Beiträge von Fineli

    @Labradora bin völlig mit dir einer Meinung, selbstverständlich sollte die Individualdistanz JEDES Hundes, egal ob er was tut oder nicht, eingehalten werden.
    Auch dein Hund kann ja schliesslich zu pöbeln beginnen, wenn er immer wieder bedrängt wird.
    Ich weis, was für meinen Hund eine gute Distanz ist und achte darauf, meinen Weg so zu wählen, dass sie eingehalten wird. Von anderen Hundehaltern erwarte ich, dass das respektiert wird.
    Egal, ob mein Hund verträglich ist oder nicht.

    Gerne sage ich auch noch etwas zum Thema Maulkorb:
    Meine Hündin ist als gefährlich eingestuft, hat aber noch nie gebissen. Sie ist nicht dominant oder generell unverträglich sondern angstaggressiv. Sie sendet sehr deutliche Signale aus, dass sie Abstand möchte. Meine Aufgabe ist es also, zu schauen, dass ihre Signale so respektiert werden, dass sie niemals beissen muss. Es ist in unserem Fall also nicht so, dass sie einen Hund, der mal in uns hinein rennt, gleich zerfleischt. Das Problem ist, dass sie, wenn ihre Signale regelmässig übergangen werden, irgendwann aus der Unsicherheit heraus auch beissen wird.
    Ich arbeite mit allen Mitteln, die ich habe, gegen diesen Lernprozess. Jedes Mal wenn einer in uns reinrasselt lernt sie aber nicht nur, dass knurren nichts nützt, sondern auch, dass ich sie nicht beschützen kann.
    Da sie momentan noch nicht so ernsthaft ist, werde ich ihre Kommunikation nicht noch durch einen Maulkorb im Alltag erschweren.
    Denn wie gesagt, im Moment steht bei uns nicht das Verhindern eines Beissvorfalles im Zentrum sondern zu verhindern, dass sie den Lernprozess macht, beissen zu müssen. Und dabei hilft mir der Maulkorb nicht.
    Man stelle sich nur vor, wenn sie nicht einmal mehr abschnappen kann in einer Ernstsituation, weil sie der Maulkorb daran hindert. Wie viel Hilflosigkeit und daraus entspringende Aggression muss ich dann wohl abtrainieren?..
    Liebe Grüsse,
    Katrin

    Und noch kurz ein Nachtrag zum Verständnis für Tutnixe. Ich habe kein Problem, wenn ein Hund distanzlos ist. Das ist genau so ein Charakterzug wie Ängstlichkeit oder Unverträglichkeit. Ich bin aber dafür verantwortlich, meinen Hund zu sichern, damit er niemanden belästigt. Egal, ob er nun unverträglich oder distanzlos ist. Genau so, wie ich meinen unverträglichen Hund selbstverständlich sichere, erwarte ich das von den anderen Hundehaltern.
    Und die Tutnix-Besitzer haben es so schon einfacher. Wenn sie mal einen Fehler machen ist das viel weniger schlimm, als wenn ich meinen loslasse und er beisst dann ein Kind.
    Ich habe aber wahnsinnig um meinen Hund gekämpft. Mehrmals stand das Einschläfern auf Grund von Gefährlichkeit im Raum. Und dass mir andere, sorglose Hundehalter immer wieder das Training kaputt machen, das finde ich nicht in Ordnung.
    Liebe Grüsse,
    Katrin

