweise kein richtiges Bellen) und angeknurrt werden (die Ersatzpostbotin hupt dann immer, weil sie sich nicht ausm Auto traut). Sie stellt dabei ihren Kamm auf und flitzt von einer Ecke zur nächsten, wenn ich dabei bin versteckt sie sich hinter mir, kommt wieder vor, wufft, knurrt, rennt wieder hinter mich, wieder vor,... Näher als auf 2 Meter geht sie nicht ran.

    Bei Männern ist es noch wesentlich schlimmer als bei Frauen. Dunkle Sachen, weite Mäntel, Hut, etc. geht gar nicht.
    Unsere besten Freunde musste sie ca. 15 mal sehen (bei uns und auch wenn wir bei denen waren) bis sie sich anfassen ließ. Mittlerweile freut sie sich tierisch wenn die alle kommen und spielt mit denen, schmeißt sich auch hin und will am Bauch gekrault werden.
    Das Problem sind vor allem die Gäste des Betriebes, neue Urlauber,...
    Sie gewöhnt sich an alle erst nach Ewigkeiten.
    Ich weiß nicht woher das kommt.

    Wenn ich mit ihr unterwegs bin und sie noch im Auto ist wird geknurrt. Wenn sie rauskommt und es sind nur wenige Menschen in Sicht (fremde Umgebung) wird geknurrt. Sind es viele (wie bei Festen) sagt sie nichts.
    Auf dem Karl-May-Fest in Radebeul/Dresden konnte ich sie sogar 2 Tage voll ohne Leine mitlaufen lassen (hat dort jeder so gemacht). War kein Problem. Einkaufszentrum Elbe-Park -> MASSEN von Leuten. Kein Problem. Es sind immer nur wenige Fremde woanders und ALLE Fremden die auf den Hof kommen das Problem.
    Ich habe die Leute schon vor ihrer Nase in den Arm genommen und halb abgeknutscht damit sie sieht, es ist okay. Ich hab den Leuten schon Hundekuchen oder sonste was gegeben damit sie sich rantraut. Nichts hilft. Ein Freund meiner Eltern kommt momentan seit über einem Monat regelmäßig (ca. 3-4 Mal pro Woche) auf den Hof und bleibt ewig. Er war mit ihr schon spazieren, ich hab mich neben ihn auf den Boden gesetzt und wir ham zusammen mit ihr gespielt,... nach Stunden gehts dann langsam und wenn er das nächste Mal kommt gehts wieder von vorne los. Ist aber nur bei dem so. An andere hat sie sich nach der Zeit schon gewöhnt. (Er ist groß und breit gebaut, ni dick, und hat meistens dunkle Sachen an) Irgendwie scheint sie nach den Augen und nicht nach der Nase zu gehen, schließlich müsste sie seinen Geruch ja eigentlich kennen.

    Ich weiß nicht mehr was ich machen soll.
    Ich hab es mit Ignorieren versucht, mit sie beruhigen und streicheln damit sie keine Angst hat, ich bin böse geworden wenn sie auf "Aus" es immer noch nicht lässt (Klapps im richtigen Moment oder am Genick packen und Schütteln oder über die Augen die Schnauze zuhalten) aber es hilft rein gar nichts! Auch so ein dämliches Halsband das einen Ton abgibt wenn sie knurrt hat GAR NICHTS gebracht.

    Es geht schon los wenn sie nur hört das die Tür aufgeht wenn wir im Reiterstüble sind. Erst wenn sie dann mal erkennt das es z.B. mein Vater ist, ist Ruhe (der Reitbetrieb gehört meinen Eltern).

    Bei Kindern ist es neben Männern noch am allerschlimmsten.
    Ich hatte dann mal meine Cousine (9) und die Tochter ner Einstellerin (6) neben mich genommen und sie vor mich hingerufen. Beide Mädchen hielt ich im Arm. Sie kam schon in geduckter Haltung mit aufgestelltem Kamm, hat sich hingesetzt und knurrend!!! dann die Hände der beiden abgeschleckt und sich dabei halb unter mir verkrochen (freiweillig!, ich zwing sie in der Hinsicht zu nichts! hab sie auch noch nie quasi an einen Fremden herngetragen oder sonst was)
    Für mich war das ein deutliches Zeichen wie zerissen sie da wohl ist.
    Einerseits totale Angst und anderer seits hat sie den Mädels die Hände abgeschleckt.

