Gerade gestern musste ein benachbartes Ehepaar auf dem Campingplatz einen ebenso großen Verlust hinnehmen: ihr zehnjähriger Dackel wurde von einem vorbei kommenden Jagdhund angegriffen und so schwer verletzt, dass er es nicht überlebte.
Die Nachbarn sind nicht unsere engen Freunde, aber man kennt sich, grüßt sich, wechselt ab und an ein paar Worte ... wie es halt so ist unter Dauercampern.
Da sich fast alles im Freien abspielt, bekommt man auch das Familienleben der anderen Zelter mit, und oft haben wir das des Ehepaares mit ihrem Dackel ein wenig belächelt, denn der kleine Hund "Mütze" war ihr verhätscheltes "Kind" - mit eigenem Stuhl am Klapptisch, seinem angestammten Platz auf den Bootsfahrten zu dritt usw.
Wenn für uns auch etwas befremdlich, war es eine niedliche Familienidylle, sie hatten ihr kleines Glück gefunden. Wir lächelten zwar, freuten uns aber über diese harmonische kleine Dreieinigkeit.
Nachdem am Abend zuvor unser Hund von einem großen Jagdhund angegriffen wurde (dazu mehr in einem gesonderten Beitrag), wurden wir gestern Morgen durch qualvolle Hunde- und menschliche Laute in größter Panik geweckt. Der in einer uns bereits bekannten männlichen Stimme gegebene, mehrmals wiederholte, weil wirkungsloser Befehl "Aus" verscheuchte auch den Rest unserer Müdigkeit.
Als wir aus Wohnwagen und Zelt stürzten, bestätigte sich unsere schlimme Vermutung: Der Jagdhund hatte "Mütze" angegriffen, als der friedlich neben seinen "Eltern" saß, die am Frühstücken waren. Der kleine Dackel war wie immer angeleint und auf dem Campinggrundstück der Familie. Darauf wurde immer sehr geachtet, weil es viele Hunde gibt auf dem Zeltplatz und Frauchen immer Angst hatte, dass "Mütze" einem größeren Hund in die Quere kommen könnte.
Wie bereits erwähnt, hatte eben dieser Jagdhund am Abend vorher unseren Hund angegriffen. Völlig unverständlich, weshalb der Halter einige Stunden später den morgendlichen Gassi-Spaziergang so dicht an "Mützes" Platz vorbei machen musste. Ebenso unverständlich ist, dass der Jagdhund an der Leine war und der Besitzer ihn nicht rechtzeitig zurückhalten konnte (?), als er "Mütze" angriff.
Der Jagdhund biss sich im Rücken des Dackels fest und reagierte auf keinen Befehl. Ihm musste - wie schon am Abend zuvor bei unserem Hund - vom Herrchen gewaltsam der Fang geöffnet werden, damit "Mütze" frei kam.
Unsere Nachbarn sind sofort mit "Mütze" in die Tierklinik gefahren, der Dackel wurde operiert, erlag aber seinen Verletzungen. Milz u. a. innere Organe waren zu stark verletzt.
Wir warteten auf dem Zeltplatz auf die Rückkehr von "Mützes" Familie und hofften so sehr, dass der Dackel gerettet werden kann. Denn auch wenn wir nicht eng befreundet sind, haben wir doch mitbekommen, welchen Stellenwert der kleine Hund in dieser Familie hat, und wie groß der Verlust sein muss.
Nach fast vier Stunden kam das Ehepaar zurück - "Mütze" war nicht zu entdecken. Obwohl ich befürchtete, aufdringlich zu wirken, ging ich zu ihnen, um mich nach dem Wohl des Hundes zu erkundigen. Wir machten uns zu große Sorgen um "Mütze", um im Ungewissen zu bleiben.