    Guten Morgen miteinander!
    Einige fragen sich, warum man so einen Thread aufmacht. Deshalb wollte ich nur sagen, dass er mich gestern Abend gerade enorm aufgeheitert hat.
    Ich habe eine bald vierjährige Hündin, die durch eine gestörte Entwicklung in der Welpenzeit sozial auffällig (angstaggressiv und hyperaktiv) ist. Sie wurde von einem Amtstierarzt abgeklärt und als potentiell gefährlicher Hund eingestuft. Wir haben extrem viel gearbeitet und im Alltag ist sie heute super. Für mich ist aber völlig klar, dass sie, wenn andere Menschen (besonders Kinder!) in der näheren Umgebung sein könnten.Ich habe also die Situation, dass ich meinen Hund nicht einfach ableinen kann, wenn andere Hunde kommen. Dazu möchte ich ihm die Sicherheit vermitteln, dass keine fremden Hunde in ihn hineinrennen, wenn er bei mir ist, damit er nicht schon beim Anblick fremder Hunde nach vorne gehen muss.
    Nun wohnen wir am Waldrand einer kleinen Stadt. Leider hat es hier einen grossen Parkplatz, es kommen also sehr viele Hundebesitzer mit ihren Hunden hier her, um zu spazieren. Viele dieser Menschen machen den Kofferraum auf, lassen den Hund los und kümmern sich nicht mehr um ihn.
    Gestern zum Beispiel hatten wir nur eine kleine Nachmittagsrunde geplant. in ca. 30min haben wir drei Hunde gesehen. Der erste war ein Cocker Spaniel, ca. 300m entfernt, ziemlich jung und hibbelig. kaum am Waldrand angekommen liess der Besitzer ihn von der Leine. Der Hund stürzte sich mit Kriegsgeheul in den Wald und verschwand. Zwei Minuten später hörte man weit entfernt erneut ein Heulen. Der Besitzer rief seinem Hund etwas hinterher, merkte dass es nichts nützt und ging dann den Weg entlang davon.Wir drehten also um, dem Cocker wollte ich nicht begegnen, da er offenbar unkontrolliert war.
    Einige Meter weiter, mitten in der Siedlung stand ganz alleine ein Dalmatiner. Den kennen wir schon, sehr fordernd, lässt sich fast nicht vertreiben. Sein Besitzer und er gehen gleichzeitig aus dem Haus, trennen sich dann und begegnen sich später vor der Haustüre wieder. Also auch hier kontrolliert kehrt gemacht mit meiner Hündin.Beim dritten Versuch schaffen wir es dann tatsächlich in den Wald. Mein Hund ist bisher ruhig geblieben, ich bin sehr zufrieden.
    Nun kommen zwei Französische Bulldoggen an der Schleppleine um die Ecke. Sie sind sehr lebhaft und prominent, für uns etwas anspruchsvoll. Ich kann meine Hündin aber auf mich fixieren und gehe weiter, während die Frau von hinten immer näher aufschliesst. Soweit läuft alles gut, ich will die Frau gerade vorbei lassen, in dem ich auf die Seite ausweiche, da leint sie ihre Hunde ab. Ich rufe: Könnten Sie ihre Hunde bitte bei sich behalten? Worauf die Frau mich beschimpft, sie lasse sich doch nichts vorschreiben und ich sei schuld dass mein Hund gestört ist. Währenddessen bin ich bemüht ihre Hunde zu blocken. Zum Glück kommt gerade noch ein weiterer Hund vorbei, den die beiden dann anzukläffen beginnen, worauf wir flüchten können.
    Das ist hier ein normaler Spaziergang. Und meistens stecke ich das gut weg. Ab und zu frage ich mich aber schon, warum ich überhaupt mit meinem Hund trainiere, wenn wir immer wieder zurück geworfen werden. Und manchmal bin ich, wie gestern, einfach müde und habe keine Lust mehr.Deshalb hat mich der Thread gestern gefreut. Weil offenbar doch nicht ich die Verrückte bin.
    Liebe Grüsse, Katrin

    @ Aoleon:
    Ich bin absolut mit dir einer Meinung, dass ein selbstbewusstes Auftreten und Zielstrebigkeit, verbunden mit Hartnäckigkeit gewissen Hunden hilft. Es gibt aber einen generellen Punkt, der für mich in diesem Fall dagegen spricht:
    Keiner von uns kennt den Hund oder hat ihn gesehen.
    Dann stelle ich mir die Frage, was schlimmstenfalls passieren kann, wenn der Hund eben panisch oder depriviert ist. Gehst du mit Zwang ans Training, gibt das einen totalen Vertrauensbruch. Negativverknüpfungen werden gebildet, der Hund zieht sich immer mehr zurück, reagiert möglicherweise aggresiv auf den Halter und die Leine.
    Gebe ich dem Hund aber nun die Gelegenheit, erst eine Beziehung zum Halter aufzubauen und anzukommen, so verpasse ich nichts.
    Ich meide ja die Stresssituation und der Hund kann so keine unerwünschte Lernerfahrung machen. Das Ziel ist im Moment den Alltag so zu gestallten, dass die unerwünschte Situation möglichst wenig auftritt und der Hund keinen Fehler machen kann.
    Ich gewinne also Zeit, in der ich sein Vertrauen gewinnen und an der Beziehung arbeiten kann.
    Falls wir doch einmal in die Situation kommen und der Hund einen falschen Lerneffekt hat, wird er schlimmstenfalls stur. Das ist ein Problem dass mit klaren Grenzen und Konsequenz relativ einfach behoben werden kann.
    Einen Hund mit panischer Angst vor der Aussenwelt und keinem Vertrauen in seinen Besitzer wieder aufzubauen ist aber schon fast eine Lebensaufgabe und gelingt nicht immer.
    Zeit lassen, kennen lernen und eine Beziehung aufbauen statt ein Schnellschuss (da muss sie jetz durch!) und jahrelanges Wieder aufbauen wäre meine Devise. Möglicherweise verliert man zwei Wochen, hau-ruck geht dann immer noch.
    Liebe Grüsse,
    Katrin