    Sorry, ist jetzt sehr lang geworden.
    Wie gesagt, ich erinner mich an keine Situation, die mir das erklärt.
    Kinder mag sie überhaupt nicht, weil sie die nunmal als laut und umherflitzend kennengelernt hat. Meine Brüder (10 und 14) jedoch liebt sie heiß und innig.

    Wäre euch für eure Hilfe und Tipps SEHR dankbar.

    Es gibt halt auch Leute die hierher zum reiten kommen und Angst vor Hunden haben oder bei der Art Begrüßung dann bekommen und das gefällt meinen Eltern nicht wirklich.


    Viele liebe Grüße

    LadysScarlett


    PS: sie hat noch nie jemanden gebissen (hab nur Angst das sie irgendwann zum Angstbeißer wird) und wir gehen auch fast jeden Tag (auch wenns mal nicht klappt ist ja so schon so mit den anderen beiden Hunden draussen immer am toben und Stöckchen werden im Garten tun wir sowieso jeden Tag auch mehrmals) schöne, GROßE Runden mit ihr spazieren. Meistens noch mit den anderen Hunden zusammen.

  • HAllo Lady Scarlett,

    such Dir bitte einen kompetenten Trainer, der sich mit systematischer Sensibilisierung und Gegenkonditionierung auskennt.

    Knurren bestrafen bringt gar nichts und ist sogar gefährlich, denn der Grund, warum sie Knurrt, bleibt bestehen. Darf sie nicht Knurren wird sie eskalieren - schlimmstenfall beißen.

    Durch die Desensibilisierung und die Gegenkonditionierung wird sie lernen, dass Leute, die zu Euch auf den Hof kommen toll sind.
    DAzu muß ein speziell auf Deinen Hund zugeschnittenener Trainingplan entworfen werden und dann natürlich auch durchgeführt werden.

    Das Gute ist, dass Du Deinen Hund schon sehr gut beobachtet hat, und somit ziemlich exakt weißt, worauf sie wie reagiert.
    Du kennst somit die "Auslöser" des Bellens und Knurrens. Diese "Auslöser" werden durch das Gegenkontionierungtraining mit was tollem (z.B. Ihrem Lieblingsessen) verknüpft.
    Wichtig dabei ist, dass man das "Erscheinen" des Reizes im Training, versucht, so zu steuern, dass noch kein Grund zum Knurren besteht.

    Angenommen wir arbeiten an der Sache mit den Leuten, die auf den Parkplatz fahren: Du weißt, Dein Hund fängt an zu bellen, wenn sie anfangen den Hang hinauf zu kommen. Also würde man so anfangen:
    Ein Auto fährt auf den Parkplatz, Mensch steigt aus, Hund bekommt Leckerchen, Mensch steigt wieder ein. Pause von 30 Sekunden.
    Mensch steigt wieder aus, Hund bekommt Leckerchen, Mensch steigt wieder ins Auto einige male wiederholen, Auto fährt wieder weg.
    Nach einer Stunde oder so kann man den ganzen Ablauf wiederholen.
    Nachdem das Aussteigen also nach einigen dieser Durchgänge kein Problem mehr ist, passt man den Ablauf an:
    Auto fährt auf den Parkplatz, Mensch steigt aus, Hund bekommt ein Leckerchen, Mensch macht ein Schritt richtung Hang, Hund bkommt ein Leckerchen, Mensch macht einen weiteren Schritt, Hund bekommt ein Leckerchen... hier langsam so weit vortasten, wie das für den Hund okay ist (nimmt er noch die Leckerchen ist das der Fall - nimmt er sie nicht mehr, dem Menschen signalisieren, dass das der Trainingsabstand ist, über den in den Weiteren Durchgängen nicht hinausgetreten werden darf.
    So arbeitet Ihr Euch Schrittchen für Schrittchen den Hang hinauf.

