Beiträge von Digirunning

    Tucker

    Ich verstehe Deine Einwände, Deine neurologischen Erklärungen. Ich wehre mich aber immer gegen ein Absolutum. Dieses schwarz-weiß-Denken liegt mir nicht.


    In einem ihrer Bücher beschreibt Maja Nowak (ich weiß, auch über die kann man so oder so denken) eine vergleichbare Ausgangssituation mit einem ihrer Hunde. Stöckchenjunkie vor dem Herrn. Mit viel Geduld und Verständnis hat sie ihn von seiner Sucht befreien können.


    Auch mein Hund hat das selbstbelohnende Verhalten der Jagd gelernt. Tauchte früher ein Reh im Wald auf, war er nicht mehr ansprechbar und im Freilauf war er im Dickicht verschwunden. Heute sind wir so weit, dass er zwar immer noch sehr aufgeregt wird und auch losspurtet, im Großteil der Fälle bleibt er aber auf dem Spazierweg, verbellt das Reh nur noch von dort aus, schaut sich auch bereits nach wenigen Sekunden zu mir um, hat sich auch schon mitten im Vollsprint abrufen lassen und die Hacken in den Teer gehauen.

    OK, mein kleiner Labi ist zu langsam, als dass er jemals ein Reh erreichen könnte und das wird mir positiv in die Karten gespielt haben, aber nichts desto trotz haben wir es nach viel viel Übung erreicht, dass er nur noch für wenige Sekunden austickt, so dass wir letztens in 30m Entfernung ein Reh beobachten konnten und er drehte diesem irgendwann sogar den Rücken zu. Das war viel Arbeit und wird es bis an sein Lebensende bleiben.


    Gehe ich beim Hund der TO jetzt aber grundsätzlich davon aus, dass da nichts zu machen ist, wozu verurteile ich dann den Hund? Und wie gerecht werde ich einem Lebewesen, wenn ich es nicht wenigstens versuche? Ich glaube schon, dass eine Besserung möglich ist, wenn wohl aber auch keine Heilung. Die Hundewiese wird aber wohl groß genug sein und es wird wohl auch nicht alle 20m jemand da stehen und Bällchen werfen, so dass doch schon viel erreicht wäre, wenn ich einem solchen Hund ankonditionieren im Gehorsam zu bleiben und dann mit Herrchen/Frauchen woanders hingehe, wo auch Hunde sind aber kein Bällchen geworfen wird.

    Ich kann zwar die Vorschläge verstehen, Situationen/Kontakte/Orte zu meiden, das würde ich für den Beginn vielleicht sogar für eine gute Maßnahme halten. Aber letztendlich ist das nur eine Problemvermeidung. An der Ursache ändert das nichts. Verfährt man so, wird das restliche Leben des Hundes nur noch gemanagt. Es wird sich nicht am Symptom orientiert.


    Ich habe ja auch einen kleinen Balljunkie zu Hause (allerdings bei Weitem nicht mit der Schilderung der TO vergleichbar) und habe heute Morgen mal einen Test gemacht. Wir spielen vor der Arbeit immer ein paar Minuten mit dem Fußball. Wegkicken, hetzen, apportieren. Es ist aber schon locker ein Jahr her, dass ich meinem Hund abverlangt habe, sitzen zu bleiben und erst auf Kommando loslaufen zu dürfen. Da wir kein Problem mit anderen Hunden und deren Bällen haben, haben wir zwei beide einfach immer entspannt miteinander gespielt. Und siehe da: er konnte es erst gar nicht aushalten, was mir zeigte, dass ich an dem Thema doch mal wieder ein bisschen arbeiten muss.


    Wenn ich mit dem Hund an diesem Thema arbeite, "erkläre" ich ihm ja quasi, was er tun soll und was nicht. Und diese "Erklärung" braucht auch der Hund der TO. Keine Leine, keine Vermeidung des Hundesplatzes, etc.

    Nur ist das nicht mal eben in 5 min erledigt. Der Hund spricht kein Deutsch und hat nicht das kognitive Rüstzeug für eine abstrakte, verbale Erklärung. Das wird viel Übung, viele Wiederholungen und vorsichtiges Herantasten an die maximale Triggersituation bedeuten.

    Eine Situation aushalten auf der einen Seite, auf den Menschen achten (Freigabekommando) auf der anderen Seite - wurde beides schon angesprochen.

