Ich würde einen Unterschied zwischen Rassehundezucht und Hundezucht machen.
Wie bereits festgestellt wurde, ist der Hund kein 'Naturprodukt,' sondern ein Wesen, das von Anfang an von Menschenhand geschaffen wurde. Die Idee 'Hund' impliziert also automatisch einen menschlichen Einfluss, eine Selektion auf gewisse Eigenschaften hin.
Im Bewsstsein, dass ich mich wie ein ewig drehendes Mühlrad anhören muss, wiederhole ich gerne immer und immer wieder, dass die 'Rassehundezucht,' so wie wir sie heute kennen und definieren, nicht so alt ist, wie manchmal geglaubt wird. Die allergrösste Mehrheit unserer Hunde'rassen' in ihrer heutigen Form stammt aus dem 19. oder gar dem 20. Jahrhundert - egal, was irgendwelche Entstehungsmythen behaupten oder kreative Namensgebungen suggerieren. Dann nämlich begann man, Standards festzulegen und Hunde rein auf Ausstellungstauglichkeit hin zu züchten.
Das Problem dieser Standards ist, das darin seitenlang erstens über einen angeblich praktisch unerreichbaren 'Idealtypus' referiert wird, der fast ausschliesslich an Äusserlichkeiten gemessen wird. Dem Charakter ist nur ein verschwindend geringer Teil dieser Abhandlungen gewidmet, obwohl doch eigentlich sowohl Gesundheit wie Charakter im Vordergrund stehen müssten.
Dazu kommt, dass praktisch alle Rassen, die in irgendeiner Form jemals auf Äusserlichkeiten hin selektiert wurden, generationenlang und systematisch so arg ingezüchtet wurden, dass einige von ihnen eine genetische 'Vielfalt' aufweisen, als wären sie aus weniger als 3 Gründertieren entstanden. Berühmte Kandidaten dafür sind z.B. der Nova Scotia Duck Tolling Retriever, der Lundehund, der Islandhund, der Basenji, etc. Diese züchterische 'Leistung' muss man erst einmal zustande bringen. Wichtig dabei ist: Stammbäume nur auf einige Generationen hin (5 oder 10) hin auf Inzucht zu prüfen ist sinnlos. Der genetische Flaschenhals kann schon viel früher passiert sein. Zu wirklich aussagekräftiger Verwandtschaftsanalyse sind heute eigentlich nur Computer oder eben genetische Untersuchungen in der Lage.
Insofern bin ich durchaus für eine gezielte Hundezucht mit Vernunft und einem klaren Zuchtziel: ich - und viele andere Leute - möchten ja weiterhin Hunde halten. Immerhin sind Hunde ja auch ein Kulturgut. Andererseits sehe ich keinen Sinn in der 'Rasse'hundezucht, also derjenigen Zucht, die sich fast einzig aufs Aussehen der Hunde fixiert und sowohl Gesundheit wie Charakter fast vollständig ausser Acht lässt.
Wir hätten heute durchaus die Möglichkeit, auf möglichst gesunde, langlebige und charakterstarke Tiere zu selektieren - und wo auch immer Tiere 'genutzt' und nicht nur aus Liebhaberei gehalten werden, wird dieses Wissen auch angewandt. Bei Hunden könnten wir das auch, aber wir tun es bei den allermeisten Hunderassen viel zu wenig, weil uns eine ganz bestimmte Ohrenhaltung, eine ganz bestimmte Färbung, etc. immer noch viel zu wichtig sind und immer noch viel zu viele Vereine, Züchter und Besitzer an irgendwelchen alten Zöpfen festhalten, die schlussendlich ganz und gar nicht dem Wohl und der Erhaltung des Kulturguts 'Hund' dienen.