Hallo zusammen,
mein 2,5-jähriger Chihuahua-Rüde Abraxas lässt sich nicht pflegen bzw. untersuchen.
Er ist normalerweise total verschmust und anhänglich und lässt sich am ganzen Körper gern streicheln und kraulen. Aber er merkt sofort, wenn aus dem Streicheln ein Abtasten wird und reagiert mit (Angst-)Aggression.
Leider hat er in kurzer Zeit schon einige schlechte Erfahrungen machen müssen:
Er hat sich eine Kralle abgebrochen und musste einen unangenehmen Verband an und zwischen den Zehen tragen.
Er hatte einen Abszess an den Analdrüsen. Das war extrem schmerzhaft und der Arzt musste ihm oft am Po rumfummeln und ihm da auch sehr wehtun.
Er hatte eine Zahn-OP. Die Milchzähne sind nicht alle ausgefallen und einer war sogar verwachsen und musste rausgeschnitten werden. Dafür musste er natürlich in Vollnarkose mit viel Gefummel an seinem Mäulchen vorher und nachher.
Dementsprechend hat er guten Grund misstrauisch zu sein, sobald er "untersucht" wird.
Außerdem muss ich gestehen, dass ich in seiner Welpenzeit wohl einiges verbockt habe. Anstatt ihn langsam an Pflege heranzuführen, habe ich mir das winzige Kerlchen oft einfach gepackt und die nötigen Dinge (z.B. Pfoten abwaschen, Ohren säubern, Popo abwischen, baden, ...) einfach gemacht. Natürlich habe ich ihm nie wehgetan oder gar geschadet, aber ich habe ihn eben ohne Konsens und Gewöhnung mit Dingen konfrontiert, die ihm Angst gemacht haben.
Nun lässt er sich heute gar nicht mehr pflegen oder untersuchen. Jedes noch so liebe Kuscheln, wird sofort unterbrochen, wenn er spürt, dass ich nicht mehr nur kraule, sondern "fummle". An echte Fell- oder Pfotenpflege wie Krallen schneiden, ist gar nicht zu denken.
Ein paar Beispiele:
- Er lässt sich nicht abtasten. Selbst beim "Zecken-Kontroll-Kuscheln" wird er inzwischen sofort steif, wenn er merkt, dass ich an einer bestimmten Stelle mal nicht mehr nur kraule, sondern herumtaste um eine eventuelle Zecke zu finden. Ziehen könnte ich die Zecke auch nicht, wenn ich eine fände.
- Kürzlich habe ich zu spät gesehen, dass Scherben auf der Straße lagen und er ist durch gelaufen. Also habe ich ihn hochgehoben und wollte die Pfötchen abtasten, für den den Fall, dass er sich eine Scherbe eingetreten hat (hatte er nicht). Er hat Zeter und Mordio geschrien, geknurrt und um sich geschnappt, sobald ich die Pfoten angefasst habe.
- Er hat langes Fell, auch am Po. Normalerweise ist sein Kot fest, aber hin und wieder ist der mal etwas weicher und ein Kotrest bleibt am langen Fell hängen. Das lässt er sich weder mit Tüchern noch mit den Händen entfernen.
- Den After darf ich eigentlich nicht mal genauer angucken ohne angeknurrt zu werden. Da ist er nach dem Abszess und dem vielen Rumgequetsche an den Drüsen komplett verstört.
- Er lässt sich nicht Bürsten. Zum Glück muss das auch nicht sein, nur die langen Haare an den Ohren verknoten manchmal. Selbst die Knötchen lässt er sich nicht rausschneiden. Sobald ich die Schere in die Hand nehme, wird er defensiv.
- Vor ein paar Tagen hatte er einen Fremdkörper (sah aus wie metallisches Konfetti) am Auge. Das wollte ich entfernen und er hat sofort geknurrt als er merkte, dass ich nicht nur streicheln wollte und hat nach meinen Fingern geschnappt.
- Heute habe ich gelernt, dass er auch keine Pullover mehr anziehen möchte. Mäntelchen, wo nur die Beine rein müssen, mit Reißverschluss im Rücken gehen, aber Pullover, die über den Kopf gezogen und die Beine einzeln durch die Ärmel geholt werden müssen, kann ich vergessen.
Früher fand er all diese Dinge zwar auch schon blöd, hat sie aber mehr oder weniger gelassen über sich ergehen lassen. Seit der vielen Tierarzt-Besuche tut er das nicht mehr. Anfangs hat er nur geknurrt und lauten Krawall gemacht, wenn ihm die Dinge zu weit gingen. Leider musste der Arzt öfter mal über die Grenzen gehen. Und leider habe ich dann wohl auch oft seine Grenzen überschritten, weil er klein und handlich ist und die Dinge eben gemacht werden mussten. Inzwischen ist seine Zündschnurr echt kurz und er reagiert auf alles Unangenehme aggressiv. Auch mit ernstem Beißen.
Allgemein reagiert er super auf positive Verstärkung und "Klickern" (wir benutzen ein Markerwort statt einem Klicker). Alles, was er so kann, hat er auf diese Weise gelernt (Grundkommandos, Frusttoleranz, Tricks, etc). Aber bei diesem Problem klappt das einfach nicht. Zum Beispiel belohne ich Interesse an der Bürste, 100te Male, trotzdem gelingt der Übergang zum Berühren nicht.
Ich habe den Eindruck, dass ich so eine Art "medical training" komplett neu aufbauen müsste, ganz von vorn anfangen, weil alles schon so falsch verhaftet ist. Nur wie mache ich das mit all diesen negativen Verknüpfungen?
Habt ihr Tipps für einen komplett neuen Trainingsansatz?
Oder habe ich es verbockt und ohne professionellen Trainer ist da gar nix mehr zu retten? 