Hunde untereinander: ist das wirklich Spiel oder ernst?

Spiel ist wichtig, aber nicht in jeder Situation

Bereits im Welpenalter testen Hundebabys sich spielerisch mit den Geschwistern aus. Sie schulen dadurch ihre kognitiven Fähigkeiten und die Motorik, erproben ihre eigenen Fähigkeiten und lernen Grenzen kennen - zum Beispiel indem sie selbst zu doll gezwickt werden oder ihre eigenen Zähne zu unsanft am Geschwister einsetzen. Treibt es der Nachwuchs zu bunt oder übertreibt es einer, ist die Mutter zur Stelle und korrigiert Fehlverhalten. Auch an der Mutter erproben sich Welpen und erfahren, dass diese bisweilen Grenzen setzt.


In ihrem sozialen Verband sind Hunde auch äußerst sozial veranlagt, vorausgesetzt, es liegt keine mangelnde oder Fehlprägung vor. Der soziale Verband erstreckt sich allerdings auf mit ihnen zusammenlebende Hunde und ihre Menschen. Darüber hinaus, also fremden Hunden gegenüber, lernt Ihr Vierbeiner idealerweise unterschiedliche Rassen und deren spezielle Eigenarten kennen, denn die Kommunikationsfähigkeiten und Temperamente können sich beträchtlich unterscheiden. Dabei geht es keineswegs darum, dass sich Ihr Hund mit allen selbst auseinandersetzen soll, erst recht nicht körperlich. Vielmehr ist die Erfahrung wichtig, dass es Artgenossem in variablen Größen, mit unterschiedlichem Aussehen, voneinander abweichenden Kommunikationsfähigkeiten und speziellen Eigenschaften gibt. Das Kennenlernen dieser Vielfalt in der Hundewelt macht sie Ihrem Schützling vertraut und er kann lernen, dass ein Überbiss beim Gegenüber keine Drohung oder Abwehrhaltung ist, dass nicht alle Artgenossen gleichermaßen über die Mimik, die Ohren, die Rute und die Nase kommunizieren können, dass bei einigen viele Haare das Gesicht verstecken.

Fremde Hunde - unterschiedliche Strategien

Vielleicht kennen Sie das: Zwei Hunde begegnen sich, einer senkt sofort den Vorderkörper herab und scheint in Spiellaune zu sein. Sobald die Leinen los sind, stürmt ein Hund los und es beginnt scheinbar ein ausgelassenes Jagdspiel. Vielleicht bleiben die Hunde aber auch erst etwas auf Abstand, nähern einander in einem Bogen an und beschnüffeln sich anschließend ausgiebig, bevor sie entscheiden, lieber jeder seines Weges zu gehen oder es tatsächlich zu mehr Interaktion kommt. Es kommt auch vor, dass sich ein Hund an der Leine aggressiv gebärdet.

Deeskalationsversuche

Jede dieser Verhaltensweisen ist aus Hundesicht normal und nur eine davon sagt eindeutig aus, dass beide Hunde nichts miteinander zu tun haben möchten - bei ihnen trennen sich die Wege nach kurzer Inspektion des Gegenübers. Im Umkehrschluss bedeutet es jedoch keineswegs, dass alle anderen in Spiellaune sind und den Gegenüber toll finden. Das spielerische Absenken des Vorderkörpers ist ebenso eine Konfliktvermeidungsstrategie wie das Losstürmen, dem ein "ausgelassenes Jagdspiel" folgt. Dabei handelt es sich um die sogenannten vier F:

  • Freeze beschreibt einen Hund, der eher reglos verharrt und "einfriert". Er möchte die Begegnung meiden und somit jeglichem Konfliktpotenzial aus dem Weg gehen.
  • Fiddle besagt, der Hund versucht die Situation zu entspannen, indem er herumalbert. Er signalisiert dem Artgenossen so, dass er nicht an einem Konflikt interessiert ist.
  • Flight heißt Flucht und bezeichnet den Hund, der losstürmt, was einen anderen animieren kann, ihn zu jagen.
  • Fight ist der Modus eines Hundes, der offensiv nach vorne geht und durch Drohgebärden seine Kampfbereitschaft andeutet, um den anderen Hund am Überschreiten seiner Individualdistanz zu hindern.

Dazu ist insbesondere die Unterschreitung der Individualdistanz zu beachten. Immer wieder werden Hunde in menschlicher Gesellschaft in Situationen gebracht oder hineingezwungen, in denen eine Unterschreitung der eigenen Individualdistanz durch Fremde geduldet und irgendwie eigenständig gemeistert werden muss. Viele Hunde versuchen dies, indem sie durch ihr Verhalten die Situation entschärfen möchten, denn Konfliktvermeidung liegt ihnen im Blut. Eben dieses Deeskalationsverhalten wird von Menschen bisweilen fehlinterpretiert. Die vermeintlich miteinander spielenden Hunde befinden sich in einem sozialen Dilemma.


Natürlich gibt es auch aufgeschlossene Vierbeiner, die einander auf Anhieb gut riechen können und spontan in Spiellaune sind. Doch wie erkennen Sie dies wirklich?

Echtes Spiel unter Hunden - abwechslungsreich und ausgeglichen

Ein Agieren, bei dem ausschließlich ein Hund wegläuft und der andere hinterher sprintet, ist kein Spiel. In einem Spiel wechseln die Rollen. Ein Hund, der sich ständig auf den Rücken wirft, empfindet keinen Spaß am Gegenüber, sondern ist in seinem Unterlegenheitsgefühl hilflos. In einem echten Spiel würde der Gegenüber Abwechslung hineinbringen und auch selbst mal den Unterlegenen spielen. Spiel unter Hunden ähnelt tatsächlich einem Rollenspiel.


Dabei darf es durchaus auch mal etwas lauter und scheinbar rabiater zugehen, das ist abhängig vom Temperament der Hunde. Im Spiel gibt es allerdings immer eine Beißhemmung - erkennbar am "weichen" Fang der Hunde, Bisse werden allenfalls angedeutet. Dasselbe betrifft sexuelle Annäherungen. Schon wechseln die Rollen auch wieder. Ähnlich wie bei Welpen untereinander üben sich die Hunde im Spiel und alle Beteiligten haben tatsächlich Spaß daran.


Sobald Sie bemerken, dass sich einer der beteiligten Hunde unwohl, unsicher oder bedrängt fühlt, ist es Zeit, einzugreifen und die Situation zu beenden. Wird ein Hund nur gejagt, gilt dasselbe. Sucht ein Hund Schutz, haben das Artgenossen zu akzeptieren. Zeigt ein Hund aggressive Ambitionen, ist "die regeln das unter sich" keine Lösung: Ein solcher Hund möchte nicht spielen und wird aus der Situation herausgenommen.


Wichtig ist immer, dass Ihr Hund weiß, dass er sich auf Sie verlassen kann, er bei Ihnen Schutz findet, wenn er eine Art von direktem Kontakt zu Artgenossen nicht möchte, oder auch, indem Sie Ihrem Draufgänger Grenzen setzen und ihn anleiten, Artgenossen nicht zu mobben.


Quelle: Nicole (Autorin & Online-Journalistin)


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