Och, dann steig ich mal auf Seite 15 ein...
Ich kann euch von beiden Seiten berichten.
Da ist zum einen meine Mutter, die kurz nach der Wende arbeitslos wurde. Sie arbeitete 15 Jahre lang in einer Lederfabrik als Kassiererin. Buchhaltung etc. waren also ihre Hauptaufgaben. Doch 1991 ging die Firma pleite, genau wie viele andere im Osten. Meine Mutter bewarb sich sofort neu, doch es kamen nur Absagen. 1992 wurde mein Vater arbeitslos, doch die Bundeswehr hielt Einmarsch und übernahm ein Gebiet in der Gegend als Truppenübungsplatz, auf dem er nach 2 Monaten eine Stelle bei der Feuerwehr bekam...
Meine Mutter suchte weiter...
TÄGLICH schrieb sie Bewerbungen. Überall hin. An die Ostsee, Stuttgart, Dortmund.. Als Tellerwäscher, Putzfrau, als Buchhalterin, usw.
13 Jahre lang...
Doch jeden Tag kamen die Absagen ins Haus - fast 50, viele Jahre arbeitslos, aus dem Osten. Die Chancen waren schlecht. Zum Glück verdient mein Vater nicht schlecht...
Zwischendurch fand sie einen kleinen Job beim Bäcker als Verkäufer, der aber nach wenigen Jahren pleite ging...
2005 zog meine Mutter aus, bezog lieber SH statt bei meinem Vater zu leben. Kurz zuvor hatte sie eine Stelle gefunden in einer Fabrik am Fließband - für sage und schreibe 2,80€ die Stunde!! So verdiente sie nebenbei etwa 450€ im Monat als "Taschengeld". Doch mit dem Auszug musste dieses Geld nun reichen. 450€ im Monat, sie beanspruchte einen Wohnungszuschuss, die Miete belief sich auf knapp 200€, wovon der Staat 76€ übernahm. Die 13 km von der Wohnung zum Job und zurück nahm sie bei Wind und Wetter mit dem Rad auf sich, denn der Bus hätte das Geld gefressen. Das Radfahren wurde ihr am 31.8.2005 zum Verhängnis, als sie bei einem Unfall starb.
Im Nachhinein erzählten uns Freunde, dass meine Mutter selten Essen im Kühlschrank hatte. Teilweise sind Freunde mit ihr einkaufen gegangen, vor allem wenn mein Bruder oder ich zu Besuch kamen - damit wir ja ncihts merken. Als wir Einsicht in die Akten nahmen nach ihrem Tod ist uns das Herz stehen geblieben. Im August 2005 zum Beispiel verdiente sie 213€. Wie hätte sie damit überhaupt überleben sollen!? Meine Mutter war immer zu stolz mehr Hilfe vom Staat in Anspruch zu nehmen.
Dann sehe ich eine Freundin von mir. Sie ist 23 Jahre, ihr Freund 27. Er bezieht Hartz4, sie ist als Saisonkraft in einem Großlager angestellt. Zusammen bleiben ihnen etwa 1200€ im Monat, die gemeinsamme Wohnung wird bezuschusst. In den letzten 3 Monaten kamen zu dem schon vorhanden Leguan, ein weiterer, 2 andere Echsen, 2 160l Aquarien mit Barschen und eine Hamsterfamilie.
Allein die Anschaffungskosten der Becken und Terrarien kann ich mir nicht leisten...
2 völlig unterschiedliche Welten...