Doch ich hatte den Eindruck, meine Nachfrage belästigte das Ehepaar nicht, sondern sie nahmen unsere Anteilnahme gern an und waren froh, mit jemandem zu reden, der kurz zuvor ein ähnliches Erlebnis hatte und deshalb sicher nachvollziehen kann, was sie im Moment durchmachen. Unser Hund lebte, wir wussten zu dem Zeitpunkt aber noch nicht, ob er überleben würde. Nachbars drückten uns die Daumen, obwohl "Mützes" Körper im Kofferraum lag und sie dann nach Hause fahren wollten, um ihn zu begraben.
Heute Morgen wurden wir wieder von "Mützes" Familie geweckt: Das Ehepaar stand am Wohnwagenfenster und klopfte uns wach. Sie wollen nun Anzeige erstatten, damit der Jagdhund einem Wesenstest unterzogen wird, und baten mich um Unterstützung als Zeuge, dass der Angriff auf "Mütze" kein Einzelfall war. Außerdem erzählten sie, dass sie sich bereits ein paar Dackelwelpen angesehen hätten und in zwei bis drei Wochen einen davon zu sich nehmen würden. Campen werden sie weiterhin - auf demselben Platz ...
Wir waren alle sehr erleichtert, dass "Mützes" Familie den Verlust scheinbar (?) doch recht gut verkraftet, vor allem weil wir damit nicht rechneten. Und wir auch schon fast ein schlechtes Gewissen hatten, dass unser Hund lebte und der Dackel nicht.
Unser Hund gehört auch zu unserer Familie, und sein Verlust würde uns schwer treffen, aber sein Mitgliedsstatus ist der eines geliebten Haustieres. Aber "Mützes" Stellenwert hatten wir viel höher eingeschätzt und rechneten deshalb damit, dass Nachbars seinen Tod noch viel schwerer nehmen würden als wir den unseres "Hannes". Vor allem, wenn der Hund so plötzlich und grausam stirbt und nicht auf Grund seines Alters oder einer Krankheit. Ich zumindest würde mir nie wieder einen Hund anschaffen, aus Angst, noch einmal einen solchen Verlust auf so schreckliche Weise hinnehmen zu müssen.
Wie man dem Frauchen der herzkranken Spitzdame - oder anderen Herrchen/Frauchen in einer ähnlichen Situation - Trost spenden kann, hängt vom jeweiligen Menschen ab. Das Wichtigste ist Zuwendung und Anteilnahme - glaubhaft, nicht übertrieben.
Floskeln helfen selten. Ich denke, Ehrlichkeit ist das Wichtigste. Ich habe Nachbars gesagt, dass wir gebangt haben um "Mütze" und gehofft und dass es uns sehr leid tut, dass er gestorben ist. Gleichzeitig habe ich zugegeben, dass ich weiß, dass "Mütze" dadurch nicht zurück kommt. Aber ich glaube, ein bisschen hat es unseren Nachbarn doch geholfen. Nicht die Worte, sondern ehrliche Anteilnahme und das Gefühl, ihre Trauer zu teilen, auch wenn wir nicht direkt betroffen sind.
Zurück kamen ihre Genesungswünsche für unseren Hund, und es entstand eine Verbundenheit zwischen uns doch eher flüchtig Bekannten, die beiden Parteien gut tut. Vielleicht werden wir künftig mehr Kontakt zueinander haben auf dem Zeltplatz als bisher, das wäre dann "Mützes Vermächtnis".
Es wird bei den Besitzern der Spitzdame nicht dasselbe sein. Wichtig ist, sie ehrlich in ihrer Trauer zu unterstützen, egal auf welche Weise. Und wichtig ist sicher auch, den Trauernden jeglichen Freiraum zu lassen, aber "hätte - wäre - könnte" Szenarien sanft zu unterbinden, denn die sind sinnlos und verschlimmern jeden Verlust.
Dies sind meine Gedanken und Erfahrungen, keine wissenschaftlich belegten Erkenntnisse o. ä.
Eure Hannes-Family