    Ich weiß, ich werde hier gleich einen riesen Shit-Storm erleben und obendrein finde ich nicht das eigentliche Video, an das ich gerade denke, aber dieser Mexikaner hier erklärt und führt vor, wie er mit obsessivem Verhalten umgeht, welche Geisteshaltung er beim Tier, aber auch beim Menschen sieht, die zum Problemverhalten führen. Ein Hund hat ja nicht von Geburt an, quasi in den Genen steckend, die Fixierung auf einen Ball im Blut.


    https://www.youtube.com/watch?v=_aHh5R7aSvQ

    Meiner frisst auch immer wieder gerne Gras. Es mag sein, dass ihm das sogar schmeckt, vielleicht ist es Teil einer Übersprungshandlung oder schlichte Langeweile, wenn Herrchen sich mal wieder festquatscht und er sonst nichts zu tun weiß. Das hat aber nie etwas Exzessives. Meiner kotzt auch nur so vielleicht 5x im ganzen Jahr. Bei Deinem Hund beschreibst Du es aber gerade als exzessiv.


    Ich habe gerade den Beitrag von @Hailey2019 ge-liket, da mir das sofort auch durch den Kopf gegangen ist. Der Hund möchte vielleicht etwas loswerden. Einen Fremdkörper oder überschüssige Magensäure. Du sprichst ja von gelb-schaumig. Dazu passt auch die Frage mit der Futterumstellung. Wenn Hunde an Trocken- oder Nassfutter gewöhnt sind und dann plötzlich rohes Fleich und Knochen bekommen, weil er ja vom Wolf abstammt und der ja so frisst, dann muss der Hund sich daran aber erst gewöhnen, denn er braucht dafür viel mehr Magensäure, als für die industrielle Nahrung. Kehrt man dann wieder zurück, weiß der Hund nicht wohin mit der ganzen Magensäure und er kotzt sie aus. Genauso kann es einem passieren, wenn die Abstände zwischen 2 Fütterungen zu lang sind. Da das Kotzen dann nicht selten beim Aufwachen morgens passiert, spricht man hier auch vom "Early Morning Vomit Syndrom".


    Also: die vorgeschlagene Arztkonsultation ist sicherlich nicht die verkehrteste. Vielleicht hat er etwas verschluckt, was ihn stört, oder er produziert auf einmal mehr Magensäure als sonst und will diese loswerden. Das Gras ist dafür Mittel zum Zweck.


    Gruß

    Matthias

    Hey!

    Ich schicke eins vorweg - ich habe mir jetzt nicht 10 Seiten durchgelesen, sondern nur die erste.


    Ich kann mich hier outen, dass ich in den ersten ein bis zwei Jahren völlig ahnungslos daneben gestanden habe und fast alles habe laufen lassen. Ich bin Ersthundbesitzer und hatte zu Beginn von Tuten und Blasen keine Ahnung. "Die spielen schön!", war auch mein häufig gewählter Satz, weil er meinem Eindruck entsprach. Keiner knurrt, keiner beißt - folglich spielen sie schön!


    Nach vielen Kursen, Videos und Büchern über Hundekommunikation bin ich jetzt eines Besseren belehrt. Mich schüttelt's heute noch, was ich in diesen ersten ca. 2 Jahren meinem lieben Wuffi alles zugemutet habe, was er alles ertragen musste. Tut mir wirklich leid, Rudi!


    Jetzt weiß ich um vieles, vieles mehr (ist aber weiterhin noch ausbaufähig) und moderiere (wie es so schön vom TO benannt wurde) deutlich mehr, bin viiiiiiel näher beim Hund. Wenn es zu Kontakten kommt, greife ich allerspätestens ein, wenn mein Hund mir einen Blick zuwirft, nicht selten aber schon früher. Wobei ich nicht als Ziel habe, ihm quasi Hundekontakte zu verwehren. Er soll ruhig weiterhin reichlich Kontakt haben die er möchte, aber er soll sich auf mich als sein Sozialpartner verlassen können, dass ich an seiner Seite bin.


    Ich habe immer mal wieder von einem Besitzer mit 2 Hunden beim Erstkontakt gehört: "Ach, auch ein bisschen unfair. Zwei gegen einen!" Ich entgegne dann inzwischen immer, dass es 2:2 steht und verweise auf mich. Manchmal passiert es dann sogar genau in dem Moment, dass ich auch eingreifen muss, weil ich sehe, dass ein Hund schon am Rücken meines Hundes leckt und ich die Muskelspannung erkenne, kurz bevor aufgeritten wird. Aller aller seltenst wird dies von der Gegenseite auch gesehen/verstanden, meist ernte ich nur fragende Blicke bzw. Kommentare, ob ich denn für meinen Hund keinen Kontakt mit anderen Hunden möchte, da ich ja gerade splitte.


