Eine Veranlagung dazu zu nutzen, dass der Hund zufrieden ist, Aufgaben bewältigen kann, die ihm nun mal liegen, halte ich für richtig und auch irgendwo wichtig.
Wir haben uns bewusst für einen Labrador - also für Charly - entschieden, weil für uns (als Otto-Normal-Hundehalter) aktiver Hundesport bzw. eine richtige jahrelange Ausbildung nicht in Frage kommt.
Mit Charlys Vater wird ernsthaft gearbeitet - er hat schon x Prüfungen bestanden usw. - seine Mutter dagegen lebt in einem großen Familienverband mit Mithunden, Katzen, Pferden, Hühnern usw. und vielen unterschiedlichen Menschen. Die Hunde laufen zu 99% frei, sind oft unterwegs am Wasser - aber eine Arbeit in dem Sinn findet dort mit den Hunden nicht statt. Alltagstauglichkeit, Freundlichkeit gegenüber Mensch und Tier - das steht im Vordergrund.
Die Freude eines Retrievers am Apport und an Wasser war/ist für uns relativ einfach zu erfüllen, wir leben an einem Fluss. Das haben wir von Klein auf gefördert, da mussten wir aber nicht viel dafür tun, schon der Charlywelpe "brachte" laufend irgendwas und bot es uns freudewedelnd an. Klar haben wir das auch mit ihm geübt, insbesondere das Abgeben des Bringsels macht ist ja Sinn der Sache - aber der Spaß stand dabei immer im Vordergrund und das tut es bis heute. Wenn er mal keinen Bock hat, auch nicht schlimm. Charly entscheidet draußen mittlerweile durch sein Verhalten, ob er schwimmen will, einen geworfenen Dummy apportieren möchte oder einfach nur Hund sein darf, der im Freilauf nur hier und da rumschnüffeln, oder wenn es sich anbietet, mit anderen Hunden agieren möchte. Zuhause trägt er von sich aus ab und an Sachen hoch oder runter, bringt was in den Garten und trägt es wieder zurück. Gibt er es auf Kommando her oder bringt es zu einem bestimmten Ort/einer bestimmten Person wird er belohnt, er ist stolz. Alles in Maßen, er ist kein Apporteljunkie.
Er wirkt damit vollkommen zufrieden - ein Mix aus mittlerweile wenigen von uns inzenierten Anforderungen (das nennt man dann wohl "Arbeit") und seiner selbstbestimmenden Neigung, Dinge zu tragen/einzuholen/zu bringen, ein paar Bahnen im Fluss/See zu schwimmen.
Ins Begleithundetraining sind wir von Anfang an nur deshalb gegangen, um eine Grundbasis für seinen "Gehorsam" zu legen - das Konzept der wenigen Grundkommandos erschien uns sinnvoll und leicht zu bewältigen, auch wenn man das ganze nicht so todernst nimmt. Die Prüfung interessierte uns wenig. Wir haben das Training so angepasst, dass Charly in unserem individuellen Alltag ein angenehmer Begleiter ist, den mal überall hin mitnehmen kann, der sich im benimmt und der uns nicht den letzten Nerv kostet. Das ist uns geglückt. Sind seine Bedürfnisse erfüllt, bleibt er ruhig und auch alleine, stellt nix an.
Aber, ich bin mir fast sicher, dass ohne die Möglichkeit täglich ins Wasser zu gehen, unser Hund im Alltag lange nicht so gut funktionieren würde. Ihm die Möglichkeit zu verwehren, Dinge aufzunehmen und wegzutragen (dafür haben wir genügend verschiedene Apportel in Haus und Garten, die "seins" sind) würde ihn traurig und unzufrieden machen. Denn es scheint doch logisch, dass einer Neigung nachzugehen, Freude bereitet, zufrieden macht - geht Menschen auch nicht anders.
Und ich bin mir auch sicher, dass die Hauptsache für einen Hund ist, dass man ihn im ersten Lebensjahr so gut wie nie alleine lässt, mit seinen Bedürfnissen, seinen Neigungen. Ob man nun mit ihm "arbeitet" oder einfach nur ein bisschen fördert - wichtig ist die Zuwendung, das Sicherheit geben, Geborgenheit und Vertrauen zu vermitteln, gemeinsam und miteinander Spaß zu haben - ein "Team" zu werden. Und natürlich den Junghund in Situationen zu korrigieren, wo sein Verhalten in die falsche Bahn gerät. Da heißt es sinnvolle Alternativen anbieten - wobei wir wieder bei der rassebedingten Neigung wären.
Warum sie also nicht nutzen, wenn sie schon mal da ist?