Hallo zusammen,
in meiner Vorstellung habe ich ja schon einmal kurz meine beiden Vierbeiner erwähnt. Ein richtiges, echtes Sorgenkind ist Jonny, ein ca. 2jähriger Mischling aus Boxer-Malinois und eventuell auch einem Schuss Herdenschutzhund (Meinung meines Trainers).
Jonny ist im Oktober 2009 amtlich beschlagnahmt worden. Folgende Fakten sind mir zu seinem Leben vor mir bekannt:
* Besitzer hat ihn als Welpe angeschafft und sich schnell sich selbst überlassen
* Jonny hat sich dann (aus Langeweile?) das Hobby "Jagen von Autos hinterm Gartenzaun" zugelegt
* Nachbarn beschwerten sich über den Lärm
* Gute Worte halfen nicht, also hat der Besitzer den Knüppel geschwungen
* Nachbarn drohten mit Anzeige wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz - Jonny wurde in den verglasten Wintergarten gesperrt
* Da er auch dort tobte (Autos konnte er gut hindurch erkennen), wurde auch dort der Knüppel eingesetzt
* Bei den wenigen Spaziergängen, die Jonny erleben durfte, wurde jedesmal der Knüppel gezogen, wenn er sich wie wild gebärdete
* Schlussendlich haben die Nachbarn Anzeige erstattet und die zuständige Amtsveterinärin kam gerade auf den Hof gefahren, als der Besitzer wieder mit dem Knüppel "in action" war.
* Jonny kam also als 1jähriger Hund in eine Auffangstation
* Dort wurden ihm erste Grundkommandos und Herzlichkeit entgegengebracht
* Damit er den Umgang im Haus mit Menschen kennen lernen konnte und um ihm direkte Kontakte mit Artgenossen zu ermöglichen, hat mein Trainer ihn für einige Monate in seiner Hundepension untergebracht. Dort bekam er die Möglichkeit, im Rudel mitzulaufen.
Kennen gelernt habe ich Jonny mit folgenden Merkmalen:
* Super nervös - Stresspegel immer auf Anschlag = nicht belastbar
* laut, grobmotorisch und rüpelig, sehr sensibel
* dem Menschen gegenüber unterwürfig, sucht freundliche Aufmerksamkeit
* Misstrauisch bis panisch(in geschlossenen Räumen) bei Männern mit bestimmten äußerlichen und charakteristischen Merkmalen
* gelehrig, will gefallen, intelligent
* unsicher im Umgang mit Artgenossen und der Umwelt im Allgemeinen (kennt nicht viel)
Jonnys vereinbarte Zeit in der Hundepension war abgelaufen und es stand die Rückreise in die Auffangstation an (Sommerferien begannen und die Pension war ausgebucht) - somit auch wieder ein Zwingeraufenthalt, den er nicht verkraftet hätte. Also kam er zu mir und meiner Janka.
Innerhalb von wenigen Tagen musste ich verschiedene Maßnahmen ergreifen, die Jonny beim Anblick von fahrenden Autos nicht ausrasten ließen. Dazu gehörte der Kauf einer Autobox und die Verdunkelung der hinteren Scheiben meines Autos.
An einen Spaziergang an der Straße (ich wohne ländlich) war überhaupt nicht zu denken. Jonny wog seinerzeit ca. 28 kg, Schultermaß 62 cm und war nicht zu bändigen, wenn ein Auto seinen Weg kreuzte. Daher bin ich in den ersten Wochen nur in reizarmen Umgebungen unterwegs gewesen. Wenn dann irgendwo auf dem Feld, ganz weit draußen, trotzdem ein Auto kam und wir nicht ausweichen konnten, ist der Hund schreiend, bellend, sich wild gebärdend ausgerastet und war kaum zu halten (und ich habe Kraft!).
Der erste Weg führte mich zur Tierärztin, um abzuchecken, ob organisch alles ok wäre. Alles gut. Der nächste Weg zur Tierheilpraktikerin, die mir eine Bachblütenmischung mixte.