    Bei den anderen Auslösern geht man genauso vor: man analysiert zunächst, "wie weit man gehen kann" und arbeitet dann unterhalb der Reizschwelle (also bevor der Hund anfängt zu knurren oder bellen) Dadurch, dass die Reize immer wieder mit extrem tollen Sachen verknüpft werden, wird das ERscheinen des Reizes zur Ankündigung der tollen Sachen (genau so, wie bei Pawlows Hunden das läuten der Glocke zur Ankündigung des Fütterns wurde!). Es kann sein, das nach einigem Training folgendes passiert: Ihr sitzt oder geht, und einer ihrer Auslösereize taucht auf - und sie sieht Dich an! Bingo!! Superbingo! Sie hat gelernt, dass dieses "böse Ding" immer bedeutet, dass es Leckerchen bei Dir gibt und wartet nun also auf ihre "Lieferung" - an diesem Punkt kann das Training "schwieriger" gemacht werden.
    Wenn du immer so lange auf einer Stufe trainierst, bis sie dieses Verhalten zeigt, kommst Du gut und stetig voran und zwar in dem Tempo, dass der Hund gut verkaften kann. Dadurch steigt ihr Vertrauen in Dich und sie ist zu keinem Zeitpunkt überfordert.

  • Hallo Martina,

    vielen lieben Dan für deine sehr ausführliche Antwort!

    Ich bin fertig mit meiner Ausbildung und leider aus betrieblichen Gründen nicht übernommen worden und habe somit im Moment noch (bin an ner Stelle dran und es sieht bisher gut aus) zu Hause und hab viel Zeit für sie.

    Ich kann ich das nach dem von dir beschriebenem Prinzip evtl. auch alleine schaffen. Trainer sind ein hoher Kostenfaktor (keine Angst, sie ist und wird entwurmt, geimpft, bekommt Activa -> sehr gutes Futter, ist gechipt, usw. da teilen mein Freund und ich uns rein) der Momentan nicht drin ist. Wenn ich doch (sobald ich wieder Arbeit habe und somit das Geld dafür) auf einen Trainer zurückgreife, wie ich gehe ich am besten vor? Wo finde ich so einen guten? Weil du meintest auf dieses Problem zugeschnitten. Gibt es da Verzeichnisse für solche Trainer?

    Oder gibt es irgendwelche guten Bücher speziell zu diesem Thema? Wo ich mir das selbst aneignen kann.

    Die Methode die du beschrieben hast würde ich so sehr gerne ausprobieren. Anhand deiner Anleitung müsste ich das ja eigentlich schaffen. Und wenn alle Stricke reißen natürlich zum Trainer. Nur das geht gerade leider nicht *heul über die Wirtschaft*

  • Nein, dafür gibt es keine Verzeichnisse, aber ich kann Dir da gerne jemanden Empfehlen (mach Dir gleich ne PN)

    Gute Bücher zum Thema gibt es auch:
    z.B. "Das Aggressionsverhalten des Hundes" von James O'Heare
    "Click to Calm" von Emma Parson
    "Fight" von Jean Donaldson
    "Bringing Light to Shadow" und "How to right a dog gone wrong" von Pam Dennison
    "Help for your Fearful Dog" von Nicole Wilde

    Und genialer DVD-Tip: "Cujo meets Pavlov" von Kathy Sdao (gibts bei http://www.animalantis.ch)

    Du kannst auch "Desensibilisierung" und "Gegenkonditionierung" in die Suchfunktion eingeben - es gibt schon viele Beiträge dazu und wenn man mehrere "Fälle", bzw die Trainingshinweise dazu gelesen hat, wird man sich klarer über das System, dass da hinter steckt.

    Das Wichtigste ist, dass man versteht,
    wie Klassische Konditionierung funktioniert,
    dass man immer darauf achtet, dass der Reiz vor dem Leckerchen kommen muß ("besteht" der Reiz noch länger - z.B. der Anblick von bösen Leuten - kann man asuch Leckerchen geben, während diese Leute "da" sind. Sind sie weg, "verschwinden" dann auch die Leckerchen), und dass unterhalb der Reizschwelle (also so, dass Hund keinen Anlass zum Knurren sieht) arbeitet.

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