    Auch dieses Splitting wird seltenst verstanden. Für viele gibt es quasi nur Kontakt und dann am besten unmoderiert, oder keinen Kontakt, also Vermeidung. Eine Grauzone ist nicht existent. Besonders, wenn sich 2 Hunde ankötten/zoffen, wird schnellstmöglich das Weite gesucht. Auf einer Hundewiese, wo man sich vielleicht nie wieder sieht, ist das ja noch irgendwie OK. Aber im eigenen Wohngebiet, wo man sich - wenn's ganz blöd läuft - 2x täglich über den Weg läuft, finde ich das äußerst schlecht. Wenn's geknallt hat, sollte meiner Meinung nach jeder seinen Hund unter seine Kontrolle bringen, direkter Blickkontakt zwischen den Hunden wird unterbunden und wir bleiben alle nebeneinander und atmen mehrfach tief durch. Dann zusammen in die gleiche Richtung gehen und 80 - 90 % des Konfliktpotentials ist aus der Welt geschafft. In den wenigsten Fällen geht der Konflikt tiefer und somit herrscht wieder Ruhe im Wohngebiet und die nächste Begegnung verläuft meist unproblematisch. So z. B. sollte gutes Monitoring aussehen.

    Ich muss immer wieder mit ansehen, wie die Leine wie eine Angel benutzt wird und das auch teilweise sehr ruppig. Nicht schön.

    Ich gebe über die Leine sanfte Impulse, in welche Richtung mein Hund gehen soll. Ein, zwei kurze Zupferchen, mein Hund schaut zu mir und ich kann ihm durch Gestik, Mimik oder körpersprachlich die Richtung anzeigen.

    Auch das Nicht-Zerren läuft bei uns so, wie oben beschrieben.

    .... oder meint ihr dass er merkt, dass wir im Haus sind

    Natürlich weiß er, dass ihr da seid. Er kann Euch riechen, er kann Euch hören. Und ich würde mich nicht wundern, wenn ein Hund in der Nacht mal einen Kontrollgang macht, wenn die Distanz zwischen dem Hunde- und dem Menschenschlafplatz recht groß ist. Unserem Hund hatten meine Ex-Frau und ich deshalb extra eine dicke in den Flur gelegt, weil er alleine unten im Wohnzimmer im Körbchen schlief, ab und an aber mal hochkam und dann im Flur auf den Fliesen lag und dort eine Zeit l lang schlief.

    Wie lange lasst ihr eure Hunde allein?

    Leider müssen es bis zu 8 Std sein, wenn wir arbeiten gehen. Find' ich zwar doof, lässt sich aber nicht ändern. Irgendwo muss das Geld ja auch herkommen. Zum Glück hat mein Hund aber kein Problem damit. Und für mich hat hier im Forum ein Hinweis geholfen, den Kopf wirklich komplett frei zu kriegen, dass die Hunde häufig nur dann mal so wirklich entspannen/schlafen können, wenn nichts um sie rum passiert, sie also alleine sind.

    BieBoss

    Beim ersten Lesen fand ich das komisch. Aber je mehr ich drüber nachdenke, ergibt das einen Sinn. In einem Hunderudel wird ein angespannter Hund auch von den anderen Hunden korrigiert. Und wir wissen, wie die Korrektur eines Hundes aussehen kann.


    Ich verlinke dieses Video immer wieder gerne. Wir Menschen haben doch schnell so Gedanken im Kopf: "Wie kann man nur so "brutal" mit den süßen Welpen umgehen?!" Tja, Hunde ticken anders und Hundemama weiß, was ihre Welpen brauchen.


    https://www.oe24.at/video/ente…beruhigt-welpen/404531255

    unsere sollen regelmäßig und auch mal spontan alleine bleiben und dann in erster Linie ruhen.

    Genau. Die Zeit alleine soll mit Entspannung und Ruhe verknüpft sein, nicht mit Aktivität.


    Ich hatte auch lange den Gedanken im Hinterkopf, dass ich meinen Hund nicht einfach alleine lasse, sondern quasi im Stich lasse und er muss quasi wie ein Gefangener ausharren. Das sind Gedanken, die zu Emotionen werden und die können unsere Hunde wahrnehmen. Das ist kein Voodoo, sondern sie können z. B. unsere Körperchemie riechen, auch sehen sie kleinste Muskelspannungen im Gesicht. Unsere Hunde können uns viiiiiiel besser lesen, als wir denken!


    Geholfen hat mir hier im Forum ein Ausspruch zu dem Thema, der daran erinnerte, dass die Zeit alleine zu Hause für die Hunde die Chance ist, wirklich mal entspannen zu können, da dann kein Mensch da rumwirbelt (Hausarbeiten, HomeOffice, TV sehen, am PC zocken, etc etc). Es gibt nicht wenige Hunde, die tatsächlich nur in dieser Zeit so richtig runterkommen können, weil einfach nix los ist.