    Genau, ich habe mich auf Aoleons Tipps bezogen. ;)
    Ich finde du machst das super, ich weis wie anstrengend solche Phasen sein können und das es sehr verunsichernd sein kann wenn der Spatzierradius kleiner als grösser wird..
    Lass dich nicht verrückt machen, ihr werdet zu einander finden. Ich habe schon sehr schöne Entwicklungen gesehen. Und du gehst offen an die Hündin heran und beobachtest genau, das ist schon einmal eine wichtige Voraussetzung.
    Viel Schlaf ist gut, das würde ich unterstützen. Wenn sie mehr Bewegungsdrang bekommt wirst du das bestimmt merken, du bist ja sehr aufmerksam. Spätestens wenn sie Energie für Blödsinn hat ist es soweit. ;)
    Ein Tipp noch: Nimm dir keine feste Route vor sondern überlege, wie viel Zeit du hast. Dann lass den Hund in dieser Zeit die Gegend erkunden. Evtl. lauft ihr erst einmal nur um die Hauswand oder bleibt in Sichtweite der Eingangstüre, das ist absolut okay.

    Ich wäre auch vorsichtig mit Zwang, gerade weil der Hund erst kurze Zeit hier ist. Je nach dem kann das aufgebaute Vertrauen völlig zerstört werden. Der Hund will kommunizieren, der Halter geht aber gar nicht darauf ein. Das kann zu erlernter Hilflosigkeit führen.
    Dass der Hund draussen kein Futter annimmt ist für mich schon ein Stressindikator.

    Ich wage mich an keine Ferndiagnose, dazu müsste ich den Hund und seine Körpersprache sehen. Drei Monate finde ich auch etwas kurz, um von einer Deprivation zu sprechen. Gut möglich auch dass die Hündin eine Krise durchlebt seit dem Einzug, weil sie keine Möglichkeit hat, ihre Stresshormone abzubauen. Den Faktor der völlig neuen Umgebung mit ihren Eindrücken würde ich nicht unterschätzen.
    Ob sie depriviert ist werdet ihr wohl erst mit der Zeit feststellen, hier würde ich vorallem darauf achten, ob ihre Lernleistung im Bereich der Sozialisierung vermindert ist.
    Ich habe selbst einen deprivierten Hund und hatte auch schon die Gelegenheit, mit solchen Hunden zu arbeiten.
    Was ich dir auf jeden Fall für die nächsten Tage mitgeben möchte:
    Habt Spass zusammen und versuche, ihr die Gelegenheit zu geben, unbeschwerte positive Erlebnisse mit dir zu haben.
    Ich würde folgendermassen vorgehen:
    1. Überlege, ob es irgend einen Ort gibt, den ihr schnell erreichen könnt und wo sie einfach entspannt an der Schleppleine die Umgebung erkunden kann. Wenn sie mit dem Autofahren keine Probleme hat, dann fahr evtl. Eine kurze Strecke. Am besten ist ein Ort, wo ihr weder Hunden noch Menschen begegnet. Wo du nicht ständig angespannt sein musst, den Hund Hund sein lassen kannst und Nichts von ihr erwarten musst. Ich kenne eure Wohnsituation und die Umgebung nicht. Wenn du in einer sehr belebten Gegend wohnst, wäre es gut die Spaziergänge auf ruhige Zeiten (Nacht, über Mittag, früh morgens) zu verschieben.
    Suche diesen Ort mindestens 1x am Tag auf und gehe in der nächsten Zeit nirgends anders spazieren.
    Lernt euch so unverkrampft kennen, lass sie in der Bewegung Stresshormone abbauen und die Umgebung erkunden. So gewinnt sie Sicherheit und baut vertrauen auf.


    2. Beschäftige den Hund drinnen mit Spielen. Zerrupft zusammen eine Zeitung, verstecke Käsestückchen in einem Badetuch, lass sie Leckerchen auf und unter deinem Pulli und lass sie sie erschnüffeln, gib ihr einen Kong der sie beschäftigt (Rezepte findest du im Internet überall), macht, was immer ihr Spass macht.
    Nach aufregenden Spielen immer für Ruhe sorgen, Kauen ist ganz wichtig für die Entspannung. So schaffst du unverkrampft Nähe. Kontaktliegen, Entspannungsmassagen und gemeinsame Ruhezeiten sind super, wenn der Hund dabei wirklich entspannt ist. Aber überfordere sie damit nicht, respektiere, wenn es ihr zu nah ist.


