Unfallchirurg hatte Bereitschaftsdienst. Dh, er fängt um 10 Uhr mit seinem ganz normalen Arbeitstag an (OP's, Stationsarbeit, Visiten,...) und bleibt dann über Nacht bis zum nächsten Morgen, 10 Uhr. Nachts schläft er, so er denn kann.
Wenn nicht Mutti mit 17-jähriger Tochter nachts um 3 Uhr auf der Matte steht, weil sie JETZT unbedingt einen Arzt brauchen. Arzt kommt fix und fertig in die Notaufnahme, um zu erfahren, dass Töchterchen 3 Tage auf einer Isomatte geschlafen hat beim Campen und jetzt ein bisschen Rückenschmerzen hat. Und weil sie tagsüber keine Zeit hat, um das "Kind" zum Arzt zu bringen, sind sie halt in die Notaufnahme gekommen. Linkes Auge des Arztes zuckt verdächtig.
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Große Chefarztvisite der Chirurgen. Der Chefarzt nimmt sich wirklich sehr, sehr viel Zeit um einem Patienten laiengerecht zu erklären, was und wie operiert worden ist. Veranschaulicht alles mittels der vorliegenden Röntgenbilder, zeichnet, stellt pantomimisch da. Mir steigen schier Tränen der Glückseligkeit in die Augen - SO schaut eine richtig geniale Arztvisite aus, so wie sie sein muss! Nachdem alle offenen Fragen geklärt worden sind, zieht die Visite weiter. 30 Minuten später klingelt genau dieser Patient, weil jetzt die Tochter zu Besuch ist und gerne wüsste was Sache ist. Der Patient kann ihr aber selbst nicht weiterhelfen, weil er während der Visite nicht richtig zugehört hat und auch irgendwie unsicher ist, ob der Arzt überhaupt kompetent genug war - das soll jetzt nochmal gemeinschaftlich beurteilt werden. Freundlichkeit des Chefs sinkt etwas, als ich ihn zurückpfeife und wieder zum Patienten schicke. Glaube auch gesehen zu haben, wie sein linkes Auge verdächtig zuckt.
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Einer meiner Arztkollegen kommt zu uns auf Station, da er hier noch etliches zu tun hat. Es ist schon 11 Uhr und die Laune des Kollegen ist unterirdisch, da er seit Stunden aufs Klo muss, noch nichts gegessen und getrunken hat und er keine Ahnung hat, wie er seine ganze Arbeit irgendwie unterbringen soll. Weil ich ein netter Mensch bin, darf er mal an meinem Kaffee nippen. Währenddessen reiße ich einen schlechten Witz; der Kollege lacht. In dem Moment stürzt eine Angehörige wie eine wildgewordene Furie an unseren Stützpunkt und brüllt den Kollegen an, dass es ja wohl nicht sein Ernst sein kann. Sie hätte genau beobachtet, wie er hier seit Stunden nur mit Privatkram beschäftigt ist und wenn er zu dumm ist, seine Arbeit zu machen, solle er halt kündigen, ihre Mutter warte SEIT STUNDENblablabla. Alle Schlichtungsversuche meinerseits enden damit, dass jetzt auch mein Auge anfängt zu zucken und der arme Kollege gleich detoniert.
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Sehr alte Patientin liegt schon lange bei uns, hat immer wieder sehr schlechte Phasen und danach eher so Mittelgute. Die Angehörigen kommen jeden Tag - einer morgens, einer nachmittags. Jeden Morgen hat der eine Angehörige ein ellenlanges Gespräch über die immer gleichen Dinge mit unserem Stationsarzt. Jeden. Morgen. Warum bekommt Patient keine Schlaftabletten? Bodenlose Frechheit, das geht nicht, die Tabletten werden gebraucht!!!! Arzt ordnet leichtes Mittel an.