Nach einiger Zeit bin ich einmal zu verkehrsarmen Zeiten (ich wohne in einer Seitenstraße und da sind teilweise für wenige Minuten auch mal keine Autos zu sehen) die 30 Meter bis zum rettenden Wäldchen mit ihm an der Leine gegangen. Stress pur. Er braucht nur Autos zu hören und schon fängt er an zu pullen, zu hetzen in Richtung AUSGANG (in dem Fall das kleine Wäldchen).
In den letzten 12 Wochen habe ich Jonny gut kennen lernen können. Er hat einen sehr stark ausgeprägten Jagdtrieb, was dazu führt, dass auch die Spaziergänge in reizarmer Umgebung, sprich: autofreie Zone in Wald und Flur teilweise sehr anstrengend sind und ich ihn ausschließlich an Schleppleinen verschiedener Länge führe.
Seine Panik vor Männern in geschlossenen Räumen geht soweit, dass er das Haus nicht betritt, wenn er mit meinem Mann allein ist. Praktisch sieht das so aus, dass er in den Garten flüchtet, sobald die Terrassentür aufgeht und stundenlang das Haus nicht betritt, bis ich wieder da bin.
Anleinen oder gar mit ihm Gassi gehen ist meinem Mann überhaupt nicht möglich, weil er sich nicht von ihm anfassen lässt bzw. in seine Nähe kommt.
Mein Mann füttert ihn jeden Abend aus der Hand und Jonny ist nach 3 Monaten immer noch so angespannt, dass er sofort 2 Meter nach hinten springt, wenn eine kleine Bewegung meines Mannes erfolgt.
Er kostet mich unheimlich viel körperliche Kraft, Nerven und psychische Kraft.
Freunde, Bekannte und Familienmitglieder haben sich teilweise zurückgezogen, leider haben nicht alle Verständnis dafür, wenn sie mich besuchen und sich an bestimmte Verhaltensinstruktionen meinerseits halten sollen, weil der Hund nicht mit allen Männern klar kommt.
Andere Bekannte und Freunde mit Hunden haben sich zurück gezogen, weil auch sie kein Verständnis haben, wenn man ausschließlich Wald und Flur belaufen kann, persönlich hat sich dadurch mein aktives „Hundeleben“ stark eingeschränkt und nachdem mein Mann mir gestern sagte, es werde ihm langsam auch zu viel, frage ich mich schon, ob ich das noch aushalte?
Trotzdem hat sich in den vergangenen Wochen viel bewegt. Es sind Kleinigkeiten, die für andere Hundehalter selbstverständlich sind, die mir aber die Kraft geben, weiterhin am Ball zu bleiben: Jonny hat endlich zugenommen, wiegt jetzt 34 kg, ist in der Lage Grundkommandos gut umzusetzen, ist an der Straße ansprechbar, wenn 1 (!) Auto kommt – alles, was darüber hinaus geht, legt den Schalter zur Flucht – und wenn das nicht geht – zum aggressiven Bellen und Richtung Straßen schmeißen – um, sein Dauerstress hat sich deutlich herunter gefahren, er kann sich – je nach Tagesform und Wildwechsel – auch auf dem Feldweg auf die Suche nach dem Futterbeutel konzentrieren oder sich mit mir auf ein Spiel einlassen.
Gerade heute Morgen hat es an der Straße sehr gut geklappt – Jonny war relativ ruhig und hat das entgegenkommende Fahrzeug nicht beachtet – das kann natürlich morgen oder nachher wieder anders sein…..
Ja, das ist jetzt ein ziemlich langer Bericht und ich bin mir nicht sicher, ob sich jeder, der es bis zu dieser Zeile geschafft hat, vorstellen kann, was es bedeutet, mit einem Hund zusammen zu leben, der durchdreht, wenn er fahrende Autos sieht – zusammen mit der Männer-Problematik macht das ein großes Paket aus, das ich zur Zeit zu tragen habe.
Aber vielleicht kann mir hier jemand Mut machen? Jonny ist nämlich ein echter Sonnenschein! 
Viele Grüße
Alex