    Dieses Programm würde ich sicherlich 2 Wochen durchziehen.
    Ein Ort für spannende Spaziergänge 1x im Tag, so wenig Stresssituationen wie möglich, viel Spass, Zuneigung, Akzeptanz, kein Zwang nach draussen zu gehen wenn sie nicht will (dann bis zum Löseplatz tragen, danach wieder rein wenn sie möchte.) und dann drinnen Auslastung machen.


    So fährst du den Hund erst einmal runter und lernst ihn kennen. Danach kannst du, am besten in Begleitung eines Trainers, mit dem Aufbau beginnen.
    Liebe Grüsse auch dem 4beiner,
    Katrin

    Über Ellys Deprivation habe ich ja schon einiges geschrieben, du findest es in meinen Beiträgen.
    Ich finde es immer wichtig zu beachten, dass Deprivation (wie schon beschrieben) meist aus verschieden Faktoren entsteht. Bei Elly war wohl ein entscheidender Faktor die Haltung der Welpen im Stall, ein weiterer ganz wichtiger aber auch das völlige Desinteresse der Mutterhündin.
    Durch meine Ausbildung bei ATN habe ich sehr viel über Deprivation erfahren, gerade im Bereich der hormonellen Prozesse von Welpen. Brutpflegeverhalten wirkt sich direkt auf die Stressresistenz der Welpen aus. Hätte Elly da einen optimalen Hintergrund gehabt, wäre sie vielleicht besser mit dem Umgebungswechsel klar gekommen. So war sie aber dermassen im Stress, dass ihr die Bildung von neuen Synapsen gar nicht möglich war. Heute, wo ich das weis, versuche ich immer noch diese Phase etwas nachzuholen, indem ich intensiven Körperkontakt anbiete, den sie gerne annimmt.
    Wenn man so einzelne Risikofaktoren kennt, kann man sie bewusst angehen.
    Nun zur Frage nach dem Alltag:
    Elly ist (genau heute! :smile: ) 3 Jahre alt. Wir können unterdessen gut ca. 1 Stunde spazieren gehen im Alttag. Aber nur bekannte und sehr oft gelaufene Wege, je näher beim Wohnort desto besser. Ist viel los, blockiert Elly schneller, je nach Tagesform auch sehr unterschiedlich. Ich laufe also nicht einfach eine Runde ab, ich reagiere immer flexibel auf ihre Tagesform und die Umwelt. Und meine Tagesform spielt natürlich auch eine grosse Rolle! ;)
    Sehr hilfreich ist auch zu wissen, wo der Hund relativ entspannt ist und ihm dieses Erlebnis möglichst oft zu ermöglichen.
    Als Elly zu Beginn das Badezimmer nicht verlassen wollte sind wir über Monate nur 5 Minuten zum Fluss runter, an eine schwer erreichbare Stelle, wo wir immer alleine waren. Das hat ihr sehr geholfen überhaupt einen lernbereiten Zustand zu erreichen.
    Das Verhältnis ist heute pro Woche ca. 2 Tage etwas Aufregendes, sonst nur Spass und Entspannung.
    Ferien haben wir bisher nur im Ferienhaus der Familie gemacht. In fremder Umgebung kann Elly nicht alleine sein, in den Trubel eines Restaurants kann ich sie aber auch nicht mitnehmen. Ich müsste also ca. den ganzen Tag mit ihr auf dem Zimmer sein. Bereits das Autofahren ist für sie sehr sehr sehr aufregend und anstrengend.
    Unser Plan ist dieses Jahr ein Wohnmobil. Wir wollen wieder einmal Ferien machen und wollen Elly deshalb an ein Wohnmobil gewöhnen, wo sie auch alleine bleiben kann für eine Weile, so dass wir auch kleine Ausflüge unternehmen können. Mal sehen wie es klappt..
    Grundsätzlich braucht das Leben mit so einem Hund aber immer ein gewisses Mass an Management und Kompromissbereitschaft. Gerade zu Beginn, als ich noch Erwartungen an das Zusammenleben hatte empfand ich es manchmal als sehr anstrengend. Gewisse Vorstellungen los zu lassen tat weh, danach wurde es aber immer besser. Wir können heute sogar wieder halbwegs entspannt Besuch empfangen, ein Riesen Fortschritt!
    Elly neigt zu Durchfall, Übersäuerung, Magenentzündungen und Ausschlägen, wenn sie zu viel Stress hat oder sich der Alltag ändert.
    Liebe Grüsse, Katrin