Jeden Nachmittag kommt der nächste Angehörige, und will selbiges Gespräch nochmal haben, da er seinen Angehörigen morgens nicht so gut leiden kann und deshalb nicht mit dem reden will. Warum zur Hölle bekommt Patient Schlaftabletten? Bodenlose Frechheit, das geht nicht, die Tabletten werden nicht gebraucht!!! Ob wir die Frau vergiften wollen!!! Arzt setzt leichtes Mittel wieder ab.
Patientin selber ist gänzlich überfordert mit der Situation und dreht sich mit den Angehörigen: Ja, ich kann gar nicht schlafen, ich brauch die Tabletten, nein, ich brauch die Tabletten nicht, Sie wollen mich vergiften.
Angehörige irritiert, warum mittlerweile die Ärzte nicht mehr allzu kooperativ sind.
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Junge, fitte Patientin erhält Verplattung des Sprunggelenks nach Bruch. Soll ein paar Tage nach der OP entlassen werden. Tilt völlig aus, weil sie gar nicht wisse, wie das zuhause gehen soll, weil "ich kann so ja gar nicht laufen und helfen kann ich mir erst recht nicht, ich brauche einen Platz in der Kurzzeitpflege!" Wohlbemerkt versorgt sich Patientin schon seit dem 1. Tag nach der OP komplett selber.
Fängt an, Schmerzen aus der Hölle anzugeben, sie könne gar nichts mehr, tut auch nichts mehr. Der Arzt hat ganz sicher, zu 100% die OP verbockt. Röntgenbilder zeigen ganz hervorragend aussehende Verplattung, keine Auffälligkeiten, Wunderverlauf regelrecht.
Erzählt trotzdem überall herum, dass der Arzt ein Pfuscher ist, schreibt deswegen sogar eine Onlinebewertung. Darauf angesprochen kommt nur: "Der Zweck heiligt die Mittel!"
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Patient kommt in die Notaufnahme. Wurde heute am frühen Morgen von einer Zecke gebissen, der Arzt soll mal gucken. Auf die Frage, warum er dann jetzt erst (22 Uhr) in die NOTaufnahme komme und nicht zum Hausarzt gegangen ist, antwortet er: "Es war so geiles Wetter, da versteht ihr doch wohl, dass man da lieber den Tag auf dem Segelboot verbringt! Ihr seids ja schließlich immer hier und seid froh, wenn ihr Arbeit habt."
Blöderweiße steht der diensthabende Arzt im OP, so dass der Patient warten muss. Um seinem Ärger Luft zu machen, beschimpft der Patient alle Anwesenden als "faule Dreckslöcher", fordert sein RECHT ein, jetzt einen Arzt zu sehen und kann nur mit 3 Leuten davon abgehalten werden, dem zufällig vorbei kommenden (nicht zuständigen) Internisten eine runterzuhauen.
Als der Arzt endlich da ist, weiß der Patient gar nicht mehr, WO die Zecke ihn eigentlich gebissen hat. Daran ist aber ganz alleine der Arzt schuld, weil er ihn so lange hat warten lassen und überhaupt und sowieso ist er jetzt so aufgeregt, dass er glaubt Herzrhythmusstörungen entwickelt zu haben und jetzt möchte er umgehend den Internisten sprechen. Der hat sich vermutlich vorsorglich schon mal in Luft aufgelöst.
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Ich ärgere mich ganz, ganz oft über meine Arztkollegen. Aber es gibt eben nicht nur einen Pflegenotstand, sondern ebenso einen Ärztenotstand.
Und viele Ärzte sind einfach müde, von dem, was sie sich tagtäglich anhören müssen - von unverschämten Patienten, Angehörigen aus der Hölle, Kollegen,...
Die netten, freundlichen Patienten bleiben da leider ganz oft auf der Strecke.
Wie sagte ein frisch gebackener Assisstenzarzt letztens seufzend zu mir: "Weißt du, ich dachte ich helfe Menschen mit meinem Beruf. Dabei will man gar nicht, dass ich helfe und ganz ehrlich: ich will es auch nicht mehr. Ich bin sehr müde."